Franz-Tumler-Literaturpreis - Die Nominierungen: Teil 2
Mischa Mangel:
Ein Spalt Luft.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2021.
Mischa Mangel zeichnet in seinem 2021 erschienen Debütroman Ein Spalt Luft die Geschichte eines Mannes nach, welcher sich auf die Suche nach Erinnerungen an seine frühe Kindheit und die damalige Beziehung zu seiner Mutter begibt. Dabei lässt der Autor ein Mosaik aus unterschiedlichen narrativen Elementen entstehen und wechselt reale mit surrealen Erzählpassagen ab. Letztere reichen von märchenhaften Textstücken über poetische Einflechtungen bis hin zur Darlegung wissenschaftlicher Kenntnisse rund um die Entwicklung von Neuroleptika im 20. Jahrhundert sowie die 2015 veröffentlichte Studie Regretting Motherhood: A Sociopolitical Analysis der Soziologin Orna Donath.
Während aus den Gerichts- und Jugendamtgutachten eine nüchterne Stimme spricht, erzählt der Vater in dialektal gefärbten Auszügen seinem Sohn von dessen ersten Lebensjahren, welche dieser bei seiner an einer Psychose leidenden Mutter verbracht hat. Obwohl die Mutter in manchen Textstellen kurz zu Wort kommt, bleibt diese Figur für den Suchenden und die Lesenden letztendlich gleichermaßen ungreifbar. Es zeigt sich, dass dieses Debüt nicht nur von der Spurensuche eines Mannes nach seiner frühen Kindheit handelt, sondern vielmehr um einen Streifzug durch die eigene Familiengeschichte, wobei anstatt eines linearen Erzählstils, die einzelnen Sequenzen sich bruchstückhaft zusammenfügen. Wie die Schwärzungen in den verschiedenen Gutachten die Eigennamen verbergen, so gibt auch die Geschichte nicht alle Antworten auf die Fragen nach der Vergangenheit preis.
Kathrin Renner
Mischa Mangel, geboren 1986, lebt in Berlin und hat Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim studiert, außerdem dort und in Marseille Kulturvermittlung/Médiation Culturelle de l’Art. Er war Finalist des Literaturpreises Prenzlauer Berg 2015.