Vinschgerwind: Hinter der OVEG liegen turbulente Jahre und eine bewegte Geschichte. Alles verdaut?
Markus Niederegger: Mehr als verdaut. Der Vorstand der OVEG, allen voran der Obmann haben in der Vergangenheit mit viel Weitsicht gehandelt. Ich selbst habe im November 2012 als Geschäftsführer angefangen und war gleich mit der Konzepterarbeitung beauftragt. Meine Aufgabe war nicht Äpfel verkaufen, sondern vielmehr die Struktur in Prad auszuarbeiten. Es hat mehrere Studien gegeben. Die Studie vom Raiffeisenverband hat ergeben, dass der Weg der Eigenständigkeit schwierig wird. Von der finanziellen Seite her eine Herausforderung für die Mitglieder. Nichtsdestotrotz haben unsere Berechnungen und Prognosen Jahr für Jahr zugetroffen und haben uns bestätigt. Ich muss sagen: Die Struktur in Prad ist gut gelungen und von der Logistik her optimal. Das haben uns auch Außenstehende bestätigt. Wir haben sicher den Vorteil gehabt auf der grünen Wiese bauen zu können.
Vinschgerwind: Seit fünf Jahren ist man in den neuen Verwaltungs- und Produktionsräumen in Prad. Wie ist man ausgerüstet?
Markus Niederegger: 2009 haben wir die ersten Äpfel im neu gebauten Zellentrakt in Prad eingelagert. Wir haben hier knapp 7 Hektar, verbaute Fläche sind fast 3 Hektar. Das haben wir in 10 Jahren realisiert. Wir sind extrem schnell gewachsen, haben 2013 angefangen die Verarbeitungsstruktur samt Bürogebäude hier zu bauen. Wir verfügen über eine Sortierhalle, einen Emballagenraum und eine Verpackungshalle mit dazugehörigem Maschinenpark. Wir können in unseren Zellen am Standort Prad 3.000 – 3.200 Waggon einlagern und nochmal 600 im neuen Hochregallager, Eyrs hat eine Lagerkapazität von 1.400 Waggon. Die gesamte angelieferte Tafelware läuft über die Sortieranlage, welche über 64 Kanäle verfügt. Allein bei der Sorte Golden haben wir 55 Artikel. Die sortierte Ware geht anschließend in die Umschlagzellen und ab heuer in das Hochregallager. Wir produzieren – wie alle anderen auch - nur auf Auftrag, nicht auf Lager. Die Aufträge werden im Normalfall am gleichen Tag abgewickelt. Die OVEG verfügt insgesamt über 8 Verpackungslinien und wir können hier natürlich unterschiedliche Verpackungsarten machen: gelegte Ware, lose Ware, Fruchtschalen, Beutel und Taschen. Der Auftrag wird auf eine Verpackungslinie virtuell zugewiesen und über eine Rutsche wird die Linie mit dem Verpackungsmaterial beschickt. Das heißt es landet auf dem Packtisch. Über die Entleer-station wird die Linie mit dem entsprechenden Apfel-Artikel beschickt. Das muss alles gleichzeitig erfolgen, denn sonst müssen die Verpackerinnen warten. Der Verpackungsraum ist vom Personal her am intensivsten. Da läuft viel über Handarbeit. Diese Arbeit verrichten hauptsächlich Frauen, die das tagtäglich machen und zwar 11 Monate im Jahr. Und ich muss sagen: Das ist eine strenge Arbeit, die man wertschätzen muss. Sobald alles verpackt ist, wird jede einzelne Verpackung etikettiert, läuft auf die Palettierstationen und wird entsprechend den Vorgaben des Kunden palettiert. Anschließend geht die fertig palettierte Ware vollautomatisch vom Verpackungs- in den Versandbereich. Der LKW kommt und die Palette wird verladen. Diesen Ablauf haben wir perfekt im Fluss.
Zusätzlich haben wir eine Halle für unsere saisonalen Produkte.
Vinschgerwind: Kann man sagen die OVEG ist die vielfältigste unter den Genossenschaften?
Markus Niederegger: Ja, absolut. Wir sind im Vinschgau der größte Produzent, was Gemüse anbelangt. Beim Sommerblumenkohl sind wir die Nummer 1. Im Sortiment haben wir noch Weiß- und Spitzkohl, Blaukraut, Eisbergsalat, Kartoffel, Romanesco, Pak Choi, Tomaten, Sellerie, Lauch, Melanzane, Fenchel, Artischocken. Wir haben diese Vielfalt vor allem im Obervinschgau, damit es auch möglich ist eine Fruchtfolge zu machen. Wir brauchen einen Ausgleich für die Böden. Dann geht es weiter mit den Kirschen. Wir sind der größte Kirschenproduzent im Vinschgau. In unserem Verzeichnis führen wir noch Marillen, Erdbeeren, Heidelbeeren, Himbeeren. Das ist unsere Vielfalt. Deshalb brauchen wir auch unser Detailgeschäft, das sehr gut ankommt und von den Kunden sehr geschätzt wird. Lokale Produkte, authentisch und gut. Wir vermarkten und verkaufen das, was hier bei uns wächst.
Vinschgerwind: Die OVEG wurde 1963 von 47 Bauern in Eyrs gegründet. Die OVEG heute - ein Steckbrief.
