Aus dem Gerichtssaal - Italien ist sicher kein schlanker Staat. Er ist vielmehr der Inbegriff einer überbordenden und zumeist schwerfälligen Bürokratie. Und das nicht erst seit den Coronazeiten. Da hat er sich geradezu überschlagen in einer täglichen Flut von schwer verständlichen und sich teils widersprechenden Verordnungen. Das könnte man ja mit einer gewissen Gelassenheit ertragen, wenn diese Maßnahmen nicht tiefgreifend in alle Lebensbereiche eingriffen und deren Nichtbeachtung mit empfindlichen Sanktionen verbunden wären. Mit deren Vollstreckung sind traditionellen Ordnungshüter (Polizei, Carabinieri, Finanzer) aber auch die örtlichen Hilfssherrifs betraut, wobei letztere sich meist durch besonderen Eifer hervortun. Zu traurigem Ruhm haben diese es anlässlich des ersten Lockdowns im Frühjahr gebracht, als sie Spaziergängern auf der Promenade in Schlanders auflauerten und mit Bußgeldern belegten, nur weil einige die 200-Meter-Marke von ihren Wohnungen übertreten hatten. Die Krönung dieses perversen Ordnungssinnes musste vor ein paar Tagen ein Gastwirt aus Mals erleben: Kurz vor der Sperrstunde kam ein Zivilist ins Lokal und bat den Inhaber, ihm noch schnell einen Kaffee zu machen. Als er ihn ausgetrunken hatte, gab er sich als Carabiniere zu erkennen und beanstandete, dass ihm der Wirt den Kaffee ohne Gesichtsmaske verabreicht hatte. Die Sanktion: 1.000 Euro Geldbuße und 1 Monat Schließung des Lokals! Und dies alles unter Anwendung von Spitzelmethoden, wie sie der Stasi alle Ehre gemacht hätten. Die Steigerung ist nur noch das Einschreiten von Polizei als Folge von Denunziation durch Nachbarn!
Ein Staat, der mit solchen Methoden seinen Bürgern begegnet, schafft kein Vertrauen, schon gar nicht, wenn sie sich als Opfer von obrigkeitlicher Willkür fühlen müssen.
In diesem Zusammenhang fällt mir immer unser Nachbarland ein. Es ist geradezu wohltuend, wenn man in der Schweiz mit staatlichen oder kantonalen Behörden zu tun hat. Deren zielgerichtete Hilfsbereitschaft ist für uns ungewohnt und lässt erkennen, dass die demokratischen Einrichtungen dort tiefe Wurzeln geschlagen haben und dass der Bürger der Souverän und nicht der Untertan ist. Dabei ist die öffentliche Verwaltung keineswegs aufgebläht, im Gegenteil, der schweizer Staat ist schlank, doch deswegen nicht weniger effizient. Und eine Redewendung ist dort gebräuchlich, die unseren Bürokraten nur schwer über die Lippen kommt: „Was kann ich für Sie tun?“
Peter Tappeiner, Rechtsanwalt
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