Für Photovoltaikanlagen und weitere energetische Maßnahmen bei landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden sind Förderungen vorgesehen. Ansuchen sind vom 27. September bis 27. Oktober möglich.
Das Ministerium für Landwirtschafts-, Ernährungs- und Forstpolitik (Mipaaf) hat über die Förderschiene "Parco Agrisolare" einen Aufruf zur Realisierung von Photovoltaikanlagen auf Dächern landwirtschaftlicher Betriebsgebäude veröffentlicht.
Die im staatlichen Wiederaufbaufonds (PNRR) für den "Parco Agrisolare" vorgesehenen Mittel belaufen sich auf 1,5 Mrd. Euro. Davon sind 1,2 Mrd. Euro für Maßnahmen im Bereich der landwirtschaftlichen Primärproduktion und die restlichen 300 Mio. Euro zu gleichen Teilen für Investitionen in die Verarbeitung von Primärerzeugnissen zu landwirtschaftlichen und nicht-landwirtschaftlichen Erzeugnissen vorgesehen. Gefördert wird die Installation von Photovoltaikanlagen mit einer Höchstleistung zwischen 6 kWp und 500 kWp auf Dächern von landwirtschaftlich genutzten Gebäuden.
Darüber hinaus sind auch Speichersysteme, elektrische Ladestationen und Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz der Gebäude, wie die Entfernung und Entsorgung von Asbest, Wärmedämmung oder Belüftungssysteme von Dächern förderfähig.
Wer darf ansuchen?
Zum Ansuchen berechtigt sind landwirtschaftliche Einzelbetriebe oder Gesellschaften, landwirtschaftliche Genossenschaften und deren Konsortien sowie agroindustrielle Betriebe. Von der MwSt.-Registerführung befreite Betriebe, die im Jahr 2021 einen Umsatz von weniger als 7000 Euro erwirtschaftet haben, sind von der Förderung ausgeschlossen.
Frist vom 27. September bis 27. Oktober
Die Ansuchen können über das Portal des GSE (Gestore dei Servizi Energetici) im Zeitraum vom 27. September (ab 12:00 Uhr) bis spätestens 27. Oktober 2022 (bis 12:00 Uhr) eingereicht werden. Die Förderungen werden anhand dieses Schalterverfahrens bis zur Erschöpfung der Mittel gewährt. Dies bedeutet, dass die zeitliche Reihenfolge des Eingangs ausschlaggebend sein wird.
Der Hauptbestandteil des Ansuchens besteht aus dem technischen Bericht eines befähigten Technikers. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert, einen Techniker hinzuzuziehen, der diesen Bericht verfassen und nach Möglichkeit auch das Fördergesuch stellen kann.
Ansuchen über das Ministerium
Hier der direkte Link zum Aufruf samt Unterlagen auf dem Internetportal des Ministeriums für Landwirtschafts-, Ernährungs- und Forstpolitik.
red
Mit Fokus auf dem Handlungsfeld "Klima&C02-Reduktion" wurde bei den Sustainability Days der Aktionsplan 2030 vorgestellt, ein Maßnahmenkatalog zur Umsetzung des Strategiepapiers LandWIRtschaft 2030.
Bei den "Sustainability Days Südtirol 2022" hat der Landwirtschaftslandesrat gemeinsam mit dem Obmann des Südtiroler Bauernbundes Leo Tiefenthaler am heutigen Mittwoch (7. September) in der Messe Bozen den Aktionsplan 2030 vorgestellt. Unter dem Motto "Landwirtschaft 2030: Südtirols nachhaltiger Weg", hatten sich Südtirols Politik mit den Interessensvertretern im Frühjahr 2022 zusammengeschlossen, um die nachhaltige Entwicklung der Südtiroler Landwirtschaft geschlossen voranzutreiben. Der nun vorgestellte Aktionsplan ist ein Maßnahmenkatalog mit rund 100 Projekten, um das gemeinsame Vorhaben umzusetzen.
Die Projekte des Südtiroler Bauernbundes, der Sektoren, des Landes Südtirol und der wissenschaftlichen Institutionen werden den sechs Handlungsfeldern des Strategiepapiers LandWIRtschaft 2030 zugeordnet: Familienbetriebe und ländlicher Raum, Klima und CO2-Reduktion, Wasser und Boden, Artenvielfalt und Landschaft, Gesundheit und Genuss sowie Dialog mit der Gesellschaft. Außerdem wurde der Punkt Monitoring & Digitalisierung hinzugefügt, um auch die digitale Weiterentwicklung der Landwirtschaft im Blick zu haben.
Der Fokus der heutigen Vorstellung lag auf dem Handlungsfeld "Klima & C02-Reduktion". Der Landwirtschaftslandesrat erklärte, dass "die Folgen des Klimawandels bereits spürbar sind. Die möglichen Anbauhöhen steigen und extreme Wetterereignisse häufen sich, die Vegetation setzt immer früher ein." In Südtirol entfallen 18 Prozent der CO2-Emissionen auf die Landwirtschaft. Auswirkungen auf das Klima seien jedoch nicht nur auf die landwirtschaftliche Produktion zurückzuführen, sondern auch auf das Konsumverhalten der nicht-bäuerlichen Bevölkerung – es brauche ein Umdenken.
Von Kohlensotffkataster bis CO2-Bonus für Holzbauweise: konkrete Projekte
Vorgestellt wurden bei den Sustainability Days konkrete Projekte, an denen man gemeinsam mit den Partnern arbeitet, um aufzuzeigen, dass die Landwirtschaft ihren Beitrag für eine positive Klimabilanz leistet. Mit dem Kohlenstoffkataster wird die Erfassung und Bewertung der Kohlenstoff-Vorräte in landwirtschaftlich genutzten Flächen Südtirols gemessen werden, um einen Überblick zur CO₂ Bilanz erstellen zu können. Auf der anderen Seite werden mit dem CO₂-Bonus für Holzbauweise die Aufstockung des mittel- und langfristigen CO₂-Speicherstocks gefördert. Nicht zuletzt meinte der Landesrat für Landwirtschaft, dass auch ein langfristiger Blick in die Zukunft notwendig sei. Unsere vernetzte digitale Welt biete Möglichkeiten, die genutzt werden können, um einen positiven Einfluss auf die Landwirtschaft zu erzielen, so auch die Nutzung von Big Data. Das Kultivas Projekt untersucht die Auswirkungen des Klimawandels auf die Südtiroler Landwirtschaft, um künftige ideale Lagen für gewisse Kulturpflanzen hervorzuheben. Dies sind einige der zahlreichen Projekte.
Auch der Südtiroler Bauernbund hat in enger Zusammenarbeit mit den Sektoren Apfel, Wein und Milch gemeinsamen Zielvorstellungen für die nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft erarbeitet. In sechs Leitsätzen und acht Leuchtturmprojekten werden die gemeinsamen Anstrengungen für die Nachhaltigkeit im Aktionsplan gelistet.
