Schlanders/Innsbruck - Gibt es in Südtirol eine Gemeinde, die im Besitz eines Klosters ist? Der Schlanderser BM Dieter Pinggera kann die Frage nicht beantworten, aber er weiß, dass Schlanders demnächst im Besitz einer Klosteranlage, einer Klosterkirche und eines Grundstücks von 9.000 m² rund um das Kapuzinerkloster mitten im Dorfzentrum kommen könnte. 2,4 Millionen kostet die ganze Anlage. Es ist eine einmalige Gelegenheit für die Gemeinde. Und die Gemeinde will sie nützen.
von Heinrich Zoderer
Am 27. Mai 2018 ging die langjährige Geschichte der Kapuziner in Schlanders zu Ende. Fast 400 Jahre gehörten die Kapuziner zu Schlanders. 1644 wurde der Grundstein der Klosteranlage im Zentrum von Schlanders gelegt, nach 374 Jahren verließen die letzten beiden Kapuziner, Br. Albert Piok und Br. Maximilian Frank das Kloster. Der Orden, der als Reformbewegung innerhalb der franziskanischen Orden entstanden ist und sich in der Nachfolge des Hl. Franziskus sieht, hat sich in seinen Anfängen für die Pestkranken eingesetzt. Als franziskanischer Bettelorden kümmern sich die Kapuziner insbesondere um Arme, Schwache und Kranke. Obwohl die Hinwendung zur Natur, der Rückzug in Gebet und Stille und der Einsatz für die Schwachen als moderne Lebenseinstellungen gelten, hat der Orden Nachwuchsprobleme. Weltweit gibt es rund 10.500 Ordensmitglieder. Südtirol gehört zur Kapuzinerprovinz Österreich-Südtirol mit 90 Mitgliedern, die in 16 Klostergemeinschaften zusammenleben. Die Provinzleitung hat ihren Sitz im Kloster Innsbruck. Derzeitiger Provinzialminister (Ordensoberer) ist Bruder Erich Geir. Nachdem die Kapuziner von Mals wegzogen, wusste man auch in Schlanders, dass das Ende auch dort bald kommen würde. Unklar war nur, wann es so weit sein und wer das Kloster übernehmen würde. Zur Überraschung vieler in Schlanders übernahmen Mönche aus dem fernen Indien das Kloster. Pater Mathew Kozhuppakalam und zwei seiner Mitbrüder zogen in das Kloster ein. Es sind Missionare des Heiligen Franz von Sales. Bei der Klosterübergabe waren nicht nur zahlreiche Kapuziner aus allen sechs Klöstern Südtirols anwesend, sondern auch Bischof Ivo Musner und Bruder Erich Geir aus Innsbruck. Pater Abraham Vettuvelil aus Indien, der Generalminister der Missionare des Heiligen Franz von Sales, reiste aus Rom zur Feier an. Am 25. August 2019 erhielt Pater Mathew, wie er in Schlanders genannt wird, vom Bischof den Kirchenschlüssel und wurde in sein Amt als Pfarradministrator und Dekan von Schlanders eingeführt. Am 1. September übernahm P. Mathew das Dekanat und einer seiner Mitbrüder wurde Pfarrer von Laas. Die Leitung der Kapuzinerprovinz Österreich-Südtirol überließ das Kloster an die Salesianer in unentgeltlicher Nutzungsleihe, d.h. dass dafür keine Miete bezahlt wird. Der Klosteranger, eine Obstwiese, wurde bereits vor Jahren an den Schlanderser Biobauer Patrick Gamper verpachtet. Der größte Teil der Klosterwiese besteht aus der Obstwiese, außerdem gibt es noch einen kleinen Friedhof, die ehemalige Wetterstation und eine alte Kapelle mit Mosaiken, die heute als Abstellraum dient. Früher gab es noch einen schönen Klostergarten, den Bruder Serafin betreute. Schlanderser Bürger konnten dort gegen ein kleines Entgelt Salat, Gemüse, Kräuter oder Blumen holen. Als 1993 in Schlanders die erste Fußgängerzone im Vinschgau eingeführt wurde, beabsichtigte die damalige Gemeindeverwaltung im Kapuzineranger eine Tiefgarage zu bauen, ebenso wie beim Plawennplatz. Beide Projekte wurden nicht realisiert.
