Im Mittelpunkt des 9. digitalen Stammtisches, organisiert von BASIS Vinschgau am 11. Mai, stand das Thema „Welfare aziendale - Unternehmenswohlfahrt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Es gab Kurzreferate von SOVI Präsident Manuel Rammlmair und der Geschäftsführerin Silvia Valentino, vom Vorsitzenden der Gewerkschaft ASGB Tony Tschenett und vom Arbeitsrechtsberater Dr. Andrea Mirandola, dem Filialleiter von ELAS Schlanders und der Personalsachbearbeiterin Dr. Karolina Silvestri von ELAS Meran. Mit Herrn Andrea Mirandola haben wir nach diesem Stammtisch das nachfolgende Gespräch geführt.
Vinschgerwind: Was versteht man unter „Welfare aziendale“, der Unternehmenswohlfahrt?
Andrea Mirandola: Unter Welfare versteht man sogenannte „Benefits-Leistungen“, welche vom Arbeitgeber, zusätzlich zur normalen Entlohnung, allen oder einer bestimmten Kategorien von Mitarbeitern, welche eine homogene Gruppe darstellt, zur Verfügung gestellt werden. Der Mitarbeiter kommt somit nie direkt mit dem Geld in Kontakt, sondern erhält „lediglich“ die ausgewählten Leistungen.
Vinschgerwind: Es gibt also nicht Geld, sondern Prämien oder Welfare-Pakete für Arbeitnehmer:innen. Für welche ausgewählten Leistungen können diese eingesetzt werden?
Andrea Mirandola: Welfare kann in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden. Entsprechend den Bedürfnissen der Mitarbeiter kann die Firma entscheiden in welchen Bereichen sie Welfare-Leistungen den Mitarbeitern zur Verfügung stellen möchte. Die zurzeit meistgenutzten Welfare-Leistungen werden für folgende Bereiche angeboten:
• Erziehung: schulische und außerschulische Weiterbildung, z. B. Kindertagesstätte, Babysitterdienste, Einschreibegebühren, Schulbücher, außerberufliche Kurse;
• Freizeitgestaltung und Erholung: z. B. Reisen, Skikarten für Skigebiete, Abonnements für Kino, Theater, Fitnesscenter;
• soziale Dienstleistungen und Gesundheitsbetreuung: z. B. Haushaltshilfen, Pflegedienste, ärztliche Kontrollen und Visiten;
• Güter und Sachleistungen: z. B. Einkaufsgutscheine, Benzingutscheine, Handywertkarten.
Vinschgerwind: Welche Vorteile haben die Arbeitnehmer:innen, welche Vorteile haben die Arbeitgeber bzw. Unternehmen durch solche Prämien oder Welfare-Pakete?
Andrea Mirandola: Vorteile gibt es sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Arbeitgeber. Die Vorteile sind finanzieller, steuerlicher, beitragsmäßiger und sozialer Natur. Die Vorteile für Arbeitgeber: geringere Kosten allgemein, keine Sozialabgaben, keine INAIL-Prämien, keine Anreifung der Abfertigung, gänzliche Absetzbarkeit IRES im Falle von Betriebsabkommen oder Kollektivvertrag, reduzierte Absetzbarkeit IRES bei freiwilliger Bereitstellung oder über Betriebsregelung, besseres Arbeitsklima und erhöhte Attraktivität des Betriebes. Die Vorteile für Mitarbeiter: stellt kein steuerliches Einkommen dar, deshalb keine Besteuerung, keine Sozialabgaben, Brutto entspricht Netto, generelles Wohlbefinden und erhöhte Kaufkraft.
Vinschgerwind: Um in den Genuss dieser steuerfreien Prämien bzw. Welfare-Pakete zu kommen, braucht es einen Kollektivvertrag bzw. ein Gebiets- oder Betriebsabkommen. Gibt es das bereits für alle Angestellten im Bereich des Handels, des Handwerks, des Tourismus und im Dienstleistungsbereich?
Andrea Mirandola: Nein. Aktuell gibt es noch nicht für jeden Sektor diese Abkommen. Bekannt ist das Abkommen im CCNL Metall Industrie, wo ein solches Welfare vorgesehen ist. Weitere Abkommen in anderen Sektoren werden sicher noch folgen. Wenn ein Unternehmen interessiert ist, ein solches Welfare Paket in die Wege zu leiten, dann sollte der entsprechende Arbeitsrechtsberater kontaktiert werden, um zu klären welche Schritte vorgenommen werden müssen. Meistens wird ein maßgeschneidertes Betriebsabkommen verfasst.