Große Anstrengungen unternimmt die Landwirtschaft auch beim Klimaschutz. Im Mittelpunkt des Leuchtturmprojektes "CO2-Fußabdruck" steht deshalb die Messung des CO2-Fußabdrucks in allen drei Sektoren Obst, Wein und Milch sowie in der Forstwirtschaft. Ziel ist ein einheitlicher Klimarechner zur Bilanzierung von Treibhausgas-Emissionen. "Jeder landwirtschaftliche Betrieb soll damit seine CO2-Bilanz erstellen können", erklärte Tiefenthaler. Für die Erstellung des Klimarechners gibt es eine Zusammenarbeit mit der KlimaHaus Agentur. Für den CO2-Fußabdruck wird die gesamte Produktionskette durchleuchtet. Neben den Emissionen in Stall und Wiese werden auch die Energieflüsse bei Vorleistungen wie Futtermittel oder Dünger sowie bei Verarbeitung, Lagerung und Verpackung der Lebensmittel berechnet. Erste Ergebnisse des Leuchtturmprojekts "CO2-Fußabdruck" sind Ende 2023 zu erwarten.
Die Landwirtschaft arbeite aktiv mit, um die Klimaziele zu erreichen, ohne dabei ihre Hauptfunktion – die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln – aus den Augen zu verlieren, meinen der Landesrat und der Bauernbund-Obmann am Ender der Pressekonferenz. Die Projekte der anderen Handlungsfelder werden demnächst vorgestellt.
np
Der Klimawandel in Waldökosystemen stand gestern (6. September) im Zentrum der EUSALP-Diskussionsrunde bei den Nachhaltigkeitstagen.
Wie werden die heutigen Wälder und Berglandschaften in Zukunft aussehen? Viele Auswirkungen des Klimawandels sind bereits in den Alpenregionen sichtbar: hohe Temperaturen und geringe Niederschläge mit extremen Wetterphänomenen und starkem Befall von Insekten und anderen Krankheitserregern. Sowohl Waldbesitzer als auch Gemeinden und Waldbesucher beobachten dies mit Sorge. Um Lösungen für diese Problematik zu finden, organisierten die derzeitigen EUSALP Vorsitzländer Südtirol und Trentino die Veranstaltung mit dem Titel "Wie können die Experten der Forst- und Holzwirtschaft sowie die Zivilgesellschaft auf die Klimakrise reagieren?", die gestern (6. September) im Rahmen der Sustainability Days und in Anwesenheit des Landesrates für Forstwirtschaft in der Messe Bozen stattfand.
Unter anderem waren Vertreter der Forstverwaltungen, der Möbelbranche, Forscher und Forstpolitiker vor Ort und tauschten sich aus. Die Moderation übernahm Christian Hoffmann von der Eusalp Task Force "Multifunktionale Wälder und nachhaltige Holznutzung". Wie Günther Unterthiner, Direktor der Landesabteilung Forstwirtschaft, erklärte, müsse in enger Zusammenarbeit mit den Waldeigentümern das mittel- und langfristige Ziel darin bestehen, anpassungs- und widerstandsfähige Wälder in Südtirol aufzuziehen. Nur so können vor dem Hintergrund der Klimaveränderungen die verschiedenen Ansprüche, die der Mensch an den Wald stellt, erfüllt werden.
Die stetigen Veränderungen werden erhebliche Auswirkungen auf die nachgelagerte forstwirtschaftliche Lieferkette haben, wie Angelo Marchetti, Präsident des gesamtstaatlichen Verbandes für Holzverarbeitung "Assolegno-Federlegno", betonte. Aus diesem Grund müssen die geeigneten rechtlichen, steuerlichen, finanziellen und wirtschaftlichen Instrumente allen Beteiligten an der Holzlieferkette zur Verfügung gestellt werden, um die Erst- und Weiterverarbeitung von Holz zu erleichtern.
Die Umweltaktivistin Ariane Benedikter sprach über ihr Engagement für die Forstwirtschaft. Sie wies darauf hin, dass eine aktive und unmittelbare Beteiligung in den kommenden Jahren von entscheidender Bedeutung im Kampf gegen den Klimawandel sein werde: Es müsse ein Gleichgewicht zwischen Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit gefunden werden. Ebenso sei es wichtig, junge Menschen für das Thema zu sensibilisieren und den weiblichen Teil der Gesellschaft noch stärker in den Dialog mit einzubeziehen.
mdg/at
Südtirol soll die Klimaneutralität zehn Jahre vor den EU-Zielen erreichen. Das hat die Landesregierung im heute vorgestellten Klimaplan – Teil 1 festgeschrieben und sieht darin viele Chancen.
Südtirol strebt die Netto-Klimaneutralität bis ins Jahr 2040 an. Das ist zehn Jahre früher als von der Europäischen Union vorgegeben. Dies hat die Landesregierung im "Klimaplan Südtirol 2040 – Allgemeiner Teil" am Dienstag, 30. August festgelegt. Eine Woche später, am heutigen Dienstag (6. September) haben alle Mitglieder der Landesregierung die Details im Rahmen der Nachhaltigkeitstage 2022 in der Messe Bozen vorgestellt.
"Das +1,5 °C-Ziel und das dazugehörige Nettonull-Ziel ist aus derzeitiger Sicht nur unter großer Kraftanstrengung noch realistisch zu erreichen“, steht im Klimaplan, der in einem Beteiligungsprozess mit der Bevölkerung, den Sozialpartnern und relevanten Nicht-Regierungsorganisationen, der Forschung und Wissenschaft bis zur ressortübergreifenden Arbeit in der Landesverwaltung und Landesregierung entstanden ist. So arbeitete die beratende Expertenkommission 480 Seiten an Vorschlägen aus der Bevölkerung, wie Kommissionspräsidentin Federica Viganò erklärte. Anschließend stellte der wissenschaftliche Koordinator Gottfried Tappeiner die in den Klimaplan eingeflossenen Ergebnisse und Ziele vor. Angesichts der dramatischen und spürbaren Klimaentwicklung sei rasches Handeln nötig. In Zahlen ausgedrückt sieht der Klimaplan 2040 daher fünf übergeordnete Ziele, sechs Hauptstrategien und insgesamt 16 Handlungsfelder vor.
Fünf übergeordnete Ziele
Die CO2-Emissionen sollen gegenüber dem Stand von 2019 bis 2030 um 55 Prozent und bis 2037 um 70 Prozent reduziert werden. Bis 2040 soll Südtirol klimaneutral sein.
Der Anteil erneuerbarer Energie soll von derzeit 67 Prozent bis zum Jahr 2030 auf 75 Prozent und auf 85 Prozent im Jahr 2037 steigen. Letztlich muss er für die Klimaneutralität 100 Prozent erreichen.
Treibhausgasemissionen, die von CO2 verschieden sind, also speziell N2O und Methan, sollen bis 2030 um 20 Prozent und bis 2037 um 40 Prozent reduziert werden gegenüber dem Stand von 2019.
