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Auf dem Hof von Günther Wallnöfer und Karin Dietl in Laatsch wird Gemüse nicht nur angebaut, sondern auf den Tisch gebracht, genauer gesagt ins Glas. Mit anderen Worten: Der Bauernhof ist nicht nur Bio-Bauernhof, sondern veredelt besondere Delikatessen,
die sich einer großen Nachfrage erfreuen.

von Angelika Ploner

Ursprünglich dachten Karin Dietl und Günther Wallnöfer an Yoghurt. Die Veredelung der Milch zu Joghurt sollte ein weiteres Standbein für den Bauernhof sein, und gleichzeitig den landwirtschaftlichen Bio-Betrieb diversifizieren. Aus Joghurt wurde schlussendlich Gemüse im Glas. Gemüse süß-sauer, Essiggurken, Radicchioaufstrich, Zucchiniaufstrich und Rote-Beete-Salat listet die Produktpalette von „Hoamisch“. Der Name ist kein Zufall. Im Gegenteil. „Hoamisch“ ist ein Name der eng verwandt mit dem Begriff Heimat ist und der jenes Wohlgefühl ausdrücken soll, das Heimat gibt. Vertrauen und Geborgenheit schenken. Und auch ein bisschen Stolz. „Wir schätzen das, was wir hier haben und das wollen wir auch nach außen tragen“, sind sich Karin und Günther einig.
Der Schriftzug „Hoamisch“ trägt die Farbe Blau. Die Farbe des Wassers. Wasser ist Leben, diese Erkenntnis hat sich heuer vor dem Hintergrund von Wasserknappheit bei jedem eingeprägt.

Bei Günther und Karin ist dieses Bewusstsein schon lange da, eigentlich immer da gewesen. Das Logo, der Abdruck eines Schweinefußes, trägt verschiedene Farben – die Farben vom Gemüse. „Die Farben unseres Logos stehen vor allem für unsere verschiedene Gemüsesorten Kartoffel, Karotten, Gurken, Zucchini“, sagt Karin, „das Braun symbolisiert außerdem die Erde, ohne die wir nicht arbeiten könnten. Sie liefert uns die Nährstoffe für all unsere Wiesen und Äcker.“
In der kleinen Verkaufstheke im Erdgeschoss des Wohnhauses stehen die Produkte einträchtig nebeneinander. Der Inhalt ist so bunt, wie die Natur selbst. Seit fünf Jahren veredelt man nun schon das eigene Gemüse. Angebaut wird dieses in einem kleinen Acker unweit vom Wohnhaus entfernt. Natürlich ohne Pflanzenschutz. „Wir verwenden auch keinen biologischen Pflanzenschutz“, erklärt Günther. Natur pur wird verarbeitet. Kostbare Bodenschätze hervor gebracht.

In jedem Glas steckt viel Arbeit. Mühevolle Arbeit verbunden mit unzähligen Stunden. Natürlich ist die Freude groß, wenn das Glas gefüllt und der Deckel verschraubt ist, sagt Karin Dietl. Der Weg dahin ist aber ein langer. Ernten, zubereiten, pasteurisieren, abfüllen, etikettieren, lagern. Alles von Hand. Und natürlich ohne chemische Zusatzstoffe.
Die kleine Verarbeitungsküche im Erdgeschoss ist ein Überbleibsel des alten Wohngebäudes und auch Kreativlabor, wenn man so will. Hier hat Karin getüftelt und probiert, bis ein geschmacklich ausgewogenes Rezept und eine stimmige Geschmackskombination gefunden waren. Bis es soweit war, vergingen fast zwei Jahre. „Viele mussten meine Produkte viele Male verkosten,“, schmunzelt Karin. Am öftesten traf es Günther.
Der Weg war ein holpriger. Vor dem Hintergrund von unzähligen bürokratischen Auflagen wäre es oft einfacher gewesen aufzugeben. „Ich hätte nicht nur einmal lieber alles hingeschmissen“, erzählt Karin, um dann doch irgendwie weiterzumachen.