Vinschgerwind: Angestellte erhalten eine Prämie bis zu 3.000 Euro nicht als Geld überwiesen, sondern über eine Plattform oder über eine „Monni Card“. Wie funktioniert das?
Andrea Mirandola: Man muss unterscheiden: Will man eine Prämie auszahlen, die ersatzbesteuert wird (pauschal 10 %) dann ist die Höchstgrenze 3.000 Euro. Auch dafür muss aber ein Betriebsabkommen abgeschlossen werden. Will der Betrieb anstatt einer Prämie eine Welfare Leistung zur Verfügung stellen, dann gelten keine bzw. nur sehr wenige Grenzen und es muss keine Ersatzbesteuerung gezahlt werden. Hat sich der Betrieb entschlossen, den Mitarbeitern ein Welfare Paket zur Verfügung zu stellen, so muss vorab analysiert werden, welche Leistungen im Betrieb interessant sein könnten. Wenn der Betrieb dann die Organisation und die Abwicklung nicht selbst übernehmen möchte, dann können die Dienstleistungen einer Plattform in Anspruch genommen werden. Der Mitarbeiter kann die gewünschte Leistung auf der Plattform auswählen und die gesamte Abwicklung wird dann über diese abgewickelt. Alternativ kann der Arbeitgeber sich für die Monni Card entscheiden. Diese wird beim HDS (Handels- und Dienstleistungsverband Südtirol) angefordert und kann in verschiedenen Geschäften eingelöst werden. Vor einigen Tagen wurde die Bestimmung veröffentlicht und die steuerfreie Höchstgrenze für das Jahr 2021 von 258,23 Euro auf 516,46 Euro erhöht.
Vinschgerwind: Wer weniger Steuern und Sozialabgaben bezahlt, der zahlt auch weniger in seinen Rentenfond ein und erhält am Ende seines Arbeitslebens weniger Rente. Gibt es auch die Möglichkeit einen Teil dieser Prämien in den Zusatzrentenfond einzuzahlen?
Andrea Mirandola: Ja richtig. Eine Möglichkeit besteht auch darin, die Welfare Leistung in die eigene Rente zu „investieren“, indem die erhaltene Welfare-Prämie in den Zusatzrentenfond eingezahlt wird.
Vinschgerwind: Was können Arbeitnehmer:innen oder auch Unternehmen tun und an wen können sie sich wenden, wenn sie diese Prämien und Welfare-Plakete nicht erhalten bzw. nicht an ihre Mitarbeiter:innen vergeben?
Andrea Mirandola: Man muss verstehen, dass die Welfareleistung kein automatisches Recht des Mitarbeiters ist (außer der Kollektivvertrag sieht es vor). Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber in erster Linie freiwillig entscheiden muss, ob er eine zusätzliche Leistung dem Mitarbeiter (zusätzlich zu seiner normalen Entlohnung) zur Verfügung stellen will. Hat sich der Arbeitgeber dafür entschieden z.B. anstatt einer typischen Lohnerhöhung oder Prämie eine Welfareleistung dem Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen, so müssen die Rahmenbedingungen mit dem entsprechenden Berater besprochen werden. Gerne stehen auch wir als Elas Team Ihnen zur Seite.
Interview: Heinrich Zoderer
Info:
ELAS GZFR GmbH ist ein Personalbüro für Lohn- und Gehaltsabrechnungen. ELAS bietet außerdem umfassende Beratung im individuellen und kollektiven Arbeitsrecht. Der Hauptsitz ist in Meran. ELAS hat sechs Standorte: Meran, Bozen, Lana, St. Martin in Passeier, Schlanders und Mals. Elas wird in Zusammenarbeit mit dem Studio legale Menichetti (Anwaltskanzlei) in naher Zukunft ein neues Projekt starten und zwar eine Reihe von Video Podcasts zu verschiedenen Fachthemen. Diese Video Podcasts können alle Interessierten unter www.elas.it anschauen. Eines der ersten Themen wird unter anderem die betriebliche Wohlfahrt (Welfare) sein.