Der Anteil der Südtiroler Wirtschaft an den durch die Klimawende wachsenden und neu entstehenden Märkten soll sich deutlich überproportional entwickeln.
Trotz der notwendigen Anpassung von Gesellschaft und Wirtschaft soll der Anteil der armutsgefährdeten Bevölkerung bis 2030 um zehn Prozentpunkte gegenüber dem Stand von 2019 (Stand 2019 rund 18 %) sinken.
Mit dem Beschluss der Landesregierung seien die im Klimaplan festgelegten Ziele und Maßnahmen verbindlich, erklärte der Landeshauptmann zu Beginn der Vorstellung: "Mit diesem Dokument verpflichten wir uns zu mutigen Entscheidungen, die wir bereits in der Nachhaltigkeitsstrategie Everyday for Future vor einem Jahr angekündigt haben und nach denen sich unser Handeln neu ausrichten muss. Der nun überarbeitete Klimaplan ist ein sehr wichtiger Teil dieser Gesamtstrategie."
Man wolle Klima-Vorzeigeland werden, betonten der Landeshauptmann und der Landesrat für Umwelt und Energie, der den Klimaplan vorgelegt hat. So steht im Klimaplan: "Ein Wohlstandsland wie Südtirol muss mehr als das Minimum erreichen.“ Dies würde längerfristig zu einem Standortvorteil führen. Die Maßnahmen würden "vielschichtige Chancen, aber auch Belastungen schaffen". Der Landeshauptmann und der Umwelt- und Energielandesrat verwiesen besonders auch auf die im Klimaplan vorgesehenen unabhängigen Messinstrumente. "Sollte das Monitoring zeigen, dass wir bei angepeilten Teilzielen hinterherhinken, müssen wir nachbessern", sagte der Landeshauptmann.
Der Umwelt- und Energielandesrat betonte, der Klimaplan sei ein wesentlicher Schritt in Richtung Nachhaltigkeit: "Vor allem wurde er nicht von der Politik diktiert, sondern mit der Beteiligung auf verschiedenen Ebenen erarbeitet. Besonders freut mich, dass das Ergebnis durch eine klare Einbindung der Bevölkerung und Experten entstanden ist und dass in der Folge die Landesregierung auf meinen Vorschlag hin den im Koalitionsvertrag vorgesehenen Klimaplan verabschiedet hat." Die Politik werde weiterhin auf die Anliegen der Bevölkerung hören, ganz besonders in dieser Phase ständiger dramatischer Veränderungen. Der Landesrat hält es daher für unumgänglich, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um den von der Bevölkerung gewünschten ökologischen Wandel herbeizuführen.
Immer wieder stand die Aussage im Mittelpunkt, dass der Klimawandel alle Lebensbereiche betreffe. Somit sei die Nachhaltigkeit – und die Klimaneutralität als Teil davon – ein sektorenübergreifendes Querschnittsthema. Entsprechend stellten alle Landesregierungsmitglieder vor, welche Aufgaben sich für ihren Zuständigkeitsbereich ergeben. Gefragt seien aber alle, auch die Zivilbevölkerung und Privatwirtschaft, um die Ziele zu erreichen.
16 Aktionsfelder
Zu den 16 Aktionsfeldern zählen unter anderem Kommunikation und Bewusstseinsbildung, zum Schwer- und zum Personenverkehr, drehen sich um Bauen und Heizen, sehen Maßnahmen in der Land- und Forstwirtschaft sowie in den verschiedenen Wirtschaftssektoren ebenso wie den Umbau der Energiesektoren vor. Auch langfristige CO2-Senken, die Resilienz und Anpassung an den Klimawandel, Ernährung und Konsum sind ein Thema. Eigene Aktionsfelder stellen die unterstützenden Leistungen und Zertifizierungen, aber auch die Forschung dar.
Drei Gruppen von Maßnahmen
Um die verschiedenen Ziele zu erreichen, sieht der Klimaplan drei Gruppen von Maßnahmen vor: Schnell wirksam seien Gebote und Verbote. Mittelfristig würden Anreize wirken, um bestimmte Verhaltensweisen zu belohnen. Besonders zielführend sei hingegen die dritte, langfristig wirkende Gruppe, die sich mit dem Oberbegriff „kultureller Wandel“ zusammenfassen lässt und Verhalten aus eigenem Antrieb verändert. Notwendig werde sein, alle Strategien und Wirkungsmechanismen in allen Aktionsfeldern einzusetzen.
Bis Juni 2023 umfassender „spezifischer Teil“
Der "Klimaplan Südtirol 2040 – Allgemeiner Teil" sieht auch vor, bis spätestens Juni 2023 den "Spezifischen Teil" zu erarbeiten. Der Allgemeine Teil sieht bereits viele sofort zu treffende Einzelmaßnahmen vor, um sofort ins Handeln zu kommen. Enthalten sind aber auch Beispiele von möglichen Maßnahmen, die für den spezifischen Teil zu konkretisieren und umzusetzen sind. Der spezifische Teil soll dann die Maßnahmen zu allen Aktionsfeldern und zudem eine deutlich ausgeweitete statistische Grundlage enthalten.
gst
Mit der Eröffnungsfeier fiel heute Vormittag (6. September) der Startschuss für die erste Ausgabe der "Sustainability Days" in der Messe Bozen. Die Zielsetzung: "Aufzeigen, was geht".
Impulse geben für eine nachhaltige Entwicklung im ländlichen Raum: Darum drehen sich ab heute vier Tage lang die "Sustainability Days – Internationale Plattform für die Regionen der Zukunft" in der Messe Bozen. Ehrengäste der heutigen (6. September) Eröffnungsveranstaltung, durch die Moderator Andreas Pfeifer dreisprachig führte, waren der EU-Kommissar für Haushalt und Verwaltung und der italienische Minister für Infrastrukturen und nachhaltige Mobilität.
Der Landeshauptmann blickte in seinen einführenden Worten auf die zahlreichen Krisen, denen die Welt heute begegnet. "Neben all dem braucht es vor allem eins: Aufzeigen, was geht, um die Heimat Erde für uns alle ein Stück besser zu machen", unterstrich der Landeshauptmann. Die Agenda 2030 der Vereinten Nationen mit ihren 17 Nachhaltigkeitszielen träume von einer besseren Welt. "Dafür müssen wir Dinge ändern und anders machen. Und dafür müssen wir auch gewisse Dinge nicht mehr machen", so der eindringliche Appell des Landeshauptmanns.
Deshalb sei dies genau der richtige Moment für die Eröffnung der Nachhaltigkeitstage 2022, sagte der Landeshauptmann. "Aufzeigen, was geht, können uns internationale Redner wie Jane Goodall, Robert Engle, Gail Bradbrook, David Wallace-Wells, Sophie Bayley, Paolo Braguzzi und Clover Hogan, aber auch viele herausragende Expertinnen und Experten aus Südtirol."
