Es war wohl einer der skurrilsten Rechtsstreite, die vor dem früheren Schlanderser Bezirksgericht ausgetragen wurden. Gemeint ist jener, der in Schluderns beheimatet war und bei dem es um ein ganz besonderes Recht ging: zwei eng aneinander gebaute Häuser waren durch einen Hofraum getrennt. Zu Gunsten eines der Häuser bestand eine Dienstbarkeit, den Hofraum des Nachbarn nicht nur zu begehen, sondern dies auch zu einem ganz bestimmten Zweck tun zu können, nämlich um das Plumpsklo im Erdgeschoss des Nachbarn mitzubenützen! Diese nachbarschaftlichen „Gemeinsamkeiten“ gaben natürlich immer wieder Gelegenheit zum klassischen Latrinenstreit, und als der „Notdurftberechtigte“ sein Haus sanierte und sich in seiner Wohnung ein eigenes Klosett einrichtete, hielt der mit dem Latrinenrecht Belastete den Zeitpunkt für gekommen, der nachbarlichen Sch…..erei ein Ende bereiten zu können. Er ging also zum Bürgermeister, dieser besah sich die Örtlichkeiten und erließ in seiner Eigenschaft als oberstes Gesundheitsorgan eine Verordnung, mit der er die Benützung der Latrine aus hygienischen Gründen untersagte. Gestützt auf diese Verfügung schüttete der Belastete das Plumpsklo kurzerhand zu, entfernte die Sch…vorrichtungen und funktionierte den Raum in eine Milchkammer um! Er hatte jedoch die Rechnung ohne seinen kämpferischen Nachbarn gemacht. Dieser ging vor Gericht, um gestützt auf sein grundbücherlich eingetragenes Latrinenrecht die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zu begehren. Der Bezirksrichter schoss „aus der Hüfte“ und wies die Klage kurzerhand ab: Der Bürgermeister habe das Verrichten der Notdurft in dieser primitiven Form untersagt und damit sei das Recht als erloschen zu betrachten. Der so seines Rechtes Beraubte ließ jedoch nicht locker und ging in die Berufung: Recht müsse Recht bleiben, auch der Bürgermeister sei nicht befugt, ihm das Latrinenrecht zu verweigern. Beim Landesgericht Bozen wurde der Fall dem juristisch äußerst gefinkelten Richter Paolo Delerba zugeteilt, Dieser korrigierte denn auch die erstrichterliche Entscheidung: Der Bürgermeister könne tatsächlich nicht ein bücherlich eingetragenes Recht einfach „abschaffen“. In der Substanz aber fällte er eine salomonische Entscheidung: Das Latrinenrecht bestehe zwar weiterhin, müsse aber solange „ruhen“, bis im belasteten Raum die zum Verrichten der Notdurft notwendigen „Vorrichtungen“ wiederhergestellt wären! Der Fall beschäftigte zwar noch die Obersten Richter in Rom, doch diese machten sich die Finger nicht schmutzig und bestätigten das Urteil der Vorinstanz. Und seither wartet der Dienstbarkeitsberechtigte wie weiland Kaiser Barbarossa im Kyffhäuser mit der Hose in der Hand auf den Augenblick, da aus der Milchkammer des Nachbarn ein Plumpsklo wird und er sein „ruhendes Recht“ wieder ausüben kann!
Peter Tappeiner,
Rechtsanwalt
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