Wenn die Produkte nachgefragt sind und mit Aufmerksamkeit beschenkt werden, ist das der Mühe schönster Lohn. Die Produkte von „Hoamisch“ gehen weg wie die sprichwörtlich warmen Semmeln. Anfragen kamen jüngst sogar aus Deutschland. „Das klingt verlockend, aber entspricht nicht unserer Philosophie,“ sind sich Karin und Günther einig. Die Philosophie von Karin und Günther kommt ohne Selbstzweck aus. Man denkt in regionalen Kreisläufen, kurzen Wegen, schont Ressourcen und arbeitet mit der Natur. Lokale Anbieter, wie die BGO, die Bürgergenossenschaft Vinschgau, Biokistl, Naturalia oder der Bauernladen Mals vertreiben die Produkte von „Hoamisch“.

Günther Wallnöfer ist kein Unbekannter, er ist ein Pionier in der biologischen Landwirtschaft im Obervinschgau. Der Bauernhof selbst hat keinen Namen, es ist der Bauernhof vom Mala Günther. Im Jahr 2006 stellte er diesen auf biologische Landwirtschaft um. Original Braune ist jene Rasse, die es ihm angetan hat. Zu den über 20 Milchkühen hier, die gerade von der Gonda, der Schleiser, Laatscher und der Melager Alm von der Sommerfrische zurückgekehrt sind, kommen die Ammenkühe im Stall. Zur Erklärung: Ammenkühe sind jene Kühe, die jedes Kalb trinken lassen und nicht nur das eigene. Mit den Kühen kam auch der Almkäse. Er steht zusammen mit den Gemüse-Delikatessen zum Verkauf. Und ganz nebenbei bemerkt: Jener der Gondalam und Schleiser Alm wurde jüngst mit Gold beim Käsefestival in Galtür ausgezeichnet.
Dass das Tierwohl bei Günther Wallnöfer an erster Stelle kommt, versteht sich von selbst. Die Kühe dürfen sich frei bewegen und für den Transport bei einer Schlachtung sorgt er selbst. Zu den Kühen gesellen sich Schafe, Hühner und Schweine. Sie bekommen Bio-Getreide und jene Abfälle, die von der Gemüseveredelung übrig bleiben. Kreislaufwirtschaft eben. Kreisläufe so gut es geht schließen. Alles so gut wie möglich verwerten. Und genau hier reiht sich die Gemüseveredelung nahtlos ein. Und bringt kostbare Schätze ins Glas.

Beim Oberschlossbauer auf dem Juvaler Hügel gibt die Sonne den Ton an. Hier oben - vis à vis vom Schloss Juval - wohnt auf knapp 1.000 Meter die Familie Blaas-Viertler und ist mit Reinhold Messner, wenn man so will, auf Augenhöhe.

von Angelika Ploner

Erika Blaas und Florian Viertler erinnern sich noch gut, als sie damals, 1984, den Oberschlossbauer übernommen haben. Der Bauernhof auf dem Juvaler Hügel war schon viele Jahre nicht mehr s44 6388bewirtschaftet worden, Haus und Stadel waren verwaist, Vieh oder Geräte keine vorhanden. „Da war weder ein Hammer noch eine Sense oder irgendetwas, mit dem man hätte anfangen oder arbeiten können“, erinnert sich Florian. Er selbst war gelernter Elektriker, Erika im Gastgewerbe tätig. Erfahrungen in der Landwirtschaft hatten beide keine, heute würde man sagen: Die zwei waren komplette Quereinsteiger.
Man hätte es einfacher haben können, und ging den schwierigeren, dafür aber letztlich lohnenderen Weg. Zur Hochzeit bekamen Erika und Florian ihre erste Kuh geschenkt. Mit dem Ersparten kaufte man sich eine Mähmaschine und eine weitere Kuh. Später kam ein Transporter dazu, damit zumindest das Heu gemäht und eingebracht werden konnte. „Wir hatten eigentlich immer Glück“, lacht Erika zurückblickend. In den Anfangsjahren hätte man immer Kuhkälber bekommen, was den Viehbestand stetig erhöhte. Mit der ersten Milch machten die beiden Butter, wenig später lieferte man die knapp 50 Liter an den Meraner Milchhof. Heute sind es weit über 200 Liter, die vom Milchtransporter jeden Morgen am Fuße des Juvaler Hügels abgeholt und nach Meran geliefert werden. Die Milch stammt von 12 Milchkühen, insgesamt stehen rund 18 Stück Vieh im Stall.
Nein, bereut haben sie es nie, hier herauf gezogen zu sein. Erika Blaas und Florian Viertler sind glücklich hier und ein eingespieltes Team. Fast jedes Jahr wurde investiert, eine landwirtschaftliche Maschine gekauft, Wiesen planiert, Stadel und jüngst das Haus saniert. Das Holz holte man großteils vom eigenen Wald, so gut es ging wurde in Eigenregie gearbeitet - mit großer Unterstützung der drei Kinder. Heute leben auf dem Oberschlossbauer nicht nur Kühe, sondern auch Schweine, Hühner, ein Hund, Katzen.

