Karl Plattner ist nicht nur Maler mit einem starken Gespür für Farben, Farbkontraste, Farbschattierungen und einem tiefen Gefühl für Licht und Schatten, Plattner ist auch Zeichner, Grafiker, Landschaftsarchitekt und Philosoph. Seine Landschaftsbilder sind gekennzeichnet durch Linien und Flächen. Es sind geometrische Spiele mit klaren Strukturen, verschachtelten Feldern, die er wie ein Landvermesser auf die Leinwand zaubert. Auch bei den Menschenbildern sind Linien, Formen und Flächen erkennbar, oft wie bei einem geomorphologischen Gebilde. Die engen, verschlungenen Gassen von Planeil, die Malser Haide, der Ortskern von Burgeis, die Dachlandschaften und Häuserfassaden der Dörfer, die Landschaften im Obervinschgau hat er gespeichert und aus dem Unterbewusstsein heraus auf die Leinwand gebracht, vielfach in einem intuitiven Malprozess. Es sind Erinnerungsbilder, innerlich verarbeitete Eindrücke.
Karl Plattner war ein Zerrissener, auf der Suche nach Heimat und zugleich immer wieder auf der Flucht nach neuen Wohnstätten und einer Ersatzheimat. 38 Wohnungswechsel soll es in seinem Leben gegeben haben. Eng verbunden mit Mals, wo er geboren und aufgewachsen ist und der Landschaft des Obervinschgaus, in die er regelmäßig zurückkehrte, zog es ihn immer wieder hinaus in die Welt, nach Mailand, Paris, nach Südfrankreich, Florenz und Brasilien, wo er neue Impulse erfahren und als Künstler gearbeitet hat. „Südtirol ist für mich eine Hassliebe“, meint Karl Plattner in einem Interview, abgedruckt in der Tiroler Kulturzeitschrift „Das Fenster“ im Jahre 1984. Er konnte nicht lange in Südtirol leben, andererseits konnte er auch nicht ohne Südtirol leben und kam zweimal im Jahr für rund drei Wochen nach Burgeis. Beim Mohrenwirt hat er gelebt und gearbeitet und mit Bildern bezahlt. Der Vinschgau war sein Nährboden. Der Kontakt mit der Natur, mit den Farben, den Strukturen der Landschaft und mit den Menschen, das war für sein künstlerisches Schaffen das Ausschlaggebende. Die Existenz des Menschen, seine Einsamkeit, der Schmerz und der Tod sind bestimmend für seine Werke. Dunkle Farben dominieren viele Bilder. Die Melancholie, der Lebensschmerz, der arbeitende und leidende Mensch, seine Entwurzelung, seine Fremdheit, das sind seine Themen. Im Bild „Die tote Mutter“ aus dem Jahre 1969/70 liegt die Mutter im schwarzen Kleid auf dem Totenbett, so als könnte sie nach einem arbeitsamen Leben endlich ausschlafen, frei von Sorgen und Schmerzen.
Frauenkörper, die Erotik, die Menschen und ihre Beziehungen sind weitere Themenfelder. Eine große Sehnsucht nach Geborgenheit ist darin erkennbar. Lebendig und geradezu fröhlich sind die Bilder, auf denen Kindern dargestellt werden. Fasziniert haben ihn sicher auch die verschiedenen Bräuche und das bunte Faschingstreiben im Vinschgau. Bunt und energiegeladen erscheint das Bild „Karneval in Mals“ aus dem Jahre 1976/79. Plattner war ein Perfektionist, ein kompromissloser Künstler, der den Kunstbetrieb in ganz Europa beobachtete, sich aber nie einer Mode gebeugt, sondern ganz konsequent seinen Malstil entwickelt und daran festgehalten hat. Sein Vater starb als er 4 ½ Jahre alt war. Als jüngstes Kind von insgesamt 10 Kindern war es für ihn und für seine Mutter nicht leicht. Kriegsdienst und amerikanische Gefangenschaft haben ihn geprägt, genauso wie die Armut und der schwierige Weg vom Anstreicher bis zum Künstler. Seine erste Ausstellung war 1946 im Rathaus von Schlanders, organisiert von Matthias und Ludwig Gurschler. Mit den verkauften Aquarellen konnte er an der Akademie in Florenz studieren. Die öffentlichen Aufträge in der Kirche in Lichtenberg und Prad waren ein erster Erfolg für den jungen Plattner. Der Auftrag, in Naturns ein fünf Meter hohes Fresko für das Kriegerdenkmal zu schaffen, brachte viel Geld, aber auch eine Menge Kritik. Das Fresko wurde zerkratzt und beschädigt und anschließend 17 Jahre lang durch Holzplatten verdeckt.
