Schlanders/Basis Kasino - Der Klimawandel in den Alpen bewegt sich bereits auf +3 Grad zu. Wenn wir in den nächsten 15 Jahren die Wende nicht schaffen, ist das Klima nicht mehr stabilisierbar. Das war eine der zentralen Aussagen von Franz Fischler, dem EU Agrarkommissar a.D. bei einer Diskussionsrunde über die Zukunft der Landwirtschaft am 8. September in Schlanders.
Zu dieser Diskussionsrunde im Kasino von Schlanders luden Europe Direct, das Landesinformationszentrum über die EU und Basis Vinschgau ein. Die sehr gut besuchte Veranstaltung war ein Side Event (eine Nebenveranstaltung) der Sustainability Days, die vom 6. bis 9. September in Bozen stattfanden. An der Diskussion beteiligten sich neben Franz Fischler auch der Landesrat Arnold Schuler, Kathrin Plunger vom Versuchszentrum Laimburg und die beiden Bäuerinnen Anja Matscher Theiner vom Lechtlhof in der Gemeinde Mals und Gerda Platzgummer Wellenzohn vom Huterhof in Schlanders. Franz Fischler meinte, dass es bei der Nachhaltigkeit um die Balance zwischen wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit geht. Dafür gibt es keine Patentrezepte. Notwendig sind offene Diskussionen. Die Landwirtschaft ist nach Fischler vom Klimawandel am massivsten betroffen, kann aber auch den größten Beitrag zur Eindämmung leisten. Notwendig ist die Wiederherstellung der Kreislaufwirtschaft. Die Digitalisierung ist von zentraler Bedeutung. Für die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe in den Alpen gibt es zwei Möglichkeiten: entweder die Bauern üben einen zweiten Beruf aus oder viele Dienste im Bereich der Landschaftspflege werden von der öffentlichen Hand vergütet. Durch Qualitätssiegel muss man versuchen die Konsumenten zu gewinnen. LR Arnold Schuler meinte, dass sich Südtirol in relativ kurzer Zeit von einer armen Region zu einem reichen Land entwickelt hat. Doch nun sind Wachstumsgrenzen im Tourismus, in der Obst- und in der Milchwirtschaft erreicht. Wir müssen die Forschung stärken und mehr auf Nischenprodukte setzen. Transportwege sollten verringert und die Absatzmöglichkeiten vor Ort ausgebaut werden. Wir müssen auch weg kommen von der Wegwerfmentalität. Die Landwirtschaft der Zukunft wird anders sein, meinte Schuler, aber die ureigenste Aufgabe wird bleiben: nämlich gesunde Nahrungsmittel zu produzieren.
Kathrin Plunger vom Versuchszentrum Laimburg erläuterte das Forschungsprogramm der Laimburg. Es gibt fünf Schwerpunkte, um auf den Klimawandel, die Wasserknappheit und andere Herausforderungen zu reagieren: digitale Innovation, Qualität und Gesundheit, lokale Vielfalt und Kreisläufe, klimaneutrale Landwirtschaft und nachhaltige und resiliente Anbausysteme. Außerdem berichtete sie über das EU Projekt LIDO, ein digitales Freilandlabor für den Obst- und Weinbau. Sehr konkret berichteten die beiden Bäuerinnen über ihre Höfe, die Vorzüge, Herausforderungen und Zukunftsvorstellungen. Anja Matscher ist Biobäuerin auf dem Lechtlhof auf 1400m Meereshöhe. Sie bieten in zwei Ferienwohnungen Urlaub auf dem Bauernhof an, halten außerdem 10 Kühe auf dem 12 ha großen Hof. Matscher sieht sich als Werbeträgerin für eine nachhaltige Landwirtschaft und als Hüterin der Bergbauernkultur, wofür sie aber nichts bezahlt bekommt. Die Arbeit ist vielfältig, aber auch herausfordernd. Matscher nennt drei große Schwierigkeiten. Einmal fehlen Geldmittel für größere Investitionen in neue Maschinen und Gebäude. Groß sind die Arbeitsbelastungen und immer größer und komplizierter wird auch die Bürokratie. Die Rahmenbedingungen müssen stimmen, vom Idealismus kann kein Bauer leben, meinte die Bäuerin. Leonhard Wellenzohn, der Mann von Gerda Platzgummer, hat mit 19 Jahren nach dem Tod seines Vaters, den Hof übernommen und 1994 auf Bio umgestellt. Anfangs war es schwierig, doch in der Zwischenzeit wird der Hof bereits in der 5. Generation geführt. Auf dem 7 ha großen Biohof wird hauptsächlich Obst angebaut, aber auch etwas Wein, Kartoffel und Gemüse. Das Hinarbeiten auf noch mehr Biodiversität wird in Zukunft wichtig, auch die Schaffung von Nischen für Insekten und das Anlegen von Blühstreifen und Hecken. Der Einsatz neuer Geräte kann zu mehr Nachhaltigkeit führen. Sie appellierte an die Eigenverantwortung der Produzenten und Konsumenten. In der Diskussion wurden Fragen nach der Vielfalt in der Landwirtschaft, dem Abbau der Butterberge und Milchseen, dem Wert der Natur und dem Schutz der Böden gestellt. (hzg)