Wolfgang Platter, am Tag der Hlg. Albuin und Ingenuin, Patrone der Diözese Brixen (und Bozen), 5. Februar 2022
Das Benediktiner-Kloster Marienberg war und ist seit seiner Gründung ein Ort des Gebetes und der Arbeit. Aber ebenso war es über Jahrhunderte ein Ort des Lesens und Schreibens, der Pflege des Gottesdienstes und der Kirchenmusik. Die alte und die neue Bibliothek bergen Schätze des geschriebenen und gedruckten Wortes. Mit dem Buch über die Natur von Plinius dem Älteren darf ich auf den heutigen Seiten ein besonderes Kleinod aus der Marienberger Bibliothek vorstellen.
Plinius war ein römischer Gelehrter, Offizier und Verwaltungsbeamter. Er wurde im Jahr 23 oder 24 n. Chr. in Novum Comum, dem heutigen Como geboren und starb am 25. August 79 bei Stabiae im Golf von Neapel während des großen Vulkanausbruches am Vesuv, bei dem auch Pompei verschüttet wurde.
Abt Markus und die Klostergemeinschaft haben es meinem Schwager Massimiliano Marini und mir erlaubt und ermöglicht, im heurigen Januar aus dem Marienberger Exemplar des Buches von Plinius zu fotografieren, das weltweit als die erste naturwissenschaftliche Enzyklopädie gilt. Und den Leserinnen und Lesern dieser Seiten kann ich nicht ohne Freude einen Blick in das bibliographische Kleinod Marienbergs ermöglichen.
In seinem insgesamt 37 Bücher umfassenden Werk hat Plinius die Kenntnisse und den Wissenstand zu vielen Fachgebieten zum Jahr 50 n. Chr. in lateinischer Sprache niedergeschrieben. Plinius hat seine Aufschreibungen dem nachmaligen Kaiser Titus gewidmet. Die Naturalis historia behandelt unterschiedlichste Themen, die man der Botanik, Zoologie, Medizin, Geographie, Klimatologie, Anthropologie, Astronomie, Mineralogie, Geologie, aber auch der Metallurgie, dem Kunsthandwerk und der Kunst und weiteren Fachgebieten zuordnen kann. Plinius selbst hat die von ihm beschriebenen Wissenschaften nicht benannt, sondern sein Werk in dessen struktureller Gliederung in die bereits genannten 37 Bücher mit insgesamt 2.493 Kapiteln unterteilt. Zu den ungefähr 40.000 darin behandelten Argumenten und Schlagworten hat Plinius etwa 500 Autoren der Antike eingearbeitet wie z.B. die Griechen Aristoteles, Theophrast und Hippokrates oder die Römer Cato, Varro und Agrippa.
Die Plinius-Ausgabe von Marienberg trägt als Eintragung das Jahr 1472. Das Buch ist im Kloster also schon 30 Jahre nach der Erfindung des Buchdruckes mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg 1440 in Mainz angekauft und eingestellt worden. Ein Beweis, wie zeitgemäß und aktuell Bildung in Marienberg erworben, gelehrt und vermittelt wurde. Die Initialen jeden Buches sind in Blattvergoldung ausgeführt und nachfolgend abgebildet. Besonders interessant sind auch die Randnotizen im Buch, welche vertieft Studierende in Tinte und Latein angebracht haben.
Die Naturalis historia von Plinius ist heute im Internet in verschiedenen Sprachen von Latein über Englisch bis Deutsch als Digitalisat Seite für Seite verfüg- und konsultierbar.
Weil heute wieder die Angst vor dem Wolf umgeht, habe ich nachgelesen, was Plinius im Achten Buch, Kapitel 22 zu eben diesem Tier in der Übersetzung von Johann Daniel Denso (1764, Anton Ferdinand Rösens Buchhandlung Rostock und Greifswald) schreibt: „Man glaubt aber auch in Italien, daß der Anblick der Wölfe schädlich sey, und daß sie dem Menschen, welchen sie zuerst ansehen, die Sprache auf gegenwärtig benehmen.“ Wer jetzt Lust verspürt, seine Kenntnisse des Oberschullateins aus der kürzeren oder längeren Distanz zu den eigenen Schuljahren zu überprüfen, bitteschön, Plinius im O-Ton: „Sed in Italia quoque creditur luporum visus esse noxius vocemque homini, quem priores contemplentur, adimere ad praesens.“