1954 gewann Plattner den Wettbewerb zur Ausschmückung des Sitzungssaales im neuen Landhaus. Das Landhausfresko, nach Martina Adami eines der repräsentativsten und bedeutendsten Kunstwerke unserer Zeit, ist 4,80 m hoch und 15,30 m breit. Im Mittelpunkt des großartigen Freskos ist die Altstadt von Bozen mit dem Waltherplatz. Auf der linken Seite sind Ackerbauern, die mit einem Ochsen das Feld bestellen, auf der rechten Seite sind Obstbauern bei der Ernte. Im Hintergrund erscheinen Landschaften aus dem Vinschgau und Eisacktal. Als Plattner das Fresko halb fertig hatte, hat er alles wieder herunter gerissen, ist nach Paris und hat neue Entwürfe erstellt. In den Sommermonaten hat er das Werk dann fertiggestellt. Am 15. Oktober 1955 wurde die Herbstsession des Landtages mit dem vollendeten neuen Fresko von Karl Plattner eröffnet. Später erhielt Plattner weitere große Aufträge wie das Wandbild für das neue Festspielhaus von Salzburg und den Freskenzyklus in der Europakapelle an der Europabrücke der Brenner-Autobahn.
Als Hommage an den großen Künstler widmet das Kuratorium Schloss Kastelbell die diesjährige Frühjahrsausstellung Karl Plattner. Es ist bereits die zweite Plattner Ausstellung im Schloss Kastelbell, dieses Mal in Erinnerung an seinen 100. Geburtstag am 13. Februar 2019.
Heinrich Zoderer
Hommage an Karl Plattner
Am Samstag, den 25. Mai 2019 gibt es einen „Kultur-Gang“ in Mals.
Start Peter-Glückh-Platz bzw. Kriegerdenkmal des Malser Friedhofs
um 17 Uhr.
Ausstellung im Schloss Kastelbell
Erinnerungen – Ricordi
28.04. bis 23.06.2019
Öffnungszeiten:
14 – 18 Uhr Dienstag – Samstag
11 – 18 Uhr Sonn- und Feiertagen
Ausstellungen und Erinnerungen an Karl Plattner im Vinschgau bzw. Mals:
1994 bekam die Grundschule Mals den Namen Karl Plattner, seit 2011 gibt es einen „Karl Plattner Platz“ in der Spitalstraße von Mals, seit 2013 gibt es die Plattnerstube und seit kurzem eine Plattnergalerie, die Gallery Plavina im Hotel zum Mohren in Burgeis.
2000 im Schloss Kastelbell: die 1. Karl Plattner Ausstellung vom 25. April bis 12. Juni 2000.
2011 im Museum Kloster Marienberg: Titel „Karl Plattner: Jugendsünden“
2012/13 im Spazio Rizzi in Latsch: „Karl Plattner – Gemälde und Graphik“ vom November 2012 bis 30. Jänner 2013.
Biografische Daten und öffentliche Arbeiten:
1919 in Mals im Vinschgau geboren am 13. Februar
1938-39 Gehilfe des Freskomalers Anton Sebastian Fasal
1939-45 Kriegsdienst
1946-52 längere Studienaufenthalte in Florenz, Paris, Mailand
1947 Fresken für die Kirche in Lichtenberg und das Elektizitätswerk von Mals
1948 Fresken für die St.-Johann-Kirche in Prad
1950 Fresko für das Gefallenendenkmal auf dem Friedhof von Mals
1950-51 Fresko für das Obstmagazin Banfi in Schlanders
1951 Fresko für das Gefallenendenkmal auf dem Friedhof von Naturns
1952-54 Aufenthalt in Rio de Janeiro und Sao Paolo
1953 Wandbild für die Casa Bancaria Geral do Comercio, Sao Paolo
1954-56 Arbeit in Paris und Bozen
1954-55 Fresko für den Sitzungssaal des Südtiroler Landtags, Bozen
1955 Wandbild für die Zeitung Folha de Manha, Sao Paolo
1956-58 Aufenthalt in Sao Paolo
1958 Wandbild für das Büro der Air France, Sao Paolo
1958-61 Aufenthalt in Bozen
1959-60 Wandbild für die Kirche in Alsack, Vinschgau
1960-61 Wandbild für das neue Festspielhaus von Salzburg
1961-63 Aufenthalt in Tourettes sur Loup
1963-64 Fresken für die Europakapelle, Innsbruck
1963-78 Aufenthalt in Mailand
1965 Wandbild für die Austria-Versicherung, Wien
1966 Fresko für das Familiengrab in Mals
1979-86 Aufenthalt in Cipiére (Provence) mit zahlreichen Besuchen in Burgeis und Bozen
1986 scheidet Karl Plattner am 8. Dezember in Mailand freiwillig aus dem Leben
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