Bereits damals, 1985, wurden die Weichen gestellt, den Oberschlossbauer als gemischten landwirtschaftlichen Betrieb zu führen. In Hanglage auf dem Juvaler Sonnenberg, südseitig, pflanzten Erika und Florian vor über 30 Jahren einen Weinberg in einer Höhe von 920 Meter mit den ersten Müller-Thurgau Reben an. Diese tragen bis heute und wurden erst vor kurzem gelesen.
Die Müller-Thurgau-Anlage ist einer von zwei Weinbergen, die insgesamt hier am Oberschlossbauer s44 6381bearbeitet werden. Zum Müller Thurgau gesellt sich nämlich der Riesling. „Der Riesling ist eher ein herber Wein, der Müller-Thurgau hingegen ein fruchtiger Wein“, erklärt Florian. Auf den heurigen Wein freut man sich besonders, denn der sonnige, trockene Sommer schuf die besten Voraussetzungen für eine hohe Traubenreife, gute Fruchtausprägung und lebendige Säurestruktur.

Vinschger Riesling DOC trägt der Riesling vom Oberschlossbauer, der Müller-Thurgau hingegen nennt sich Schlossegger Weisser und darf nicht als DOC-Wein ausgewiesen werden. Der Grund liegt in der Höhe. Weil der Weinberg um 20 Meter oberhalb von 900 Meter liegt, darf der Wein nicht als DOC Wein mit geografischem Bezug ausgewiesen werden. So lauten die Regeln.
Um den Herausforderungen des modernen Weinbaus gerecht zu werden, pflegt man schon viele Jahre eine Zusammenarbeit mit der Familie Aurich vom Unterortlhof am Juvaler Hügel. Martin Aurich baut den Wein in Edelstahlfässern aus und bringt ihn auf die Flasche. Aurich ist Meister seines Fachs und mit unzähligen Auszeichnungen prämiert worden, deshalb hat man mit ihm einen ausgezeichneten Partner – auch im wörtlichen Sinne – gefunden.
Rotweinsorte gedeiht auf den Flächen des Oberschlossbauers keine. „Wir haben es versucht, aber die Trauben reifen nicht richtig aus,“ erzählt Florian. Dafür gedeihen Marillen hier besonders gut.
Um die Produktpalette so breit als möglich zu halten, hat man auf einem halben Hektar Marillen, vorwiegend die Original Vinschger Marille, angebaut. Diese Sorte ist prädestiniert für die Lage, auf die sich der Oberschlossbauer befindet und zeichnet sich durch eine hochstehende Qualität aus.
Es ist eine privilegierter Lage hier oben auf dem Juvaler Hügel. Die zwei Weißweine – der Vinschger Riesling DOC und der Schlossegger Weisse - dürfen mit herrlichem Ausblick auf Schloss Juval im s44 6403neuen Verkaufsraum verkostet und gekauft werden. Im Mai diesen Jahres wurde der Ab-Hof-Verkaufsraum mit einer kleinen Feier eröffnet, der mit großer Unterstützung der drei Kinder von Erika und Florian verwirklicht wurde und ganz nebenbei auch Geschichte sichtbar macht.
Die alte Mauer im Verkaufsraum ist ein stummer Zeuge aus vergangenen Zeiten und stammt aus dem Jahr 1860. Es ist jene Zeit, in der der Oberschlossbauer Schätzungen zufolge erbaut wurde. Altholz hat im Verkaufsraum gleich mehrmals Einsatz gefunden: Zum Sitzen und als Blickfang für die Weinpräsentation. Und auch die Glocke, die einen prominenten Platz auf dem Dach des neuen Hauses am Oberschlossbauer gefunden hat und aus dem 13. Jahrhundert und von Schloss Juval stammen dürfte, legt geschichtliches Zeugnis ab. Seit fast 200 Jahren ist der Oberschlossbauer im Besitze der Familie Blaas, eine Tradition, die fortgeführt wird. Die nächste Generation blickt mit vielen neuen Ideen in die Zukunft.

