Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Medardus, 8. Juni 2021
Die Landwirtschaft beeinflusst die natürlichen Ressourcen Landschaft, Boden, Wasser, Luft, Klima und Artenvielfalt. 37 % der Landflächen unseres Planeten werden landwirtschaftlich bearbeitet. In Südtirol beträgt die landwirtschaftliche Gesamtfläche 455.840 Hektar. Das entspricht fast 62 % der Landesfläche. Wegen der Steilheit des Geländes können nur 209.322 ha als Anbauflächen, Wiesen und Weideland genutzt werden.
Intensivierung verringert Biodiversität
Die rasche Mechanisierung, die Intensivierung und die Spezialisierung in der Landwirtschaft haben sich tiefgreifend auf die Landschaft ausgewirkt. Zahlreiche Studien zeigen, dass die Art und Intensität der Landnutzung stark auf die Biodiversität auswirken. Als Faustregel gilt, dass die Biodiversität mit zunehmender agrarischer Nutzung abnimmt.
Große Teile Südtirols sind eine Kulturlandschaft unterschiedlichen Natürlichkeitsgrades. Die Grünlandbewirtschaftung ist flächenmäßig die wichtigste Kulturform Südtirols und hat somit großen Einfluss auf die Biodiversität, besonders in den Höhenlagen von der submontanen bis zur subalpinen Vegetationsstufe (von etwa 800 bis 2.300 m MH). In Abhängigkeit von der Bewirtschaftungsintensität und den naturräumlichen Voraussetzungen gibt es eine Vielzahl an Wiesen- und Weidetypen. Auch für diese Bodennutzung gibt es eine Faustregel: Je extensiver die Bewirtschaftung, umso größer der naturkundliche Wert. Die durchschnittliche Anzahl an Arten von Gefäßpflanzen je 100 m² Fläche schwanken: In einer Fettwiese kommen 20 – 40 Pflanzenarten vor. Seltene oder gefährdete Arten sind darunter rar. Magerwiesen sind mit über 50 Arten von Gefäßpflanzen schon deutlich artenreicher. Und Magerwiesen auf kalkhaltigem Ausgangsgestein können sogar bis zu 80 Arten von Gefäßpflanzen aufweisen.
Futterbilanz in der Grünlandwirtschaft
Durch Mechanisierung und Intensivierung in der Grünlandwirtschaft wurden im letzten Jahrhundert traditionelle Wiesenformen mit höchstens drei Futterschnitten großflächig zu Intensivwiesen auch mit bis zu 5 Schnitten umgewandelt. Entsprechend stieg der Ertrag auf der bewirtschaften Fläche. Landesweit wurden aber auch in Südtirol zahlreiche Flächen brachgelegt, sodass insgesamt landesweit die Produktion an Futtergrundlage für die Viehhaltung nur leicht zunahm. Der Futterverbrauch hingegen hat sich deutlich erhöht. Auch kam es im Laufe der Jahre zu deutlichen Verschiebungen zwischen den verschiedenen Nutztierarten mit mehr Rindern und weniger Schafen und Ziegen. Züchterische Verbesserungen brachten bei den Rindern in den vergangenen 200 Jahren eine Gewichtszunahme des Durchschnittsgewichtes von 250 kg im Jahr 1850 auf heute 650 – 750 kg. Die Milchleistung einer Kuh stieg von 2050 kg im Jahr 1850 auf heute durchschnittlich 7.300 kg. Und entsprechend stieg der Energiebedarf dieser Hochleistungsrinder von 16.585 Mega Joule Netto Energie Laktation (MJ NEL) im Jahr 1850 auf aktuell 34.879 MJ. In Südtirol wird heute 47 % mehr Futterenergie verbraucht als produziert. Die viehhaltende Landwirtschaft kann ihren Futterbedarf nur durch Zukäufe decken. In der EU kommen zugekaufte Futtermittel im Falle von Getreide weitgehend aus Deutschland, Frankreich und Spanien. Rapsprodukte kommen aus Kanada, Australien, Kasachstan und der Ukraine. Soja hingegen wird vorwiegend aus Brasilien, Argentinien, den USA und Paraguay importiert. Wegen der Emissionen auf den Transportwegen ist die zukaufende Landwirtschaft damit auch an der Produktion von Treibhausgasen und an der Erderwärmung beteiligt.
Monitoring der Biodiversität in Südtirol
Die Südtiroler Landesregierung hat im Jahr 2019 ein langfristiges und systematisches Monitoring der Biodiversität in unserem Lande veranlasst. Die Datenlage zur Kenntnis und Charakterisierung der Artenvielfalt fehlt nämlich für verschiedene Bioindikatoren oder ist mangelhaft. Die Erhebung soll zeigen, wie rasch sich die Arten- und Ökosystemvielfalt ändert und wo die Änderungen besonders schwerwiegend sind. Das Langzeitprojekt umfasst alle Lebensraumtypen und wird von eurac research in Zusammenarbeit mit dem Naturmuseum Südtirol, dem Amt für Natur und der Abteilung Landwirtschaft der Autonomen Provinz Bozen durchgeführt. Dabei werden Feuchtgebiete, Fließgewässer, Wälder und subalpine Standorte beispielsweise als naturnahe Lebensräume untersucht, Siedlungsgebiete oder landwirtschaftliche Flächen (Wiesen, Weiden, Dauerkulturen im Obst- und Weinbau) hingegen als stark vom Menschen beeinflusste Lebensräume. Als aussagekräftige Indikatoren wurden für alle Lebensräume die fünf Organismengruppen der Gefäßpflanzen, Vögel, Fledermäuse, Heuschrecken und Tagfalter ausgewählt. Daneben werden Moose und Flechten, verschiedene Bodenorganismen und Bodenparameter wie pH-Wert und Phosphatgehalt erhoben. Auch die Landschaft rund um das jeweilige Untersuchungsgebiet wird kartiert. Die Düngung und die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln werden als Bewirtschaftungseinflüsse erhoben, ebenso die forstwirtschaftlichen Maßnahmen, um langfristig ein besseres Verständnis zu erlangen, wie sich diese auf die Diversität von Tier- und Pflanzengruppen und die Ökosysteme auswirken. Die Ergebnisse des Monitorings dienen der Grundlagenforschung. Sie sollen zukünftig auch Basis für politische Entscheidungen zu Landwirtschaft, Naturschutz und Raumordnung sein. Detaillierte und laufend aktualisierte Informationen zum Biodiversitätsmonitoring Südtirol finden sich auf der Webseite
https://biodiversity.eurac.edu