Das Provinzialat der Kapuziner Österreich-Südtirol will
verkaufen
BM Dieter Pinggera erläutert, dass er seit Jahren die Entwicklungen rund um das Kapuzinerkloster verfolgt und sowohl mit Pater Mathew als auch mit dem Provinzial der Kapuziner, Erich Geir aus Innsbruck und mit Franz Zitturi vom Kapuzinerkloster in Brixen, der Ansprechperson für die Verwaltung des Südtiroler Teils der Provinz Österreich-Südtirol ist, im Kontakt steht. Konkret wurde ein möglicher Ankauf als in diesem Jahr die Kapuziner der Gemeinde ein Kaufangebot mit einer Kostenschätzung vorlegten. Die Leitung der Kapuzinerprovinz Österreich-Südtirol will die gesamte Klosteranlage mit den Wohnräumen, der Kirche und der Wiese verkaufen. Die Erhaltung der Klosteranlage kostet Geld, die Kapuziner benötigen andererseits das Geld, um den Unterhalt und die Pflege der Mitbrüder zu finanzieren und außerdem gibt es immer weniger Mönche. Bevor an die Gemeinde Schlanders das Kaufangebot gemacht wurde, wurde beim Diözesaninstitut für den Unterhalt des Klerus (DIUK) angefragt. Von dieser Seite gab es aber kein Kaufinteresse. Auch beim Generalminister der Missionare des Heiligen Franz von Sales in Rom wurde angefragt. Sehr wahrscheinlich gibt es auch von dieser Seite kein großes Interesse zum Ankauf der Klostergebäude mit der Kirche, bzw. der gesamten Anlage. P. Mathew ist bereits über 70 Jahre alt. Er fühlt sich nach eigenen Angaben in Schlanders und im Vinschgau sehr wohl und würde aus dem Kloster gerne ein spirituelles Zentrum für interessierte Menschen machen und spezielle Kurse dazu anbieten. Das Kloster sollte zu einem Rückzugsort, einem Ort der Stille und der Meditation werden. Doch wie es mit den Salesianern im Vinschgau weiter geht, ob neue Ordensbrüder nachkommen, das wird in Rom entschieden. BM Pinggera hat gleich nachdem er das schriftliche Kaufangebot der Kapuziner erhalten hat, den Gemeinderat zu einer Klausursitzung eingeladen. Die gesamte Klosteranlage mit den Gebäuden und der Klosterwiese kostet nach dem vorliegenden Kaufangebot rund 2,4 Millionen Euro. Im Einzelnen sind dies 1,6 Mill. für die 9.000 m² große Klosterwiese mit den Obstbäumen und einem Garten. Die Klostergebäude werden auf 800.000 Euro geschätzt und die Kapuzinerkirche auf 45.000 Euro. Der Gemeinderat hat BM Pinggera bei der Klausursitzung beauftragt, die Verhandlungen aufzunehmen mit dem Ziel die gesamte Anlage zu kaufen. Pinggera betont, dass alles im Einvernehmen mit den Kapuzinern, den Salesianern, der Diözesankirche und dem derzeitigen Pächter der Obstwiese abgewickelt wird. Sie alle spielen beim Kauf eine Rolle, genauso wie auch der Vatikan, der den Kapuzinern ein positives Gutachten für den Verkauf ausstellen muss. Die Gemeinde will, dass die Salesianer lange in Schlanders bleiben, auch weiterhin im Kloster wohnen und ihre Tätigkeit in der Seelsorge und in der Erneuerung des Glaubens ausüben können. Dieses Konzept der Gemeindeverwaltung wurde vom gesamten Gemeinderat bei der Klausursitzung begrüßt und von allen Gruppierungen auch unterstützt.
Eine öffentlich zugängliche Oase der Ruhe und der Begegnung mit Gärten und Obstbäumen
Was mit der Klosteranlage und der Klosterwiese alles gemacht werden soll, darüber will der Bürgermeister nicht reden. Bis zum Ankauf sind noch viele Fragen zu klären und mehrere Hürden zu nehmen. Auf jeden Fall soll die Klosterwiese öffentlich zugänglich werden und eine sanfte Umgestaltung erfahren, damit sie für alle Generationen und alle Bevölkerungsgruppen als Ruheraum und Ort der Erholung genutzt werden kann. Für die Gemeindeverwaltung ist es eine einmalige Gelegenheit und der Bürgermeister ist stolz, wenn diese Operation gelingt. Es ist eines der wichtigsten Vorhaben seiner Amtszeit, meint er. Dabei hat die Gemeindeverwaltung bereits für über 2 Millionen 3 ha der ehemaligen Drususkaserne angekauft, genauso wie das Areal der sogenannten „Lahn“ mit mehreren leer stehenden Gebäuden in unmittelbarer Nähe des Kindergartens und der Grundschule von Kortsch. Durch einen Grundtausch will die Gemeinde rund 1 ha in „Priel“ erwerben und diesen Bereich am Dorfrand zu einer Naherholungszone umgestalten. Die Klosterwiese ist die größte Freifläche im Ortszentrum. Das Kloster steht unter Denkmalschutz und die Klosterwiese ist als Zone für öffentliche Einrichtungen im Bauleitplan eingetragen. Damit sind bestimmte Spekulationen von vorne herein ausgeschlossen. Es kann, dem Geist des Klosters entsprechend, zu einer Ruheoase, einer Begegnungsstätte, einem Lustgarten für die Sinne werden, ein Ort um die Seele baumeln zu lassen. Der Vinschgau, der als Apfelgarten vermarktet wird, aber fast keine hochstämmigen Bäume hat, könnte hier eine Obstanlage mit alten Apfel- und Birnensorten anlegen und damit die Geschichte des Obstbaus präsentieren. Es wäre genügend Platz für Spielplätze für Kinder, Schrebergärten für Familien ohne eigene Gärten, Sitzbänke und Rückzugsorte für Senioren, ein Kräuter- und Blumengarten, wie es sie in Klöstern gibt. Sehr vieles ist denkbar und vorstellbar. Sogar einen kleinen Teich könnte man anlegen. Schlanders hat die einmalige Gelegenheit, Besitzer einer jahrhundertealten Klosteranlage zu werden. Im Internet findet man Kloster in der Nähe von Rom und Florenz, die zum Verkauf anstehen. Auch in Deutschland werden mehrere Klöster und andere öffentliche Einrichtungen verkauft. Oft sind es Chinesen, Araber und Amerikaner, die in ganz Europa solche Objekte kaufen bzw. mieten. Schlanders wird nicht die einzige Institution bleiben, die eine Klosteranlage besitzt.
Titelbild: Seit fast 400 Jahren gibt es das Kapuzinerkloster in Schlanders. 2018 zogen Pater Mathew Kozhuppakalam und zwei seiner Mitbrüder in das Kloster ein. Es sind Missionare des Heiligen Franz von Sales. Seit 1. September 2019 ist Pater Mathew auch Dekan von Schlanders. Der Kapuzinerorden will nun die gesamte Klosteranlage verkaufen.