Plattform für die Regionen der Zukunft
Dabei gelte es auf die besonderen Erfordernisse des ländlichen Raums einzugehen. "In Europa leben 150 Millionen Menschen im ländlichen Raum. Gerade der Alpenraum, in dem wir leben, bekommt die Auswirkungen der Klimaerwärmung besonders zu spüren", fuhr der Landeshauptmann fort. Südtirol habe mit seiner Autonomie immer daran gearbeitet, Entwicklung für die Menschen zu ermöglichen. "Die Nachhaltigkeitstage sind ein weiterer Baustein auf unserem Weg Richtung Nachhaltigkeit. Sie sind keine Eintagsfliege, sondern hier arbeiten viele Menschen an neuen Lösungen, wie nachhaltige Entwicklung im ländlichen Raum gelingen kann", erklärte der Landeshauptmann und verwies auf das Empfehlungspapier zur Unterstützung zukünftiger politischer Entscheidungen, das bis Ende der Veranstaltung am Freitag vorliegen wird.
Südtirol eine der ersten Regionen mit SDG-Monitoring
Als eine der ersten Regionen hat sich Südtirol vor zwei Jahren erstmalig einem kontinuierlichen Monitoring der 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs) unterstellt, dem sich bisher nur Staaten unterziehen müssen. "Es zeigt, dass Südtirol einiges in die Wege geleitet hat, dennoch bleibt auf dem Weg der Nachhaltigkeit noch viel zu tun", sagte der Landeshauptmann. Hier werden die Nachhaltigkeitstage ansetzen: "Jeder Anfang ist schwer, aber jedem Anfang wohnt frei nach Hermann Hesse ein Zauber inne. Die nachhaltige Entwicklung ist der Treiber, der es uns ermöglichen wird, mit neuem Mut und neuer Freude in die Zukunft zu blicken", sagte der Landeshauptmann und wünschte den Anwesenden viele inspirierende Momente.
Marco Frey: "Müssen unser Wirtschaftsmodell ändern"
Im Anschluss gab Marco Frey, Professor an der "Sant'Anna School of Advanced Studies" in Pisa und Vorsitzender des Advisory Board der Nachhaltigkeitstage, unter dem Titel "Die Weichen stellen" einen Überblick über aktuelle EU-Initiativen und Programme zur Nachhaltigkeit. Eine nachhaltige Entwicklung erfülle die Bedürfnisse der Gegenwart, ohne sich negativ auf die Möglichkeiten der künftigen Generationen auszuwirken. Frey erklärte, dass wir zu viele Ressourcen verbrauchen, um unseren wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsstand zu halten: "Die einzige Möglichkeit, Nachhaltigkeit zu gewährleisten, besteht darin, unser Wirtschaftsmodell zu ändern", sagte der Professor und nannte die grüne Wirtschaft und die Kreislaufwirtschaft als Beispiele. "Der Europäische Green Deal ist bereits eng mit diesen Modellen verknüpft", schloss Frey und hob die vier Schwerpunktthemen der Nachhaltigkeitstage hervor: erneuerbare Energien und Energieeffizienz, Landwirtschaft und Ernährung, nachhaltige Mobilität und widerstandsfähige regionale Lebensräume.
Italiens Minister: "Der Wandel ist möglich"
In der anschließenden Podiumsdiskussion mit dem italienischen Minister für Infrastrukturen und nachhaltige Mobilität und dem EU-Kommissar für Haushalt und Verwaltung ging es um nachhaltige Entwicklung in Italien und Europa.
Nicht nur den Namen seines Ministeriums habe er geändert, sondern auch die Politik und die Gesetzesgrundlagen, erklärte der Minister für Infrastruktur und nachhaltige Mobilität, der stolz darauf verwies, dass der von seinem Ministerium umgesetzte Plan als europäische Best Practice bezeichnet werde: Neue Projekte müssen nämlich unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit bewertet werden. "Wir haben einen noch nie dagewesenen Investitionsplan in Höhe von 298,5 Milliarden Euro erstellt, der in die richtige Richtung geht", sagte der Minister. 70 Prozent der 61,5 Milliarden Euro, die aus dem Wiederaufbaufonds PNRR für unser Ministerium kommen, sind für die Bekämpfung des Klimawandels vorgesehen, ein großer Teil davon für Eisenbahnprojekte. "Der Wandel ist möglich, es liegt an uns", schloss der Minister.
EU-Minister: "Es führt kein Weg an grüner Wende vorbei"
Auch der EU-Kommissar für Haushalt und Verwaltung betonte: "Ein grüner Übergang ist stärker notwendig denn je." Im Energiebereich gehe es insbesondere darum, sich angesichts der Krisen von außereuropäischen Versorgungen unabhängig zu machen und Lieferanten stärker zu diversifizieren, so der Kommissar. "Ich bin überzeugt, dass die jüngsten globalen Ereignisse uns helfen, diese grüne Wende schneller zu bewerkstelligen, als erwartet. Es führt kein Weg daran vorbei. Und am Geld wird es nicht scheitern", sagte der EU-Kommissar.
Die Eröffnungsveranstaltung endete mit einem eindrücklichen Poetry Slam zur Nachhaltigkeit von Lene Morgenstern, die unter anderem sagte: "Wir haben gelernt zu verschwenden, wir müssen das Blatt jetzt wenden."
mpi
Die Rede des Wirtschaftsnobelpreisträgers 2003 Robert Fry Engle und die UN-Friedensbotschafterin Jane Goodall haben den ersten Tag der Sustainability Days geprägt.
Der erste Tag der Sustainability Days Südtirol 2022 war von der Eröffnungsveranstaltung und von der Vorstellung des Klimaplans durch die Landesregierung geprägt. Besonders die Reden der internationalen Referentinnen und Referenten, insbesondere jene von Robert Fry Engle und Jane Goodallwaren mit Spannung erwartet worden.
Robert Fry Engle
Der Klimawandel ist eines der drängendsten Probleme unserer Zeit: Das sagt Robert Fry Engle, emeritierter Professor für Finanzwirtschaft und Nobelpreisträger für Wirtschaft des Jahres 2003. Er sprach im Rahmen seines Vortrags über die Auswirkungen des Klimawandels auf ländliche Regionen und ging auch auf die Folgen für Südtirol ein. Besonders die beiden zentralen Wirtschaftszweige Landwirtschaft und Tourismus werden mit großer Sicherheit unter den extreme Wetterereignisse leiden und so vor große Herausforderungen gestellt. Aus Sicht von Engle ist es daher unablässig, die CO2-Emissionen umfassend zu reduzieren. Das werde sich besonders auf jene Investoren und Unternehmen auswirken, die von aus dem Klimawandel resultierenden Risiken besonders betroffen sind. Diese werden Einbußen in Kauf nehmen müssen. Insgesamt aber könnten die konkreten und spürbaren Folgen (wie Dürren, extreme Temperaturen, Schneemangel) in Südtirol noch gebremst werden, sagte Engle.
