Aus dem Gerichtssaal - Eigentlich liebe ich meinen Beruf, denn man lernt dabei Menschen aus allen sozialen Schichten und in unterschiedlichsten Lebenslagen kennen. Eine der wohl ausgefallensten Geschichten handelt von einem Zeitsoldaten (einem sog. „firmaiolo“) aus Kalabrien, den wir aus Gründen des Datenschutzes einfach Franco Aspromonte nennen wollen. Er stammte auch tatsächlich aus einem armen Bergdorf im gleichnamigen Gebirge und hatte für 10 Jahre beim italienischen Militär angeheuert. Stationiert war er in der Kaserne in Mals. In den 1970-iger Jahren verging fast kein Tag ohne einen Anschlag der Terrororganisation Brigate Rosse. Der Staat wollte seine Präsenz auch in der Weise demonstrieren, dass er öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Brücken und Flughäfen durch Militär bewachen ließ. So wurde auch unser Aspromonte nach Livorno in die Toskana versetzt, um für die öffentliche Sicherheit zu sorgen. Dort lernte er ein Mädchen kennen, deren Eltern ebenfalls aus Kalabrien stammten. Die beiden verliebten sich. Doch bevor sie sich ganz nahe kommen konnten, schalteten sich die Eltern ein und bedeuteten dem strammen Soldaten, dass das Schlafzimmer nur über den Traualtar erreichbar war. Also fügte sich Aspromonte in sein Schicksal und heiratete seine Giulietta. Noch mitten in die Flitterwochen platzte die erste Hiobsbotschaft: der Bräutigam wurde wieder nach Mals zurückbeordert! Eine Zeitlang pendelte er zwischen Mals und Livorno, doch da er als Militarist lediglich die Personenzüge (die sog. „accelerati“) benützen durfte, reichte es für die Brautleute gerade mal zu einer schnellen Begegnung, worauf der Alpino schon wieder auf den nächsten Zug springen musste. Aspromonte fand an diesem Eheleben verständlicherweise keinen Reiz, weshalb er seine Giulietta aufforderte, ihm nach Mals zu folgen. Diese kam dann auch an einem kalten, windigen Wintertag in den oberen Vinschgau, doch der dabei erlittene Kälteschock war so nachhaltig, dass sie fluchtartig die raue Gegend verließ. Kurze Zeit darauf – die Beiden waren gerade mal 6 Monate verheiratet! – erhielt Aspromonte schon die Trennungsklage. Als Grund für ihr Begehren gab die Braut jedoch nicht etwa klimatische Unvereinbarkeiten, sondern nicht näher bezeichnete sexuelle Unzulänglichkeiten ihres Mannes an. Ob dieses „Tiefschlags“ schäumte der Kalabrese vor Wut. Er präsentierte nicht nur den Befund eines Urologen, der ihm einen fehlerfreien genitalen Apparat attestierte. Er versicherte dem Richter zudem,…„di essere dischposchto a qualsiasi eschperimento“, also zum Nachweis seiner sexuellen Integrität sich jedem gewünschten Versuch unterwerfen zu wollen. Zu dieser Beweisaufnahme kam es dann allerdings nicht, auch weil der Richter glaubte, das Verfahren auf Grund der Aktenlage entscheiden zu können. Er bedeutete nämlich der trennungswilligen Frau, dass sie über den Status ihres Mannes vor der Eheschließung hinreichende Kenntnis hatte, weshalb die Trennung auch noch mit deren Schuldausspruch endete. Aspromonte erwirkte in der Folge seine Versetzung nach Kalabrien, wo er ein Mädchen aus seinem Dorfe heiratete, und wenn die beiden nicht gestorben sind, dann leben sie dort noch heute!
Peter Tappeiner, Rechtsanwalt
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