Der Clubapfel Ambrosia™ hat seinen Namen von der Speise der Götter im antiken Griechenland. Diesen trägt er aus guten Gründen: Der Premium-Apfel ist saftig, sehr knackig, extra süß und schmeckt nach Honig und Nektar.

Das Apfelparadies Vinschgau punktet in aller Welt mit seinem vielfältigen Sortiment an Apfelsorten. Neben den bewährten Klassikern werden im Vinschgau vermehrt auch Vertragssorten angebaut. jld ambrosia 6892Einer dieser so genannten Clubäpfel ist Ambrosia™, der seit 2014 im Vinschgau eine Heimat gefunden hat. Der Premium-Apfel wird auf zirka 200 Hektar angebaut, davon 15 Hektar im Bio-Anbau. In Italien wird diese Apfelsorte nur hier sowie im Piemont gepflanzt.

Der Ambrosia™-Apfel entstand als natürliche Kreuzung im kanadischen Staat British Columbia. Anfang der 1990er-Jahre entdeckten Sally und Wilfried Mennell, dass auf einem ihrer Bäume andere Äpfel wuchsen: Der zweifarbige Ambrosia™ mit leuchtend roter Deckfarbe auf gelbem Hintergrund ist das Ergebnis einer natürlichen Mutation von einem roten und einem gelben Apfel.

Im Vinschgau wird Ambrosia™ zirka fünf Tage nach dem Golden Delicious geerntet, also gegen Ende September. Bis wenige Wochen vor der Ernte hat der Apfel eine grünliche bis hellgelbe Grundfarbe. Dann erfolgt eine zauberhafte Verwandlung: Eine Apfelhälfte färbt sich leuchtend Rot. Mit diesen roten Wangen ist der Ambrosia™ echt zum Anbeißen!

Nicht nur Kinder lieben diesen besonders süßen Apfel, der die gesunde Jause wortwörtlich zum Zuckerschlecken macht. Auch Erwachsene beißen gerne in die feuerrote Backe des Ambrosia™. Der Apfel duftet nämlich nicht nur außerordentlich süß, er schmeckt auch so. Der Premium-Apfel zeichnet sich durch sein intensives Aroma nach Honig und blumigem Nektar aus. Zur Süße bringt er Ambrosinoch fruchtige Noten von Honigmelone, Birne, Mango und etwas Aprikose mit, die im Gaumen lange anhalten. Die nicht vorhandene Fruchtsäure sorgt dafür, dass der Apfel leicht verdaulich ist. Ambrosia™ besitzt zudem eine sehr dünne Schale und ein ausgesprochen feinstrukturiertes Fruchtfleisch, das sanft auf der Zunge schmilzt.

Die Sorte Ambrosia™ wird in Europa exklusiv von VIP und Gruppo Rivoira aus dem Piemont vermarktet und ist von Oktober bis Mai verfügbar. Ab Oktober ist der honigsüße Dessertapfel auch in allen Detailgeschäften der Genossenschaften im Vinschgau und in ausgewählten Supermärkten erhältlich.

 

Neuartige Präsentation der Vinschger Äpfel

VIP zeigt den Apfel von einer neuen Seite. Die Geschmackswelt jeder Sorte wird ausführlich
beschrieben. Damit lernen wir den Apfel neu kennen, finden leichter unseren Lieblingsapfel
und können ihn intensiver genießen.

Mit roter, gelber oder grüner Schale, eher süß oder eher sauer. Bislang hat man die Apfelsorten nur nach ihrer Farbe und im besten Falle nach ihrer Geschmacksrichtung beschrieben. Dabei hat ein Apfel viel mehr zu bieten: Zum einen unterscheidet sich jede Sorte durch ihre ganz eigenen geschmacklichen Besonderheiten. Zum anderen stecken in den Äpfeln über 300 verschiedene Aromen. Alle diese Eigenschaften wurden in Vergangenheit mit einem Apfel nicht in Verbindung gebracht.

Mit einer neuen Apfelpräsentation zeigt VIP nun die Vielfalt der Geschmacksrichtungen der einzelnen Sorten und erläutert deren Unterschiede. Ganz so, wie es beim Wein bereits seit Jahren der Fall ist. Das Produkt Apfel erhält dadurch einen viel höheren Stellenwert. Der Apfel wird zu einem bewussten Geschmackserlebnis. Außerdem lassen sich die Apfelsorten somit unterscheiden und jeder findet leichter seinen Lieblingsapfel.

