Natur&Landschaft: Die Rückkehr des Bibers - Nagespuren am Inn in Innsbruck

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Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Remigius, 13. Jänner 2025

Im heurigen Sommer sind am Inn mitten im Innsbrucker Stadtgebiet spitz angenagte Baumstämme aufgefallen, die an ihrer Basis kegelförmig verbissen waren. Solche Nagespuren belegen eindeutig den Biber (Castor fiber). Die Innsbrucker Beobachtung ist mir Anlass für diesen Zeitungsbeitrag.

Ein Nagetier
Der Biber ist der größte Nager in der europäischen Fauna. Er ist groß und massig gebaut bei einer Körperrumpflänge bis zu 100 Zentimetern und einem flachen, ruderförmigen Schwanz von bis zu 30 cm Länge. Die Hinterfüße haben Schwimmhäute zwischen den Zehen, die Vorderfüße sind klein und als hervorragende Greifwerkzeuge ausgebildet. Die Füße sind fünfzehig mit kräftigen Nägeln. Die zweite Hinterfußzehe trägt eine schwächere Doppelkralle, die zum Putzen des Felles ausgebildet ist. Der Biberpelz weist kräftiges Grannenhaar und dicht ge-
kräuseltes Wollhaar auf. Biber haben zwanzig wurzellose Zähne, die ständig nachwachsen. Die rotorange Färbung der Schmelzschicht in den meißelartigen Schneidezähnen stammt von Eiseneinlagerungen. Diese Einlagerungen erhöhen die Bisskraft der Zähne.

Pelz, Fleisch und Sekret als Ausrottungsgründe
Der Biber war in den vergangenen Jahrhunderten aus mehreren Gründen eine begehrte Jagdbeute. Der kostbare Biberpelz war einer der Gründe für die Ausrottung des Bibers in Europa. In der Blütezeit der Hanse gehörten Biberfelle zu den wichtigsten Handelsgütern dieses Städtebundes. Aus Nordamerika werden in der Literatur folgende Zahlen kolportiert: Um 1600 lebten dort 60 – 100 Millionen Biber, die von den Indianern zwar bejagt, aber auch verehrt wurden. Gegen den Willen der Indianer exportierten die Europäer bis 1800 jährlich 50.000 Biberfelle nach Übersee. Die Biberpelzausfuhr der Hudson Bay Company erreichte 1875 mit dem Verkauf von 270.903 Biberfellen ihren Höhepunkt. Dann aber ging es schnell bergab mit den Beständen und um 1900 waren die Biber in den Vereinigten Staaten fast ganz ausgerottet, aus großen Teilen Kanadas waren sie völlig verschwunden.
Gejagt wurde der Biber nicht nur wegen seines Fells, sondern auch wegen seines Fleisches und seines Drüsensekrets (Castoreum). Das Sekret wurde zur Behandlung von Kopfschmerzen, Schmerzen und Verdauungsstörungen eingesetzt. Neben Bejagung kam für den Rückgang und das Aussterben des Bibers noch der großflächige Verlust von geeigneten Lebensräumen durch Trockenlegung von Feuchtgebieten und Abholzung von Wäldern hinzu.

Castoreum
Das Bibergeil oder das Castoreum ist ein Sekret aus paarigen Beuteln unter dem Schambein des Bibers. Das moschusähnliche Sekret besteht aus mehreren chemischen Verbindungen, die wahrscheinlich als Sekundärmetaboliten des Urins gebildet werden. Der Biber nutzt das talgartige Sekret zur Fellpflege, zur Duftmarkierung gegenüber Artgenossen und zum Markieren seines Territoriums. In der Medizin wurde Bibergeil bis ins 19. Jahrhundert gegen Gicht sowie gegen Krämpfe, hysterische Anfälle, Nervosität und vieles mehr eingesetzt. Das 1679 in Frankfurt erschienen „Kreuterbuch“ von Lonicerus enthält eine Fülle von Anwendungsvorschriften dieser „Wundermedizin“ gegen ziemlich alle Krankheiten vom Kopfweh bis zur Wassersucht. Marius und Frank veröffentlichten 1685 zu Augsburg eine „Castrologia“ mit über zweihundert verschiedenen Rezepten. Die Heilwirkung beruht auf der entzündungshemmenden Wirkung der Salizylsäure aus der Weidenrinde und aus Mädesüß als Nahrungsmittel des Bibers. Synthetisch produziert ist die Salizylsäure der Wirkstoff unserer Aspirin-Tabletten.

Der Schwanz machte den Biber zum Fisch
Der Schwanz des Bibers trägt Schuppen. Deswegen wurde er früher zu den Fischen gerechnet und sein Fleisch galt als besondere Delikatesse. Es durfte auch in der Fastenzeit gegessen werden, weil es nicht zum Fleisch, sondern zum Fisch gezählt wurde. Der Jesuitenpater Charlevoix schrieb noch 1754: „Bezüglich seines Schwanzes ist er ganz Fisch, und er ist als solcher gerichtlich erklärt durch die Medizinische Fakultät in Paris, und in Verfolg dieser Erklärung hat die Theologische Fakultät entschieden, dass das Fleisch an Fastentagen gegessen werden darf.“

Zoologische Systematik
Der Biber gehört zoologisch zu den Nagetieren (Rodentia). Die Nagetiere sind eine Ordnung der Säugetiere und umfassen 2.500 – 2.600 Arten. Mit dieser Artenfülle stellen die Nagetiere rund 40% aller Säugetierarten und sind somit die bei weitem artenreichste Ordnung dieser Gruppe. Innerhalb der Nagetiere bilden die Biber eine eigene Familie mit nur zwei Arten: dem Eurasischen Biber (Castor fiber) und dem Kanadischen Biber (Castor canadensis).

