Vinschgau - AUS DEM GERICHTSSAAL
Es war tatsächlich hoch an der Zeit, dass die Staatsanwaltschaft beim Landesgericht Bozen die Katze aus dem Sack gelassen hat. Gemeint ist damit die Anklageschrift gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen für das Zugunglück auf der Latschander in Latsch. Seit nunmehr zwei Jahren wird in diesem Fall nämlich nach dem Schrotschussprinzip ermittelt. Das heißt, die Betroffenen konnten in der Regel aus den Medien erfahren, in welche Richtung die Ermittlungen gerade liefen. Dabei wurden diese in alle nur erdenklichen Windrichtungen ausgeweitet, um ja keinen auch noch so entfernten potentiellen Verantwortlichen zu „vergessen“. Das gilt besonders für die beiden Grundeigentümer, in deren Obstanlagen sich die Beregnungsleitung und der „inkriminierte“ Schieber befand. Die sind in das ganze Verfahren hineingeraten wie die sprichwörtliche „Jungfrau zum Kind“. Dabei war von Anfang an auch für jeden Laien erkennbar, dass die Beregnungsleitung nichts mit dem Eigentum an Grund und Boden zu tun hatte, sondern vielmehr dem Bonifizierungskonsortium Vinschgau gehörte, welches allein für dessen Wartung und Betrieb zuständig war. Aber auch für die Betroffenen, gegen die nun letztendlich Anklage erhoben wurde, ist die Ungewissheit vorbei. Sie wissen es nun „schwarz auf weiß“, worin ihre angebliche Fahrlässigkeit bestanden hat. Auch in diesem Falle hat der „mediale Pranger“ wie nach Drehbuch funktioniert: Die sich über Jahre hinziehenden Ermittlungen werden über alle Kanäle unserer modernen Kommunikationsgesellschaft verbreitet. Dabei bleibt weitgehend unerwähnt, dass es sich um Vorerhebungen der Strafverfolger handelt, welche erst noch im anschließenden Hauptverfahren verifiziert werden müssen. Vorverurteilungen sind daher die Regel, auch die von der Verfassung garantierte Unschuldsvermutung lässt buchstäblich „grüßen“. So betrachtet war für alle Beteiligten, Opfer wie „Täter“, höchste Eisenbahn, dass endlich Anklage erhoben wurde.
Peter Tappeiner, Rechtsanwalt
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