Wer Christian Stecher kennt, weiss, dass er nicht viel erzählt, weder über sich noch über seine Kunst. Wer aber seine Bilder sieht, spürt, dass er viel zu sagen hat, sowohl über sich als auch über seine Kunst.
Geboren wurde Christian Stecher 1958 in Mals, aufgewachsen ist er in St. Valentin auf der Heide. Als 22jähriger ging er nach Florenz an die Accademia delle Belle Arti und studierte dort Malerei.
1998 kam Christian das erste Mal nach Mexiko und fühlte sich dort sofort wohl. „Mexiko ist sowohl von den Menschen als auch von der Kunst und Kultur her ein faszinierendes Land. Mexiko Stadt mit über 20 Millionen Einwohner und der enormen Ausdehnung und Dichte ist für einen Vinschger schon der Hammer. Das sind Dimensionen, die schon sehr beeindrucken.“
Seit 2008 hat Christian ein Haus mit Atelier in Merida, der Hauptstadt des Bundesstaates Yucatan. Das Land hat ein reiches Mayaerbe. In der Region (Zentralamerika) leben etwa 6 Millionen Mayas, mit eigener Sprache und Kultur. Yucatan ist zweisprachig, man spricht Maya und Spanisch.
„Die Gegensätze zwischen Mexiko und dem Vinschgau sind schon enorm, sowohl sprachlich, kulturell, klimatisch, wirtschaftlich als auch von der Einstellung der Menschen her. Unfertiges, Improvisiertes ist hierzulande kaum präsent, in Mexiko spielt das jedoch eine grosse Rolle. Menschen müssen durch ihre Lebenssituation viel mehr improvisieren und auf Veränderungen schnell reagieren.“
„Mexiko ist ein Land mit starken Farben, vieles in der Farbgebung ( z. B. in der Architektur) geschieht zufällig und entzieht sich jeglicher Kontrolle“ sagt Christian.
In der Arunda Nr. 100/2020 „Brache“, herausgegeben von Christian Stecher und Ulrich Wielander, wird dieses Thema behandelt: „Die Stadt frisst sich in die Landschaft. Brachland wird besetzt und bebaut, unkontrolliert, wild. Planung und Infrastruktur hinken immer und überall hinterher. Neben der Anarchie am Bau herrscht auch eine Anarchie der Farbe. Dem farbigen Zufall sind keine Grenzen gesetzt. Jeder, der es sich leisten kann, streicht sein Haus in der Farbe, die besonders gefällt“. Diese Situation hat Christan Stecher beeindruckt und war „farbtechnisch“ für ihn eine Bereicherung. Sie hat seinen Umgang mit Farbe beeinflusst.
Christian arbeitet schnell und impulsiv. Sein unverkennbarer Malstil ist schwer einzuordnen. Er arbeitet gerne themenbezogen, bearbeitet Texte zur griechischen Mythologie, Texte von Trakl, Kafka und Felix Mitterer. Die Malerei ist dann einmal mehr figurativ, einmal mehr abstrakt.
Bevorzugte Technik ist die Eitempera: Eiweiss mit Mohnöl als Emulsion mit Wasser als Bindemittel werden mit den verschiedenen Pigmenten vermischt. Damit sind alle malerischen Möglichkeiten von lasierend bis deckend gegeben. Der Auftrag erfolgt in Schichten. Die Farbgebung wird damit komplex und reichhaltig.
Für seine Bilder erstellt Christian Stecher zuerst meistens einen Farbplan.
„Der Umgang mit Farbe ist dem Klavierspiel ähnlich. Eine Klaviersonate spielt sich innerhalb der 88 Tasten ab. In der Malerei gibt es eine begrenzte Auswahl von Pigmenten und in diesem Rahmen spielt sich die ganze Malerei ab“.
Die Wirkung der Farbe auf den Menschen hängt von vielen Faktoren ab und ist ein weites Feld. Gleiche Farben können auf Personen ganz verschieden wirken. Rot kann einmal als belebend, einmal auch als aggressiv wahrgenommen werden, Blau einmal als sehr kalte Farbe, einmal als die reine Farbe des Geistes.
„Warum leben wir hier vorwiegend in weissen Räumen?“ fragt sich Christian. „In Mexiko hat man keine Scheu, Räume sehr farbintensiv zu streichen. Der berühmte Architekt Luis Barragan liess Innenräume knallrosa als Kontrast zu einem schwarzen Lavaboden ausmalen“.
Vorstufen zu Stechers grossformatigen Bildern sind seine Skizzenbücher. Sie sind der persönlichste Teil seiner Arbeit. Die Skizzentagebücher sind tägliche Aufzeichnungen mit kurzen Texten, Collagen, Aquarellen, Zeitungsausschnitten usw. Sie sind Ideenträger und immer findet er darin Anregungen für seine Arbeit.
„Zeichnung und Malerei bleiben unter den vielen zeitgenössischen Ausdrucksformen der Kunst wohl die unmittelbarste und wenig abhängig von technischen Hilfsmitteln....und jedes neue Bild nicht nur farblich ein neues Abenteuer“.
Peter Tscholl