Spannend waren die letzten Monate für die Schulen. Wie werden sich die Mittelschüler, die derzeit die dritte Klasse besuchen, entscheiden? Werden die Oberschulen, die neu aufgestellten, im Vinschgau angenommen? In den vergangenen Jahren waren diese Fragen genauso aktuell. Heuer ist die Schulreform dazugekommen. Die staatlich vorgeschriebene Reform startet in Südtirol mit einem Jahr Verspätung. Politik und Schulen hatten vor einem Jahr mit den Verhandlungen begonnen. Vor dem Jahreswechsel ist die Reform dann beschlossen worden. Auch die Oberschulen im Vinschgau mussten sich im Zuge dieser Reform neu positionieren. Weil sich die Direktoren der Schulstandorte in Schlanders und in Mals im Vorfeld über das Angebot einig waren und weil die Direktoren frühzeitig Politik und Wirtschaft mit ins Boot geholt haben, konnten sämtliche Forderungen aus dem Vinschgau erfüllt werden. Das Realgymnasium in Schlanders und die beiden Handelsoberschulen in Schlanders und in Mals sind relativ unbeschaden durch die Reform gegangen. Die Handelsoberschulen heißen von nun an „Fachoberschulen für Wirtschaft“, das Realgymnasium bleibt mit zwei Fachrichtungen (Realgymnasium und Sprachengymnasium) bestehen.
Größere Veränderungen stehen in der Gewerbeoberschule in Schlanders an. Diese heißt ab Herbst 2011 „Fachoberschule für Technologie“ und sie wird in zwei Jahren die Fachrichtung „Maschinenbau, Mechatronik und Energie“ führen. Die bisherige Fachrichtung „Informatik“ wird aufgelassen.
Noch größere Veränderungen gibt es im Oberschulzentrum in Mals. Die bisherige „Lehranstalt für Soziales“ ist ein Auslaufmodell. Die 2., 3., 4. und die heurige Maturaklasse werden die Matura in der bisherigen Form abschließen. Aber bereits die laufende 1. Klasse wird sich im Herbst für die neue Schule - dem „Sozialwissenschaftlichen Gymnasium“ - oder für einen Umstieg in eine anderen Schule entscheiden müssen. Die Neueinschreibungen, die bis zum 31. März dieses Jahres erfolgt sind, sind explizit für das „Sozialwissenschaftliche Gymnasium“ (SOGYM) erfolgt. In Mals wird zusätzlich ein völlig neuer Schultypus angeboten: die „Berufsfachschule für Pflege und Soziales“. Das Biennium in Mals, eine zweijährige Ausbildung, bildet den Grundstein für eine matura-führende Schule. Die SchülerInnen, wollen sie diesen Weg gehen, wechseln nach zwei Jahren nach Meran, Bozen oder Brixen. In Sand in Taufers gibt es, wie in Mals, ebenfalls ein Biennium der „Berufsfachschule für Pflege und Soziales“.
Die Schulreform mit neuen Schulbenennungen, auch mit neuen Schultypen und dem Wegfall der „Leso“ in Mals im Hintergrund, wurden in den Oberschulen die Neueinschreibungen mit gemischten Gefühlen erwartet. Dabei stand mehr die Frage im Mittelpunkt, ob und wie die „neuen“ Oberschulen im Vinschgau angenommen werden. Neben den Lehrstellen, den Arbeitsplätzen, dem Schulbetrieb im Allgemeinen sind von Seiten der Schulführungskräfte besondere Erwartungshaltungen mit den Neueinschreibungen verknüpft. Es geht darum, die beiden Schulstandorte Schlanders und Mals nicht nur zu sichern, sondern auszubauen.
In Mals ist ein Schülerheim im Areal der ehemaligen Kaserne in Planung. 100 Heimplätze sollen dort entstehen. „Die Landesregierung hat heuer 1 Million Euro für das Hochbauprogramm vorgesehen“, sagt der Malser Direktor Gustav Tschenett. Innerhalb heuer müssten die Ausschreibungen erfolgen und in einem Jahr soll mit dem Bau begonnen werden.
