Nationalpark Stilfserjoch: Braunbären in Südtirol 2023 - Jahresbericht des Landesamtes für Wildtierökologie

geschrieben von
Foto: Vincenzo Martegani Foto: Vincenzo Martegani

Wolfgang Platter,  am Tag des Hlg. Benedikt, 21. März 2024

Der Braunbär ist in Südtirol durch den Wolf etwas aus dem Mittelpunkt des Interesses gerückt, im Trentino als Stammgebiet der Adamello-Brenta-Bären ist die Auseinandersetzung um die Regulierung des Braunbärenbestandes aber heftig. Besonders, seit am 5. April 2023 der 26-jährige Freizeitsportler Andrea Papi bei Caldes im Trentiner Nonstal von der Bärin JJ4 getötet worden ist.
Aktuell werden im Trentino etwa 100 ausgewachsene Braunbären vermutet. Noch vor 25 Jahren galten die Tiere dort als nahezu ausgestorben. Gezielt wurden deshalb Bären aus Slowenien in das Trentino gebracht und ausgewildert.
Der Trentiner Landtag hat unlängst einem Gesetzesentwurf der Trentiner Landesregierung zur Regulierung der Bärenpopulation mehrheitlich zugestimmt. Damit sollen künftig im Trentino 8 Bären pro Jahr entnommen werden können. Tierschützer haben bereits angekündigt, dagegen gerichtlich vorgehen zu wollen. Der Trentiner Landtag fordert die Regierung außerdem auf, sich um eine Änderung der staatlichen Regelung des Pfeffersprays zur Abwehr von Bären zu bemühen. Wer aufgrund seiner Arbeit in den Wald muss, solle mit einem geeigneten Pfefferspray ausgerüstet werden, um sich gegen Bärenattacken wehren zu können. Aber auch bei den Mülltonnen will der Landtag eine Änderung. Künftig sollen Mülltonnen in betroffenen Gebieten bärensicher gemacht werden. Bären sollen dann nicht mehr imstande sein, darin herumzuwühlen.
Der Jahresreport 2023 der Trentiner Landesverwaltung über die Großen Beutegreifer Wolf und Braunbär ist derzeit in Ausarbeitung. Er wird voraussichtlich im April zur Verfügung stehen. Dann werde ich auf diesen Bericht zurückkommen, weil die Populationsentwicklung dieser beiden fleischfressenden Tierarten auch für Südtirol von großem Interesse ist.

Südtiroler Bärenbericht 2023
Bekanntlich halten sich die Bärinnen mit ihren Jungen aus der trentiner Adamello-Brenta-Polulation nach wie vor in einem relativ eng umgrenzten Stammgebiet im Trentino auf, während die männlichen Jungbären weit herumstreifen und schon bis in den süddeutschen Raum vorgedrungen sind. Geschlechtsreife Bärinnen setzen alle zwei Jahre in der Winterruhe einen Wurf und vertreiben dann m75die eigenen Jungen des vorausgehenden Wurfes. Bärinnen, welche Junge führen, meiden die Männchen, weil Bärenmännchen nämlich Bärenjunge töten, damit die Bärin möglichst schnell wieder brunftig wird.
Unlängst ist der Südtiroler Bärenbericht über das Jahr 2023 erschienen. Dessen Autor ist Martin Stadler vom Landesamt für Wildtiermanagement. Im abgelaufenen Jahr konnten durch das genetische Monitoring in Südtirol drei Braunbären nachgewiesen werden: Es waren dies die Männchen M 75, M 84 und M 107.