Lebensraum und Verbreitung
Das Lebenselement des Bibers ist das Wasser. Der Biber bewohnt große, vegetationsreiche Flussauen und urwüchsige Altarme von langsam fließenden Flüssen, welche von natürlichem Auwald umgeben sind. Außerdem auch Vorfluter in den Feldfluren, Seen, Teiche und Gräben, sofern Weichhölzer wie Weiden und Pappeln als begehrte Nahrungspflanzen, ausreichende Wasserführung und für das Anlegen von Bauen geeignete Ufer vorhanden sind.
Der Biber ist reiner Pflanzenfresser. Wie kein anderes Ter gestaltet der Biber die Landschaft nach seinen Ansprüchen. Er fällt Bäume, baut Burgen und Dämme und staut Bäche auf. Dadurch schafft er nicht nur für sich, sondern auch für viele Pflanzen und Tiere einen geeigneten Lebensraum.
BiberBekannt sind die Biberburgen aus gefällten Weichhölzern an Flüssen und Bächen zum Verlangsamen der Fließgeschwindigkeit des Gewässers und zum Schutz vor Fressfeinden. Der Eingang in die Biberburg mit mehreren Kammern liegt immer unter Wasser. Im Bau wird nie gekotet. Der Biber hält keinen Winterschlaf, verweilt im Winter aber oft mehrere Wochen innerhalb in seiner Burg. Aus Ästen und Zweigen legt er Nahrungsvorräte an.

Die (spontane) Rückkehr
Im Internet findet sich eine Notiz des Südtiroler Jagdverbandes vom 10. November 2020: Dem Jagdaufseher Reinhard Pipperger ist mit angenagten Bäumen nach über 400 Jahren der Nachweis von Biberspuren im mittleren Pustertal gelungen. Der letzte Biber soll in Südtirol nämlich 1594 bei Obervierschach erlegt worden sein. Er brachte stolze 25 Kilogramm auf die Waage.
Der Innsbrucker Biber könnte aus der Donau in den Inn zurückgekehrt sein. Er könnte aber ebenso auch Inn abwärts gewandert sein. Dem Jahresbericht des Amtes für Jagd und Fischerei des Kantons Graubünden 2023 kann man nämlich folgende Informationen entnehmen: Der Bestand an Bibern hat sich in Graubünden seit 2008 von einem Einzelrevier im Engadin auf 32 Reviere mit geschätzten 104 Bibern vergrößert hat. Der Alpenrhein von der Kantonsgrenze bis nach Reichenau zeigt sich heute komplett besiedelt. Hier reiht sich ein Biberrevier an das nächste. Auch den Vorder- und Hinterrhein haben sich die Biber zurückerobert. In Südbünden liegt der Schwerpunkt der Biberverbreitung in Unterengadin entlang des Inns zwischen Martina und Scuol. Dass Biberreviere auch weit entfernt von Verbreitungsschwerpunkten entstehen können, haben mehrere Beispiele aus Graubünden bestätigt. So wanderte 2016 ein Einzeltier aus dem Unterengadin bis nach Samedan ab (rund 40 km Luftlinie!) und etablierte dort auf 1.700 m Meereshöhe das bisher höchstgelegene Biberrevier Europas.
In der Lombardei ist der erste Biber erst in der Nacht vom 30. auf den 31. Dezember 2023 im Naturschutzgebiet Fondotoce bei Verbania in eine Fotofalle getappt. Es ist dies die erste, rezente Beobachtung in den Westalpen seit der Ausrottung des Bibers.
In das Friaul ist der Biber 2018 nach fast 500 Jahren an die Laghi di Fusine bei Tarvis zurückgekehrt. Italienische Zoologen gehen davon aus, dass der Pustertaler Biber von 2020 über Kärnten und das Osttiroler Gailtal aus dem Friaul eingewandert ist.

 

Steckbrief
Eurasischer Biber (Castor fiber)

BiberVerwandtschaft: Nagetiere. Familie Biber (Castoridae) mit zwei Arten
Gewicht: Zwischen 15-20 kg (selten 30-340 kg)
Besonderheit: Drittgrößtes Nagetier nach Wasserschweinen und Kanadischem Biber
Soziale Organisation: Lebt monogam. Biberpaare bleiben lebenslang zusammen. Fa-milienverbände mit zwei Jungtiergenerationen.
Fortpflanzung: Paarungszeit zwischen Dezember und Mai, Höhepunkt im Jänner/Februar. Geburt im Frühjahr oder Frühsommer. 1-6 Jungtiere, im Durchschnitt 2. Kleine Biber werden schon sehend und behaart geboren.
Geographische Verbreitung: Weite Teile Europas und Asiens von Frankreich im Westen (Rhone-Biber) über die Skandinavischen Länder im Norden und die Schweiz und Slowenien im Süden bis nach Russland, in die Mongolei und nach China im Osten.
Schutzstatus: Nicht gefährdet (IUCN).
Stammesgeschichtliche Herkunft: Die Biber leiten sich evolutionär von den sogenannten Paramyden ab. Die ältesten Formen sind der Steneofiber aus dem europäischen und Agnotocastor aus dem nordamerikanischen Oligozän vor etwa 40 -35 Millionen Jahren. Im Eiszeitalter gab es Riesenbiber (Trogontherium und Castoroides), welche die Größe kleiner Bären erreichten.

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