Gerade ländliche Gebiete hätten zudem die besten Voraussetzungen, alternative Energiequellen zu etablieren. Laut seien immer mehr Konsumenten dazu bereit dazu, Änderungen für mehr Nachhaltigkeit mitzutragen. Auch innerhalb bei den Unternehmen zeichne sich ein Wandel ab. Nicht nur immer mehr Arbeitnehmer bevorzugen Firmen, die nachhaltig agieren, auch immer mehr Investoren unterstützen lieber Unternehmen mit einer Nachhaltigkeitsstrategie.
Engle zufolge müssen sich Regionen nun mehr denn je zusammenschließen, um gemeinsam nachhaltige Projekte zu realisieren.
Paolo Braguzzi
Paolo Braguzzi sprach in seinem Vortrag darüber, dass die Menschheit bereits die Kontrolle über die Klimakrise verloren habe. Der Aktivist für business for good betonte, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird, gleichzeitig konsumieren wir mehr, als die Erde hervorbringen kann. Damit beuten wir sie aus, sagte Braguzzi. Noch immer gelte das Bruttoinlandsprodukt eines Staates als Ausdruck seines Reichtums. Dabei würden viele Faktoren wie Gesundheit, gute Bildung, Mut und Wissen meist außer Acht gelassen, obwohl sie ebenso essenziell für das Wohlbefinden der Bevölkerung seien.
Braguzzi stellte das Konzept des Stakeholder-Kapitalismus vor. Unternehmen, die diesem Konzept folgen, betrachten Nachhaltigkeit nicht bloß als Strategie, sondern als konkretes Unternehmensziel. Diese Unternehmen wollen zwar Profit erarbeiten, der Umwelt gleichzeitig aber keinen Schaden zufügen. Immer mehr Bürger wie Investoren würden dieses Geschäftsmodell gerne unterstützen, zudem sei es ethisch Hinsicht vertretbar und trage zur Entwicklung einer nachhaltigen Wirtschaft bei.
Das Ausmaß des Klimawandels
Das Ausmaß des Klimawandels verdeutlichten vier Forschende im Rahmen einer Mischung aus Live- und Videokonferenz. Hans Pörtner ist Physiologe und Meeresbiologe und forscht am Helmholtz Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. Sonia Seneviratne ist ordentliche Professorin am Institut für Atmosphären- und Klimawissenschaften der Universität Zürich. Keywan Riahi leitet als Direktor das Forschungsprogramm für Energie, Klima und Umwelt am Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse in Wien. Georg Kaser schließlich ist pensionierter Professor für Klima- und Kryosphärenforschung an der Universität Innsbruck und Mitglied des Advisory Board der Sustainability Days.
Sie wiesen auf die Ursachen, zunehmenden Auswirkungen, Grenzen der Anpassung und Wege zur Eindämmung des Klimawandels hin. Die Kernaussage des letzten IPCC-Berichts (Intergovernmental Panel on Climate Change) ist eindeutig: Der Klimawandel ist zu einer globalen Krise geworden und betrifft alle Regionen und Kontinente sowie alle Bereiche menschlicher Aktivitäten, Ökosysteme und die Menschheit als Ganzes.
Physisch gesehen bleibe uns nur ein kleines Zeitfenster, um die globale Erwärmung bei 1,5°C zu stabilisieren. Um dies zu erreichen, wäre ein sofortiger und radikaler Wandel unserer Gesellschaft erforderlich.
Darüber hinaus müsse man auch mit einer Welt rechnen, die sich um mehr als 1,5°C erwärmt, sondern sich darauf vorbereiten. Dies sei unvermeidbar mit höheren Kosten und Verlusten verbunden, da die Optionen zur Anpassung aufgrund der Grenzen der Natur und Menschen eingeschränkt sei. Je wärmer das Klima wird, desto weniger Möglichkeiten haben wir Menschen, die Klimarisiken zu verringern.
Goodall: "Ich bin hier, weil das Schicksal unsers Planeten wichtig ist"
Gegen Abend füllte sich der große Saal in der Messe Bozen immer mehr mit Menschen, um den Vortrag der bekannten Forscherin und UN-Friedensbotschafterin Jane Goodall zu hören. Goodall ist weltweit für ihre Pionierarbeit bei der Erforschung der wilden Schimpansen bekannt. Mittlerweile bereist Goodall die Welt, um vor den Folgen der Umweltzerstörung zu warnen und die Botschaft zu vermitteln, dass sich jeder für die Erde einsetzen soll: Immerhin bewohnen sie alle Lebewesen gemeinsam.
"Ich möchte bei euch sein, weil diese Begegnung wichtig ist, um über die Zukunft unseres Planeten zu diskutieren", sagte die Forscherin, die via Livestream zugeschaltet war. Sich um Schimpansen zu kümmern, wie sie es lange getan habe, bedeute für sie, sich um das Schicksal der Erde zu kümmern, sagte Goodall. "Wald zu schützen bedeutet nicht nur, Pflanzen zu schützen, sondern auch die Zukunft zu schützen. Wenn wir das gemeinsam machen, haben wir noch ein wenig Zeit, um den Klimawandel zu verlangsamen", meinte die Forscherin und fügte hinzu: "Meine größte Hoffnung sind die Jugendlichen, weil sie die Welt verändern, während wir reden."
mdg/at/red
Bereits vergangene Woche hat die europäischen Arzneimittelbehörde EMA die an die Omikromvariante des Coronavirus angepassten Impfstoffe der Hersteller Biontech/Pfizer und Moderna zugelassen. Mit gestern, 5. September, erfolgte auch die Zulassung durch die italienische Arzneimittelagentur AIFA. Nun kann die Auffrischungsdosis mit den neuen, bivalenten Impfstoffen Comirnaty und Spikevax auch in Italien erfolgen.
Die technische wissenschaftliche Kommission (Commissione Tecnico Scientifica - CTS) der AIFA hat auf ihrer gestrigen Sitzung grünes Licht für die Verwendung der bivalenten Impfstoffe Comirnaty und Spikevax der Hersteller Biontech/Pfizer und Moderna gegeben. Mit bivalent ist gemeint, dass die Impfstoffe sowohl gegen den ursprünglichen als auch gegen die verschiedenen Omikron-Subtypen wirken.
Zugelassen sind die Impfstoffe explizit als Auffrischungsdosen für alle Personen über zwölf Jahren. Für die Grundimmunisierung – sprich Erst- und Zweitimpfung – werden weiterhin die bisherigen Impfstoffe verwendet.
Die neuen Impfstoffe, so die Begründung der technisch-wissenschaftlichen Kommission der AIFA, hätten gezeigt, dass sie eine stärkere Antikörperreaktion auslösen als die ursprünglichen monovalenten Impfstoffe. Die im Zulassungsverfahren erhobenen Daten zeigen außerdem, dass die neuen Impfstoffe genauso sicher sind wie ursprünglichen.
Die Auffrischungsdosis mit den bivalenten Impfstoffen kann frühesten drei Monate nach Abschluss des ersten Impfzyklus oder einer bereits erhaltenen Auffrischungsdosis verabreicht werden.