Das Bärenmännchen M 75
Von diesem Bären schreibt Martin Stadler für die Jahre 2022 und 2023 folgendes:
2022: „Dieser männliche Bär (geboren 2020, Eltern: F4 und M18) wurde bereits im Jahre 2021 in Südtirol nachgewiesen. Den Winter 2021/22 verbrachte er in der Provinz Trient, was eine genetische Probe im Oktober 2021 ergab. Im Jahr 2022 tauchte M75 Mitte Mai im Gebiet von Tarsch erneut in Südtirol auf. Bei einem Übergriff auf einen Bienenstand konnten Haare gesammelt werden. Seine Wanderung führte ihn weiter über das Martelltal Richtung Vinschgau. Sein vorläufig letzter Nachweis war im Gebiet von Laas, wo er am 20. Mai 2022 ein Schaf gerissen hat. Ob M75 weiter nach Österreich oder die Schweiz gewandert ist, kann nicht bestätigt werden. Sicher ist jedoch, dass Ende Juli im Gemeindegebiet Mals auf orografisch linker Seite Schafe von einem Bären gerissen wurden. Weitere Nachweise gab es Mitte August im Schnalstal. Auch hier wurden Schafe gerissen und eine eindeutige Bärenspur dokumentiert. Ein zerstörter Siloballen Ende September in Jenesien und eine Fotofallenaufnahme Mitte Oktober auf dem Ritten waren im Jahr 2022 die letzten Nachweise des großen Sohlengehers in Südtirol. Aufgrund der chronologischen Reihenfolge der aufgezählten Nachweise und der genetischen Probe Im April 2023 kann angenommen werden, dass der Bär M75 für diese verantwortlich war. Weiters kann bestätigt werden, dass dieser Bär den Winter 2022/23 im Gebiet Sarntal – Ritten überwintert hat.“
2023: Nach seinem Auftauchen auf der Villanderer Alm wanderte M75 wie bereits erwähnt weiter nach Barbian und Ritten. Dort konnte seine Anwesenheit bis Anfang Mai mehrmals bestätigt werden. Dann machte er sich auf Richtung Norden. Am 14. Mai fand man unterhalb des Zinselers in der Gemeinde Freienfeld Spuren. Der nächste Nachweis erfolgte in der Gemeinde Moos in Passeier. Oberhalb der Timmelsalm wurden einige Schafe gerissen. Die gesammelte DNA-Probe ergab als Verursacher den Bären M75. Auch auf österreichischer Seite knapp hinter der Grenze wurden Spuren eines Bären gefunden. Nach diesem Abstecher in den Norden kehrte M75 im Juli wieder auf den Ritten zurück. Dort plünderte er am 18. Juli einen Bienenstock. Weitere Nachweise erfolgten Ende August bis Ende September im Flaggertal und Schalderertal. Neben einer Sichtung wurden in diesem Gebiet einige Schafe gerissen. Der letzte Nachweis des Bären M75 erfolgte wiederum in der Gemeinde Ritten, unweit jener Stelle, wo er auch im Herbst 2022 mittels einer Fotofalle aufgenommen wurde. Auf einer Forststraße konnten eindeutige Bärenspuren nachgewiesen werden. Vermutlich wird M75 auch 2023/24 in dieser Gegend überwintern.“

Das Männchen M 84
Dieser Bär ist im Jahr 2022 von den Eltern F 7 und M 18 geboren worden. Er wurde in Südtirol anhand von Haarproben erstmal am 17. April 2023 auf Eppaner Gemeindegebiet genetisch identifiziert. Von dort wanderte er zurück in das Trentino, wurde dort von einem Auto angefahren, blieb aber unverletzt. Am 14. Mai 2023 konnte M 84 erneut in Südtirol genetisch identifiziert werden, 180B1 Alessandro De Guelmials er in Marling einen Bienenstand plünderte. In den darauffolgenden Tagen kamen es zu weiteren Übergriffen auf Bienenstände in Tscherms und Lana. Weitere Nachweise dieses Bären gab es nochmals in Eppan und am Fennberg in der Gemeinde Kurtatsch. Dort tappte M 84 in eine Fotofalle und scheuerte sich am dortigen Kratzbaum. Die Strecke von Marling bis Fennberg (Luftlinie 46 km) hat der Bär innerhalb von fünf Tagen zurückgelegt. Aus Südtirol kehrt der Bär in den trentiner Sulzberg (Val di Sole) zurück, wo er im November 2023 das letzte Mal nachgewiesen wurde.
Weitere Nachweise des Braunbären gab es 2023 im Montiggler Wald, in Tisens, St. Felix, Ulten und Martell. Am Fennberg oberhalb von Kurtatsch konnte ein zweiter Bär genetisch bestätigt werden. Es handelt sich um das Männchen M 107. Dieses Tier konnte das erste Mal genetisch erhoben werden.

Gelesen 1331 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 23-24

titel Vinschgerwind 22-24

titel vinschgerwind 21-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.