Markus Niederegger: Wir haben derzeit 243 Mitglieder. Dazu kommen 29 Lieferanten. Wir haben auf einer Fläche von 730 Hektar Apfelanbau. Auf 115 Hektar werden saisonale Produkte angebaut. Das ist nicht wenig. Der Personalstand beläuft sich auf 100 Mitarbeiter, 33 sind fix, der Rest ist saisonal angestellt. Zum Sortenspiegel: Wir haben 75 Prozent Golden. Wir sind damit sehr goldenlastig und werden das auch in Zukunft sein. Durch die Club- und Vertragssorten gehen wir in Richtung 70 – 65 Prozent Goldenanteil. Aber wir sind als Anbaugebiet für den Golden prädestiniert und es gibt wenig Alternativen für diese Höhenlage, das muss man auch klipp und klar sagen. Wenn eine ideale Clubsorte für unsere Höhenlage anbaufähig wird, dann werden wir sie anbauen. Aber die nächsten 15 – 20 Jahre wird unsere Hauptsorte der Golden sein. Die zweite Sorte ist der Pinova mit 8 Prozent, dann kommen der Gala mit 6 Prozent und der Stark mit 5 Prozent. Der Rest verteilt sich auf Clubsorten.
Vinschgerwind: Wie schaut es bei den Mengen aus?
Markus Niederegger: Da muss ich etwas ausholen. Die letzten drei Jahre waren sehr schwach von den Mengen her. 2015 haben wir eine Menge von 4.350 Waggon gehabt, 2016 aufgrund von Frost sind wir bei 4.000 Waggon stehen geblieben. Dann haben wir 2017 Frost und Hagel gehabt. 90 Prozent vom Gebiet war verhagelt, das war brutal. Da haben wir nur 3.050 Waggon Ernte eingefahren und wenn man diese Struktur sieht und wie viele Investitionen getätigt wurden, dann fehlen die Kostenträger. Das wirkt sich dann natürlich auf den Auszahlungspreis aus. 2018 hatten wir 4.000 Waggon bedingt wiederum durch Frost und Hagel. Die Bäume sind völlig aus dem Rhythmus gekommen, nach drei extremen Jahren. Positiv ist: Wir hatten 2018 eine Ernte von 250 Waggon saisonalen Produkten. Das ist schon eine stolze Menge und das sind auch ganz wichtige Kostenträger.
Vinschgerwind: Und heuer?
Markus Niederegger: 2019 werden wir eine gute Ernte einfahren. 4.800 Waggon erwarten wir heuer. Unser Potential liegt in etwa bei 5.200 Waggon, die saisonalen Produkte nicht mitgerechnet.
Vinschgerwind: 31 Cent ist für den konventionellen Golden ausbezahlt worden.
Markus Niederegger: Es fehlte 2018 einerseits die Menge und zum anderen die erste Qualität. Nur 55 Prozent waren Prima, der Rest waren alles zweite Qualitäten oder Industrieware. Es nutzt eben nichts nur den Auszahlungspreis anzuschauen. Der Auszahlungspreis ist absolut nicht zufriedenstellend, das ist klar. Ich sage aber, man muss 5 Jahre anschauen und nicht ein Jahr und wir reden hier von Schnittpreisen, das muss auch klar sein.
Vinschgerwind: Wie ist das Gemüse verkauft worden?
Markus Niederegger: Das Gemüse haben wir 2018 gut verkauft und 2019 noch besser.
Vinschgerwind: Was bekommt ein Bauer für einen Kilogramm Blumenkohl?
Markus Niederegger: Die letzten Jahre lagen wir im Schnitt zwischen 50 und 60 Cent pro Kilogramm. Genau das ist für viele eine einmalige Möglichkeit, sich vom Viehbauern zum Gemüseproduzenten und zur Dauerkultur zu entwickeln.
Vinschgerwind: Blick in die Zukunft: Wo steht die OVEG in 10 Jahren?
Markus Niederegger: Wir sind von der Struktur her sehr gut aufgestellt. Eigentlich wäre laut unserem Masterplan das Hochregallager erst für 2022 geplant gewesen und jetzt haben wir es 2019 realisiert. Wir haben in den vergangenen Jahren gewaltige Finanzierungen getätigt.
Vinschgerwind: Mit EU Geldern?
Markus Niederegger: Die OVEG hat im Unterschied zu anderen Genossenschaften, die konstant gewachsen sind, die OP-Gelder nur zu 17 Prozent abgreifen können. Den Rest haben wir zu stemmen. Zugute kommt uns die bereits über mehrere Jahre anhaltende glückliche Zinsentwicklung.
Vinschgerwind: Blicken wir weiter in die Zukunft.
Markus Niederegger: Der Anteil des Golden wird sich bei 65 Prozent einpendeln. Die saisonalen Produkte sind auch weiterhin sehr, sehr wichtig. Läuft alles nach Plan, werden wir uns innerhalb 2023 konsolidiert haben. Was wichtig ist, ist einfach die Qualität. Das muss oberste Maxime sein im Hinblick und im Einklang mit der Natur. Wir müssen unseren Mitgliedern ökonomische und ökologische Antworten geben. Für die OVEG wird es in Zukunft so sein, dass man mit den Kosten auf ein Niveau kommen wird, wo man mit den Nachbarschaftsgenossenschaften mithalten kann. Grundsätzlich muss man sagen, dass die OVEG eine Erfolgsgeschichte ist. In so kurzer Zeit möglich gemacht haben dies ein starker Obmann, ein fähiger Vorstand und aufgeschlossene Mitglieder, die uns einen gewaltigen Vertrauensvorschuss gegeben haben. Ein Dank an dieser Stelle auch an unseren Verband, ohne dem vieles nicht möglich gewesen wäre und ohne dem eine Zukunft sowieso nicht vorstellbar ist. Aber ganz wichtig sind vor allem unsere Mitarbeiter, die am Erfolg maßgeblich beigetragen haben und das auch weiterhin werden. Das macht uns schon stolz.
Interview: Angelika Ploner
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