Mit Blick auf die kommende kalte Jahreszeit wird die zweite Booster-Impfung allen Personen mit Risikofaktoren sowie allen Personen über 60 Jahre dringend empfohlen. Die Lieferung der neuen Impfstoffe wurde von Rom für Mitte September zugesagt. Bereits fest steht, dass die zweite Booster-Impfung nur nach einer entsprechenden Terminvereinbarung verabreicht wird. Einzelheiten zur Impfkampagne werden in den kommenden Tagen und Wochen noch bekanntgegeben.
(PAS)
Fünf Prozent der erwachsenen Bevölkerung krankt in der westlichen Welt in jedem Augenblick an Depressionen, das sind in Südtirol gut 20.000 Menschen, doppelt so viel Frauen wie Männer. In den Großstädten sind Depressionen noch häufiger: 10 Prozent ihrer Bewohner leiden daran. Allein schon dieser Umstand beweist, dass Depressionen auch mit der Leistungsgesellschaft zusammenhängen, mit dem hektischen Lebensrhythmus und den vielen sozialen Verpflichtungen, denen wir ausgesetzt sind. Darüber hinaus spielen erbliche Einflüsse und frühkindliche Erfahrungen bei ihrer Entstehung eine große Rolle.
Die Depression ist laut WHO die Volkskrankheit, die der Menschheit am meisten gesunde Lebensjahre raubt. Sie verschlingt in hoch entwickelten Ländern 1% des Bruttosozialproduktes. Laut Schätzungen der Weltbank und der WHO ist sie 2022 nach dem Überstehen der Coronakrise für Frauen die weltweit bedeutendste aller Erkrankungen, für Männer die zweitbedrohlichste nach Herzinfarkt und Hirnschlag. Sie kann jeden treffen, auch Prominenz schützt nicht vor Depression.
Wolfgang Amadeus Mozart, Abraham Lincoln, Winston Churchill und Prinzessin Diana litten daran. Ernest Hemingway, Adalbert Stifter, Marilyn Monroe, Heinrich von Kleist und Robin Williams verstarben daran. Tom Waits, Jean Claude van Damme und Sting können ein Lied davon singen. Und Cara Delevigne erklärte vor Jahren: “Ich war suizidal. Ich wollte, dass alle Moleküle meines Körpers sich auflösten.“
Ein Drittel aller depressiv Erkrankten sucht keine Hilfe. Nur die Hälfte aller depressiven Patienten wird von Ärzten als solche erkannt und richtig behandelt. 40 bis 70 Prozent aller Selbsttötungen sind laut internationalen Schätzungen auf die Erkrankung Depression zurückzuführen. In Südtirol sind laut einer Zehnjahresstudie 55 Prozent aller Suizidopfer depressiv gewesen. Wären alle Betroffenen korrekt diagnostiziert und rasch behandelt worden, hätte man die Suizidrate Südtirols wohl halbieren können.
Bei diesen Sachverhalten ist Handlungsbedarf gegeben: Aufklärung der Bevölkerung, Schulung der Fachleute, Stärkung der Selbsthilfe. Denn Depression ist eine häufige, ernst zu nehmende Erkrankung, die heute sehr gut behandelt werden kann.
Die drei wichtigsten Kennzeichen der Depression sind dauerhaft gedrückte Stimmung, der Verlust von Freuden und Interessen und ein kompletter Mangel an seelischer Energie. Betroffene haben manchmal nicht mehr die Kraft, Entscheidungen zu treffen, sich Hilfe zu holen oder zu klagen. Viele beschreiben sich als so leer, dass sie nicht einmal mehr weinen können. Andere sind innerlich unruhig, verspannt und voller körperlicher Symptome. Kopf- oder Rückenschmerzen, Druck auf der Brust, unerträgliches Kribbeln im Bauch, Schwindel und Schwäche bei allen Bewegungen sind die häufigsten körperlichen Merkmale einer Depression. Aber auch Mundtrockenheit, Sehstörungen und Haarausfall können auftreten.
Die Säulen der Behandlung stellen Psychotherapie, antidepressive Medikamente und Teilnahme an Selbsthilfegruppen dar. Psychotherapie ist Behandlung und Heilung durch das Wort, durch Gespräche, durch Übungen und das Erlangen neuer Einstellungen zu alten Problemen. Bis Psychotherapien wirken, können allerdings Monate vergehen. Medikamentöse Behandlungen mit Antidepressiva sind hilfreich, um innerhalb weniger Wochen die Energie und die Stimmung wieder zu normalisieren. Häufig wird beides kombiniert, um rasche Besserung und nachhaltige Veränderung zu erreichen. Aber auch Schlafentzug, Lichttherapie oder die Elektrokrampftherapie können in bestimmten Fällen zu besten Heilerfolgen führen.
Seit 17 Jahren wird in Europa der „Tag der Depression“ begangen. Er fällt auf den 1. Oktober und gewährleistet breit gefächerte Aufklärung über das Krankheitsbild und mögliche Hilfen. Zu diesem Zweck hat die „Europäische Allianz gegen Depression“ beschlossen, an den vier großen Krankenhäusern Südtirols einen Informationsstand Depression einzurichten. Den ganzen Tag über werden im Eingangsbereich die Broschüren „Depression - was tun?“ zum Mitnehmen aufliegen. Sie bieten einen verständlichen Überblick über die wichtigste psychische Krankheit des 21. Jahrhunderts.
Zusätzlich liegen so genannte „Notfallkärtchen“ auf, die telefonische Anlaufstellen für Menschen in Krise enthalten: Auf einer Seite die wichtigen Nummern für Erwachsene, auf der anderen Seite jene für Jugendliche. Das Projekt wird vom Südtiroler Gesundheitsbetrieb, vom Verband der Angehörigen „Ariadne“, von der Selbsthilfevereinigung psychisch Kranker „Lichtung/Girasole“ und von allen Rotariern Südtirols gemeinsam getragen. Rotary hat auch die Kosten für Broschüren und Kärtchen übernommen.
Seit mehr als 10 Jahren begeht die „European Depression Association“ zusätzlich den Nationalen Tag der Depression, der heuer auf Samstag, den 15. Oktober fällt. Auch bei dieser Gelegenheit werden dieselben Veranstalter dieselben Informationsstände im Inneren der vier großen Krankenhäuser betreiben, um die Bevölkerung möglichst umfassend zu informieren.
Als beste Anlaufstellen für depressiv Erkrankte gelten Hausärzte, Zentren Psychischer Gesundheit und Psychologische Dienste, aber auch privat praktizierende Psychiater, Psychotherapeuten und Lebensberater. In Notfällen, die mit schwerer Erkrankung oder Suizidgefahr verknüpft sind, soll man sich an die Notfallnummer 112 oder an die Ersten Hilfen der Krankenhäuser von Bozen, Meran, Brixen und Bruneck wenden. Dort besteht rund um die Uhr ein psychiatrischer Bereitschaftsdienst.
