Buchbesprechung
Joseph Zoderer:
Bäume im Zimmer. Gedichte.
Haymon Verlag: Innsbruck 2022. 88 S.
Mag sein, dass sich diese Gedichte jetzt, nach dem Tod von Joseph Zoderer, anders lesen. Für mich sind sie auf Abschied gestimmt, wobei der schmale Band schon seit einigen Monaten in den Buchhandlungen aufliegt. Der Schriftsteller mit dem Hut und den eindringlichen Romanen („Das Glück beim Händewaschen“ und „Die Walsche“ u. v. a.) als Markenzeichen konnte seine jüngsten Gedichte kaum mehr öffentlich präsentieren. Ende Mai hat er noch in der Alten Schmiede in Wien gelesen, am 1. Juni 2022 ist er 86-jährig im Pustertal verstorben.
In „Bäume im Zimmer“ sitzt das lyrische Ich in einem Zimmer fest, das sinnbildlich für die Isolation und die enge Welt des Rückzugs steht. Doch die Vorstellungskraft weitet es dennoch ungeheuer, ja belebt es: Da verlieben sich Bäume, in kräftigen, erdigen Farben verknotet sich die Pflanzen- mit der Tierwelt. Tamariske, Olivenbaum, Lamm, Ameise, Fisch. Zoderer lässt in seiner Choreographie die Zimmer tanzen und sucht in dicht verwobenen, aber äußerst knappen Naturbildern das Leben in seinen diffusen Zwischenwelten und lieblichen Zwischentönen. Nicht ohne die Un-Zeit von Dunkel und Abschied, die Nicht-Zeit von Warten und Träumen als Gegenwelt aufzuspannen. „Ich kenne mein Ziel nicht / so kenne ich auch / kein Verirren / Vielleicht ist Ankommen / auch Abschied“. Ausgesprochene Ruhe liegt in dieser Lyrik. Vielleicht ist sein letztes das sanfteste Werk des Schriftstellers. „Als ob es kein Ende gäbe / singen die Vögel nur vom Jetzt“ – wie schade, dass dieses Jetzt nun ohne Joseph Zoderer auskommen muss. Auf seine mahnende Stimme, auf seine ausgearbeiteten Texte ist Verlass gewesen.
Maria Raffeiner