Aus dem Gerichtssaal - Den nebenstehenden Artikel vom August 1941 aus der „Alpenzeitung“, dem faschistischen Blatt für die deutschen Südtiroler, hat Herbert Raffeiner aus Tschengls ausgegraben und mir zugespielt. Er hat mir damit gleich mehrere Flöhe ins Ohr gesetzt. Der Bericht regt nämlich zu einer Betrachtung nicht nur des lokalen, sondern auch des italienischen und europäischen Zeitgeschehens an. Da erfährt man schon mal, dass der Kriegsheimkehrer Satto Vittorio der Sohn des Pächters von „Castel Monte Mezzodì“, also von Schloss Schlandersberg ist, das sich damals im Eigentum des „Ente Tre Venezie“ befand. Zu den Aufgaben dieser faschistischen Körperschaft gehörte es, auch den ländlichen Raum Südtirols mit Italienern zu besiedeln. Weiters informiert das regimetreue Blatt, dass der Kriegsinvalide 1940/41 in Albanien am Feldzug gegen Griechenland teilgenommen hat und ihm „in treuer Pflichterfüllung“ in den albanischen Bergen beide Beine abgefroren waren, sodass sie ihm amputiert werden mussten. Der kriegsversehrte Heimkehrer wurde zwar mit allen militärischen Ehren am Bahnhof von „Silandro“ empfangen. Die Begrüßungszeremonie macht jedoch die ganze Verlogenheit des Systems deutlich. Zuerst schickt der oberste Kriegsherr Mussolini, der es seinem großen Bruder Adolf gleichtun will und nach einem Blitzsieg dürstet, eine schlecht ausgerüstete Armee von ca. 250.000 Mann Ende Oktober 1940 in Sommeruniformen von den Bergen Südalbaniens aus gegen Griechenland los. Das Ganze galt nach offizieller Sprachregelung als „passeggiata“, als Spaziergang, wollte man doch 10 Tage später bereits auf der Akropolis stehen. Die Italiener hatten jedoch nicht mit dem erbitterten Widerstand der Griechen gerechnet, die nahezu alle verfügbaren Truppen ins Gefecht warfen und ihren Vormarsch stoppten. Und dann begann der bitterkalte albanische Winter, auf den die italienischen Truppen überhaupt nicht vorbereitet waren und der sie arge Verluste kostete. Der arme Satto war nur ein trauriges Beispiel und das Opfer militärischer Großmannssucht, die für die Italiener sogar noch böse Folgen gehabt hätte, wäre nicht im Frühjahr 1941 der Große Bruder in Griechenland einmarschiert. Er und viele andere waren zwar die Leidtragenden der militärischen Abenteuerlust des Duce, den Griechen bescherte der tapfere Widerstand gegenüber den Italienern jedoch ein neuzeitliches Marathonerlebnis und einen zweiten Staatsfeiertag, den 28. Oktober, den Tag des „Ochi“, des Nein. Am gleichen Tag des Jahres 1940 beantwortete nämlich der damalige griechische Staatspräsident Metaxas um 12 Uhr in der Nacht die Kapitulationsaufforderung des italienischen Botschafters mit diesem legendären einen Wort.
Der erste und größte griechische Nationalfeiertag hingegen ist der 25. März, nämlich der Tag vor nunmehr 200 Jahren, an dem der Erzbischof Germanos von Patras die Flagge des Freiheitskampfes weihte: ein blaues Kreuz auf weißem Grund mit der Inschrift: „Freiheit oder Tod“. Darauf begann mit kirchlichem Segen der Aufstand der Hellenen gegen das Osmanische Reich. Diese Jubiläumsfeiern lassen sich die leidgeprüften Griechen auch durch Corona nicht vermiesen!
Peter Tappeiner,
Rechtsanwalt
Verwendete Literatur:
- Johannes Gaitanides, Griechenland ohne Säulen, Fischer 1980;
- 200 Jahre griechischer Unabhängigkeitskrieg, Süddeutsche Zeitung, 19. März 2021.