Im Schlanderser Schulzentrum ist auch einiges in Bewegung. Ein Neubau der Gewerbeoberschule - der Fachoberschule für Technik - ist vorgesehen. Im ehemaligen „Kind-Areal“. Die Räumlichkeiten, in denen sich die GOB derzeit befindet, sollen an die Landesberufsschule abgetreten werden. Im Untergeschoss soll eine Tiefbauhalle für die Berufsschule entstehen, ebenso eine gemeinsame Turnhalle, die auch als Mehrzwecksaal genutzt werden kann, im Westflügel soll eine gemeinsam genutzte Bibliothek entstehen, im Ostflügel ein pädagogisches Beratungszentrum, in dem auch die Berufsberatung Platz finden soll. „Ein sehr kompliziertes Konstrukt“, sagt der Schlanderser Oberschuldirektor Herbert Raffeiner. Das Abbruch-
projekt auf dem „Kind-Areal“ ist genehmigt und soll im Sommer durchgeführt werden. Bis zum Herbst soll die vom Meraner Architekten Walter Gadner erstellte Ausführungsplanung vorliegen. Das gesamte Projekt wird aus technischen Gründen als Erweiterung eingestuft. Im Jahr 2012, wenn keine gravierenden Zwischenfälle auftreten, rechnet Raffeiner mit dem Baubeginn.
Was, wenn die Vinschger Schüler die neu ausgerichteten Oberschulen im Vinschgau meiden? Wenn sich weniger Schüler einschreiben? Die Direktoren würden in ihrer Argumentation für das Neubauprogramm in arge Schwierigkeiten geraten.
Alle Befürchtungen wurden zerstreut. Seit Anfang April liegen die Zahlen für die Neueinschreibungen auf dem Tisch. „Positiv überrascht“ ist Gustav Tschenett in Mals. 54 Neueinschreibungen sind es heuer für das Malser Zugpferd - die Sportoberschule. Zwischen 40 und 50 waren es die Jahre zuvor. Die Strahlkraft der Sportoberschule ist ungebrochen, sie nimmt mit den Erfolgen der dort betreuten Athleten zu. Aus dem ganzen Land melden sich die SchülerInnen, aus Nordtirol, der Schweiz, Liechtenstein und Deutschland. Und aus dem norditalienischen Raum, vor allem aus der Provinz Trient. 10 Anmeldungen sind es heuer, die aus dem benachbarten Trentino kommen. Um in der Sportoberschule auf zwei 1. Klassen zu kommen, werden sich die Neuankömmlinge einer Aufnahmeprüfung zu stellen haben. Dort zählt Leistung.
Mit 32 Einschreibungen, im Einzugsgebiet Laas-Reschen, in der Fachoberschule für Wirtschaft sind es 10 mehr als im vorigen Jahr. Und mit 42 Neuankömmligen (Naturns-Reschen) kann das neue „Sozialwissenschaftliche Gymnasium“ mit zwei 1. Klassen rechnen. 40 haben sich voriges Jahr in die „Leso“ eingeschrieben. Für die „Berufsfachschule für Pflege und Soziales“ haben sich 11 SchülerInnen gemeldet. Für die Bildung einer ersten Klasse wären 20 nötig. „Da müssen wir eine Entscheidung aus Bozen abwarten“, sagt Tschenett.
Als „Geschenk des Himmels“ bezeichnet Direktor Herbert Raffeiner die Anzahl der Einschreibungen vor allem für die neue „Fachoberschule für Technik“. 74 SchülerInnen haben sich angemeldet, das sind 40 mehr als voriges Jahr. Von Reschen bis Meran (bisher bis Naturns) kommen die Anmeldungen. „Die neue Fachrichtung hat über alle unsere Erwartungen bei der Jugend und bei den Eltern Anklang gefunden“, freut sich Raffeiner und: „Alle Befürchtungen sind verstummt, dass die GOB die Schüler nicht zusammenbekommt, die einen Neubau rechtfertigen.“ 63 SchülerInnen haben sich ins Realgymnasium eingeschrieben (28 für die neusprachliche und 35 für die wissenschaftliche Fachrichtung). Das sind drei Schüler mehr als voriges Jahr. Das Einzugsgebiet zwischen Reschen und Naturns ist das traditionelle für das Realgymnasium, wobei SchülerInnen aus Schlanders immer stark vertreten sind. Einen leichten Rückgang verzeichnet die „Fachoberschule für Wirtschaft“: 37 haben sich neu eingeschrieben, voriges Jahr waren es 43. Während 19 SchülerInnen zwischen Laas und Kastelbell die „normale“ Verwaltungs-Fachrichtung besuchen wollen, haben sich 18 für den Schulschwerpunkt Sport entschieden. Eine dokumentierte Stunde Training im Verein wird in diesem Zweig von der Schule anerkannt. Jungen, ambitionierten Vereinssportlern wird ihre Aktivität in den Bereichen Fußball, Badminton, Volleyball, Radfahren, Schwimmen, Sportschießen, Tennis und Eishockey angrechnet.
Das Ziel der gemeinsamen Bemühungen beider Schulzentren, in Absprache mit vielen Schulpartnern, so Raffeiner, „ein solides und etwas erweitertes Ausbildungsangebot zu machen, ist offensichtlich angenommen worden.“