Ein Netzwerk der Beratung im Vorfeld besteht auch. Die „Telefonseelsorge“ der Caritas 0471 052052, „telefono amico“ 02 23272327 und „Young and direct“ 0471 1551551 stellen wertvolle Anlaufstellen und Gesprächspartner in seelischen Krisen dar. Selbsthilfegruppen für Betroffene werden von der Vereinigung „Lichtung/Girasole“, Tel. 0474 530266, im ganzen Land angeboten. Angehörigengruppen können beim Verein „Ariadne“, Tel 0471 260303, kontaktiert werden.
Roger Pycha im Namen der „European Alliance Against Depression“ des Südtiroler Gesundheitsbetriebes und aller Rotarier Südtirols
Partschins - In Partschins hat am 30. August eine Gemeinderatssitzung, von der Opposition gefordert, stattgefunden, die es in dieser Form wohl noch nie gegeben hat, auch südtirolweit nicht: 6 von der Neuen Bürgerliste gemeinsam mit den Freiheitlichen eingebrachte Anfragen und 2 Beschlussansträge von der Neuen Bürgerliste. Fazit: Am 17. September wird gemeinsam für die große Umfahrung von Rabland und Töll demonstriert. Protokoll eines Tagesordnungspunktes in einer außergewöhnlichen Sitzung.
von Erwin Bernhart
Er sei, so schickte es der Partschinser BM Luis Forcher um 19.00 Uhr nach dem Kirchenläuten im Ratssaal von Partschins voraus, mit dieser Sitzung nicht glücklich. Aber er werde das durchziehen. Er werde schon ein, so sagt er es wörtlich, Eiersack sein, schließlich koste die Sitzung einen Haufen Geld. Die Einberufung des Gemeinderates sei nach Artikel 43 Absatz 8 erfolgt.
Der besagte Absatz im Kodex der öffentlichen Körperschaften der autonomen Region Trentino-Südtirol lautet: „Sofern kein Ratsvorsitzender vorgesehen ist, beruft der Bürgermeister den Gemeinderat binnen 15 Tagen ein, wenn ein Fünftel der Ratsmitglieder dies verlangt. Die beantragten Punkte müssen in die Tagesordnung aufgenommen werden.“ Den Passus hat BM Forcher nicht wörtlich zitiert. Fest steht aber, dass die Gemeinderäte der Neuen Bürgerliste Partschins Rabland Töll und die Gemeinderäte der Freiheitlichen die Gemeinderatssitzung beantragt hatten. Mit Jutta Pedri, Monika Pföstl, Benjamin Schupfer, Johannes Tappeiner und Max Sparber von der neuen Bürgerliste und mit Sabine Zoderer und Christian Leiter von den Freiheitlichen sind das 7 Räte von 18.
Auf der Tagesordnung stehen 6 Anfragen, die von der Neuen Bürgerliste und von den Freiheitlichen gemeinsam eingereicht worden sind.
Und los geht’s. Auf die flapsige Bemerkung des BM, dass die Sitzung einen Haufen Geld koste, gibt Sabine Zoderer zu Protokoll, dass sie auf das Sitzungsgeld verzichten werde, „wenn es denn nur ums Geld gehen sollte.“ Die Gemeinderät:innen der Bürgerliste schließen sich dem an.
„Umfahrung SS38 - Grundsatzentscheidung (kleine oder große Umfahrung) - Anfrage...“ Jutta Pedri nimmt als eine der Anfragenden Stellung: Der Verkehr brenne unter den Nägeln. Es gehe um das Gefühl, dass man zu wenig Druck mache. „Die in Bozen schieben das auf die lange Bank, auch mit der Aussage ‚ihr seids euch nicht einig‘.“ Es müsse nun endlich rüberkommen, dass ein geteiltes Rabland nicht gehe. Unter dem vormaligen BM Albert habe es eine Demonstration in Rabland gegeben. „Wir wollen das wiederholen. Wir sollten uns als geeinte Gruppe zeigen.“
„Alfreider hat nichts getan“, sagt dann Sabine Zoderer. Denn ein Ideenwettbewerb sei noch gar nicht ausgeschrieben. Dies habe die Antwort auf eine Anfrage (sh. Seite 5) der Freiheitlichen im Landtag ergeben. Eine Demonstration sei ein Zeichen, „dass wir uns das nicht länger gefallen lassen“.
„Aber nicht während des Apfelklaubens“, sagt BM Luis Forcher allen Ernstes. „Ansonsten bin ich bereit mitzutun.“ Die große Umfahrung sei ein Projekt der Bezirksgemeinschaft Burggrafenamt, der Gemeinden Algund, Marling und Partschins, sagt Forcher.
Die werde man zur Demonsatration selbstverständlich einladen, sagt Jutta Pedri.
Es gehe um ein einheitliches Auftreten, sagt Benjamin Schupfer von der Neuen Bürgerliste. Das Nadelöhr an der Töll sei nicht tragbar. „Wir wollen nicht anecken, aber wir wollen aufzeigen“, sagt Schupfer und weist auch auf den Stillstand beim Zug hin.
VizeBM Walter Laimer regt einen Termin Mitte Oktober an. Also nach der Klauberei.
Ob Klauben wichtiger sei, fragt Johannes Tappeiner von der Neuen Bürgerliste. Man habe den 17. September vereinbart - damit die Aufmerksamkeit auf das Problem gelenkt werde. Zwei Stunden würden reichen. Die Meldungen beim Regierungskommissariat werde man vornehmen und die Gemeinderäte der umliegenden Gemeinden einladen. Aber dazu müsse man eben auch wissen, wer von den Partschinser Gemeinderäten dabei sein wird.
Die Gemeindereferentin Jasmin Ramoser sagt, dass „wir als SVP“ die Themen beim Landesrat angesprochen hätten, man sei im Gespräch. Aber Ramoser sagt auch: „Klar ist, dass die Situation nicht tragbar ist.“ Man könne allerdings nur von einer großen Umfahrung reden.
Eine Demo bringe Aufmerksamkeit, sagt Regina Österreicher. Beim letzten Mal seien Eltern mit Kindern mehrmals über die drei Zebrastreifen in Rabland gegangen, die Autofahrer waren unfreundlich und es sei nicht ungefährlich gewesen. „Ich hatte danach gehofft, dass es mit der Umfahrung schneller gehen würde, aber ich bin enttäuscht worden.“ Sie hoffe, dass es diesmal mehr bringe.
„Wenn die Sache gut aufgebaut ist, bin ich dabei“, klinkte sich der Referent Ulli Schweitzer ein. Er erklärt sich bereit, den Präsidenten der Bezirksgemeinschaft Burggrafenamt Luis Kröll zur Demo-Teilnahme zu bewegen. „Klar muss sein, dass nur für die große Umfahrung zu reden sein wird.“ Man solle da nichts mischen. Sonst verfehle man den Zweck.
