Die neueste Verfilmung stammt aus dem Jahre 2015. Heidi ist die Geschichte eines Waisenkindes, das mit dem Großvater auf einer Alm in Graubünden lebt, dann zu einer reichen Familie nach Franfurt kommt, in eine ganz andere Welt. Ein romantisches Bild der Schweizer Berg- und Bauernwelt wird durch das Buch vermittelt. Der „Schellen-Ursli“ ist eine andere Kindergeschichte aus Graubünden. Das Bilderbuch aus dem Jahre 1945 der Autorin Selina Chönz mit schönen Bildern des Künstlers Alois Carigiet gehört zu den bekanntesten Kinderbüchern der Schweiz. Die Geschichte vom Schellen-Ursli spielt in Guarda, einem Dorf im Unterengadin. Sie handelt vom Brauch des „Chalandamarz“, der alljährlich am 1. März durchgeführt wird. Chalandamarz ist ein alter rätoromanischer Brauch in Graubünden, der auch im benachbarten Münstertal gefeiert wird. Chalanda steht für den ersten Tag des Monats, der Brauch geht zurück bis auf die Römerzeit. Im julianischen Kalender war der März der erste Monat des Jahres, der 1. März somit der Neujahrstag. Mit großen Kuhglocken läuteten junge Männer das neue Jahr ein und verabschiedeten das alte Jahr. Gleichzeitig wurden mit diesem heidnischen Ritual die bösen Wintergeister und Dämonen vertrieben und die Menschen auf den Frühling und das Erwachen der Natur vorbereitet. Früher wurden an diesem Tag die im Februar gewählten Gemeindepräsidenten, Schreiber und Schatzmeister in ihre Ämter eingesetzt. Mit Glockengeläut, Peitschenknallen und Gesang ziehen heute Schulkinder durch die Dörfer und um die Dorfbrunnen, um den kalten Winter zu vertreiben und den Frühling anzukündigen. Sie tragen blaue Bauernkutten, ein rotes Halsband, eine rote oder schwarze Mütze und Kuhglocken. Sie singen Chalandamarzlieder und schellen mit den Kuhglocken. In Müstair werden am Abend vor dem 1. März allerlei lustige Streiche im Dorf gespielt. In einigen Dörfern werden beim Umzug freiwillige Spenden für einen Schulausflug gesammelt. Chalandamarz ist heute aber nicht nur ein Frühlingsfest, an dem die Wintergeister vertrieben werden, es ist auch ein Fest der Kinder und der Schuljugend, die einen Ball mit Musik und Tanz organisieren. So wird mit dem alten Brauch auch ein wichtiger Schritt zur Selbständigkeit gemacht.
Schellen-Ursli
Die Geschichte vom Schellen-Ursli handelt von einem kleinen Jungen, der von seinem Onkel für den Chalandamarzumzug die kleinste Glocke bekommt. Alle lachen ihn aus und rufen ihm Schellen-Ursli nach. Er ist traurig, weint bittere Tränen und will es nicht akzeptieren, dass er am folgenden Tag beim Umzug am Ende mit der kleinen Glocke mitgehen muss. Plötzlich erinnert er sich an die große, schöne Kuhglocke, die in der Almhütte im Maiensäss an der Wand hängt. Ohne seine Eltern zu informieren zieht er los, durch den tiefen Schnee bis zu Almhütte. Er muss dort übernachten und im Dorf suchen alle nach Ursli. Am nächsten Tag kommt er mit der großen Glocke ins Dorf zurück. Ursli führt mit seiner Glocke den Umzug an, alle sind glücklich und vergessen sind die ganzen Ängste. Heute gibt es in Guarda den Schellen-Ursli-Weg. Die erste Verfilmung des Schellenursli stammt aus dem Jahr 1953. Unter der Regie von Xavier Koller wurde 2015 ein neuer Kinofilm über den Schellen-Ursli produziert.
Das Kinderbuch „Schellen – Ursli“ mit den ansprechenden Bildern von Alois Carigiet hat auch einen schönen Text in Reimform von Selina Chönz.
Hier einige Auszüge:
Hoch in den Bergen, weit von hier,
da wohnt ein Büblein so wie ihr.
In diesem Dörfchen, arm und klein,
ganz unten steht sein Haus allein.
…
Da kommt aus seinem Bauernhaus
gerade Onkel Gian heraus.
Er hat die Glocken schon bereit,
und jeder von den Buben schreit
nur nach den schönsten, nach den großen.
Der Ursli wird gezerrt, gestoßen,
und wie er drankommt, oh, schaut her,
die kleinste Schelle kriegt grad er!
Da weint er traurig bittre Tränen:
Jetzt muss er sich vor allen schämen.
Schon ruft die Bubenschar ihm zu:
„Der Schellenursli, der bist du;
beim Umzug wird der letzte sein
der Schellenursli ganz allein!“
…
Verlassen sitzt er da zuletzt
vor seiner Schelle ganz entsetzt.
Er möcht im Zug gern vorne sein,
nicht mit den Kleinen hintendrein,
denn vorne gehn die großen Bengel
und schütteln stolz die Glockenschwengel.
Sie gehn voran mit lautem Schall
um jeden Brunnen, jeden Stall.
Sie ziehn hinein in jedes Haus
und schellen dort den Winter aus;
dazu ertönen ihre Lieder
und grüßen froh den Frühling wieder.
Zum Danke füllt man ihre Glocken
mit Nüssen, Schnitz und Kuchenbrocken.
Die Kleinen aber müssen warten
und frieren in dem Schnee, dem harten.
Mit Kälberschellen, hintendrein,
gehn sie mit leeren Taschen heim!
Urs lässt sich nicht als Kälblein treiben;
er will kein Schellenursli bleiben!
…
Nun ist der Glockenumzug da,
und wer geht vorne dran? Hurra!
Der kleine Ursli, bim, bam, bum,
der hat die größte Glocke um!
Und alle Leute bleiben stehn
vor Freude, dass sie Ursli sehn.
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