Vinschgau - AUS DEM GERICHTSSAAL
Ein nicht alltäglicher Verkehrsunfall ereignete sich vor ein paar Wochen in Kortsch. Ein Feriengast aus dem Schwabenland fuhr von Allitz kommend durch die Ortschaft. An der Kreuzung mit der Schmiedgasse stieß er mit einem von den „Drei Kreuz“ kommenden Fahrzeug zusammen. Personen wurden zum Glück nicht verletzt; der Sachschaden war jedoch beträchtlich. Am Unfallort trafen die Carabinieri von Schlanders ein, welche im Zuge ihrer Erhebungen feststellten, dass die Kreuzung, auf welche der deutsche Gast eingefahren war, vollkommen unübersichtlich, durch kein Hinweisschild angekündigt und auch durch kein Stoppzeichen am Boden angezeigt war. Außerdem fehlte ein Spiegel auf der gegenüberliegenden Straßenseite, über welchen allein das Herannahen des Fahrzeuges in der Schmiedgasse hätte bemerkt werden können.
Trotz dieser objektiven Unmöglichkeit, das von rechts kommende Auto zu bemerken, zückten die Carabinieri ihren Block, um den deutschen Fahrzeuglenker wegen Missachtung der Vorfahrt gebührenpflichtig zu verwarnen und ihm dafür 150 Euro „abzuknöpfen“. Dem wackeren Schwaben platzte daraufhin der Kragen. Er verwies darauf, dass er die Kreuzung überhaupt erst durch den Zusammenprall mit dem anderen Pkw bemerkt hatte, doch die Ordnungshüter kannten keinen Pardon. Und als er auch noch die Zahlung des Bußgeldes verweigerte, beschlagnahmten sie das Wrack und ließen es nach Brixen abschleppen, wo es jetzt bis zum Abschluss des bürokratischen Hürdenlaufs vor sich hin rostet.
Der Unfall wird möglicherweise ein gerichtliches Nachspiel haben. Denn der Schwabe macht die Gemeinde Schlanders als Halter der Straße für die entstandenen Schäden verantwortlich. Und das Recht dürfte dabei auf seiner Seite sein. Auch die italienische Rechtsordnung kennt nämlich einen Haftungsgrund, der in der deutschen Fachsprache als Verkehrssicherungspflicht bezeichnet wird. Gemeint ist damit, dass auch Sachen, die im Gemeingebrauch stehen (öffentliche Straßen und Plätze), so instandgehalten werden müssen, dass sie keine Gefahrenquellen bilden. Im konkreten Fall war die Gemeinde verpflichtet, durch Anbringung von Schildern und Spiegeln die Kreuzung zu „entschärfen“.
Peter Tappeiner, Rechtsanwalt