Ob es denn nicht über alle Verkehrskonzepte gehen solle, wirft Benjamin Schupfer ein. Es lägen Projekte auf, hinter denen wir stehen, entgegnet Schweitzer. Die Zuständigkeiten beim Zug etwa seien andere. „Es geht da nix weiter und es geht auf der anderen Seite nix weiter“, sagt Jutta Pedri, so gehe es nicht weiter und sie lenkt die Aufmerksamkeit auf das Datum des 17. September. Das sei ein Samstag und da stehe eh alles. Die Leute seien stuff und eine Woche vor den Parlamentswahlen würde sich das Datum gut eignen. Er würde schon alle Verkehrsproblematiken miteinschließen wollen, sagt Max Sparber. „Ich gebe zu“, sagt BM Forcher, „dass der Verkehr nicht mehr zumutbar ist.“ Der Kreisverkehr auf der Töll und die Radlösung aber seien der Gemeinde wichtig.
Sabine Zoderer sagt: „Eine Umfahrung erst 2040, das darf nicht passieren. Da krieg ich alle Zustände. Ich will die Umfahrung noch erleben. Alle sollen die E... raustun.“
Monika Pföstl sagt, dass alle Maßnahmen, die Rabland entlasten, rasch verwirklicht werden sollen, bei der Bushaltestelle angefangen. Dem stimmte Max Sparber zu, denn wenn ein Baubeginn für die große Umfahrung erst in 10 Jahren erfolgen könnte, seien „alle Kleinigkeiten“ wie Gehsteig und Bushaltestelle in Rabland wichtig. Das sei greifbarer. Man könne ja ein Plakat in diese Richtung nach der Demo hängen lassen.
Man habe dem Landesrat signalisiert, dass der Kreisverkehr und anderes wichtig seien, aber eine große Umfahrung nicht ausschließen, sagt BM Forcher: „Wir ersticken im Verkehr und das ist für Rabland nicht mehr zumutbar.“
Sabine Zoderer sagt, dass „wir Rablander im Verkehr ersticken“ und nicht jene, die auf der Forst wohnen. Der Succus müsse die große Umfahrung sein. Ansonsten müssen wir alle ins Büro von Alfreider gehen. „Da können wir auch alle miteinander hinunterpilgern, das ist mir gleich“, sagt Luis Forcher.
Ulli Schweitzer fordert ein „Drehbuch“ für die Demonstration - „Was tun wir? Was soll da passieren?“ Jutta Pedri versichert, dass „wir nicht die Clowns spielen werden, sondern dass es eine Art Revival der vergangenen Demo geben werde. Mit Referent Hartmann Nischler sei das abgesprochen, er stehe dahinter. Nischler konnte bei der Ratssitzung nicht dabei sein.
Pedri fragt direkt: „Wer ist am 17. mit dabei?“ Ulli, Tobias, Adi... „Wenn es mir ausgeht, bin ich dabei“, sagt VizeBM Laimer. Beim Klauben wisse er von vornherein nicht, wo er an diesem Tag umgehen werde. Walter Moser sagt: „Wenn da effektiv nichts getan worden ist, bin ich dabei. Sonst finde ich es nicht richtig.“ Er sei dafür, aber es sei ihm noch zu früh, sagt Christian Oberperfler.
„Was mir wichtig ist und was ich deponieren will, es muss ein Gemeinschaftsding sein“, sagt BM Forcher und meint damit die Demonstration. Christian Leiter muss den Termin absagen, weil er urlaubsbedingt abwesend sein werde.
Was ist denn nun die Zielsetzung, fragt Monika Pföstl nach. Das Hauptthema sei, so fasst es Pedri zusammen, die große Umfahrung. Man müsse nun Einigkeit zeigen. „Wir müssen alle 18 zu dem stehen und wer Zeit hat, geht zur Demo und setzt sich dafür ein, Punkt aus“, ruft Pedri auf.
Es geht darum aufzuzeigen, dass schneller etwas zu tun sei, sagt Benjamin Schupfer. Man müsse anstoßen. Politik funktioniere nur, wenn ein Thema öffentlichkeitswirksam kommuniziert werde.
Jasmin Ramoser ruft dazu auf, dass die Bezirksgemeinschaft Burggrafenamt mit hineinzunehmen sei, die anderen Gemeinden auch, auch Naturns, damit wir als große Gruppe, nicht nur die Gemeinde Partschins, damit die Wirkung... „Entschuldigung“, bringt sich BM Forcher ein, „man kann ohne weiters die Bezirksgemeinschaft Vinschgau mithineinholen, denn die leiden am meisten unter dem Verkehr.“ „Je mehr, desto besser“, sagt Pedri.
Man solle doch das Drehbuch zugeschickt bekommen, sagt Tobias Nischler, denn es seien sich da offensichtlich auch die Einbringer nicht ganz einig, um was es gehen solle.
Das machen wir, sagen Pedri und Tappeiner.
Nun steht fest: Am 17. September wird in Rabland demonstriert - für die große Umfahrung von Rabland Töll und vor allem für eine Beschleunigung der Verfahren, die zu einer Verwirklichung und zu einem Baubeginn führen sollen. Die Fortführung der Politik ist im Partschinser Gemeinderat eine Demonstration.
Vom Wind gefunden - Im Jahre 1949 schrieb die Psychologin Else Frenkel-Brunswik in einem Fachaufsatz über ein Persönlichkeitsmerkmal, das sie Ambiguitätstoleranz nannte. Die Welt und wir Menschen sind nicht einfach gut oder böse, schwarz oder weiß. Alles ist vielschichtig, komplex und oft auch widersprüchlich. Die Fähigkeit, in einer globalisierten und multikulturellen Welt zu lernen mit Mehrdeutigkeiten zu leben, Ungewissheiten und Widersprüchlichkeiten zu ertragen, Spannungen und Veränderungen auszuhalten, damit ist die Ambiguitätstoleranz gemeint. Es ist ein Persönlichkeitsmerkmal, das man lernen kann, das aber besonders heute hoch aktuell ist. Menschen suchen nach Sicherheiten und Klarheiten. Aber in einer Welt, die sich schnell verändert, wo verschiedene Kulturen, Sprachgruppen und Religionsgemeinschaften zusammenleben, Menschen ihre Heimat verlieren und entwurzelt werden, ist das Aushalten von Ungewissheiten und Unsicherheiten nicht einfach. Deshalb haben religiöse und politische Fundamentalisten und Populisten großen Zulauf. Sie geben eindeutige und einfache Antworten auf komplexe Fragen. Dieses „Schwarz-Weiß-Denken“ ist nach Frenkel-Brunswik ein Extrem der Ambiguitätsintoleranz. Auch in privaten Beziehungen hängt vieles davon ab, wie viel Gespür für Mehrdeutigkeiten die Partner aufbringen. Man muss negative Gefühle und Unsicherheiten aushalten, die Sichtweise des anderen verstehen und Kompromisse schließen. Doch schrankenlose Ambiguität geht nicht, genauso wie grenzenlose Toleranz nicht möglich ist. (hzg)
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