Doch wer weiß schon, auf was man beim Genießen eines Apfels achten kann? Wie nehme ich die Aromen und den Duft war? VIP hat gemeinsam mit der Schweizer Sensorikwissenschaftlerin Christine Brugger anschauliche Beschreibungen der Apfelsorten verfasst: welcher Geschmack und Geruch sie auszeichnet, wie sie aussehen und worin ihre inneren Werte bestehen. Die Beschreibungen haben fundierte wissenschaftliche Analysen als Basis. Und sie machen richtig Lust darauf, verschiedene Apfelsorten auszuprobieren.
Mit dem eigens entwickelten Aromarad kann man dann die Geschmackswelten der Äpfel entdecken. Das Rad beschreibt die Textur, die Geschmacksnuancen und die Aromen eines Apfels. Die vielfältigen Aromen sind in sechs Aromagruppen eingeteilt: fruchtig, blumig, tropisch, zitrus, grün und würzig. Beim Verkosten eines Apfels hilft das Aromarad, die sensorischen Eigenschaften zu ergründen: Ist er knackig und saftig? Schmeckt er fruchtig oder würzig, nach Honig oder nach Zitronenschale? Wer es ausprobieren möchte: Das Aromarad lässt sich auf der Webseite www.lasaporeria.it herunterladen.
Auf La Saporeria können Apfelfans auch verschiedene Apfel-sorten aus dem Vinschgau online bestellen. Die gewünschten Apfelboxen werden dann in ganz Italien ausgeliefert. Spannend ist diese Möglichkeit auch, um neue Sorten auszuprobieren, die in den Geschäften noch gar nicht erhältlich sind. Den ersten Apfelsommeliers in Südtirol sind die verschiedenen Geschmackswelten der Äpfel natürlich schon bekannt. Drei Monate lang haben die 17 Teilnehmer:innen des Lehrgangs, der vom Südtiroler Apfelkonsortium gemeinsam mit dem Südtiroler Bauernbund entwickelt wurde, alles rund um den Apfel gelernt. Daran teilgenommen haben auch sechs Mitarbeiter:innen von VIP, die das neue Wissen perfekt in der täglichen Arbeit einbringen können: beispielsweise wie man mit Kunden eine Apfelverkostung richtig organisiert und durchführt.

ViP-Direktor Martin Pinzger spricht im Vinschgerwind-Interview über Auszahlungspreise, über Reorganisation, über Fusionspläne und einen schwierigen Saisonsstart - und macht Mut.

Vinschgerwind: Herr Direktor: Es herrscht Katerstimmung unter den Bauern, 43,5 Cent Auszahlungspreis für einen Bio-Golden, 36,5 Cent für einen Golden aus integrierter Produktion, sprich konventionellen Golden.
Martin Pinzger: Die Katerstimmung kann ich bestätigen und sie ist auf die letzten drei Jahre zurückzuführen, in denen, wie wir wissen, auf der Welt sehr vieles passiert ist, das Auswirkungen auf die Wirtschaft und somit auch auf die Landwirtschaft hatte und hat. Die Ernte 2020 war mengenmäßig und qualitativ eine schwache Ernte, dementsprechend waren die Erlöse für die Produzenten trotz ansprechender Marktpreise mäßig. 2021 hatten wir eine gute Menge, aber die Preise waren nicht überall zufriedenstellend. Und jetzt haben wir 2022 wieder eine enttäuschende Erntemenge. Das heißt, der landwirtschaftliche Unternehmer hat jetzt das 3. Jahr in Folge ein durchwachsenes Ergebnis und eine schwierige Perspektive für die kommenden 12 Monate. Deswegen sage ich, ja, die Bauern haben bestimmte Sorgen und berechtigte Sorgen - im Vinschgau, in Südtirol, im Apfelsektor aber auch anderswo für andere landwirtschaftliche Erzeugnisse. Wir hatten schon länger kein „normales“ Jahr mehr.

Vinschgerwind: Das war...
Martin Pinzger: Das war 2017. Da hat es wirklich Spitzenpreise gegeben bei einer mäßigen Menge, aber auf dem Markt haben die Äpfel gefehlt. Das Ergebnis 2021 ist nicht schlecht aber stimmt unter den aktuellen Rahmenbedingungen nicht optimistisch.

Vinschgerwind: Das heißt die Bauern müssen mit noch schlechteren Auszahlungspreisen für die Ernte 2022 rechnen?
Martin Pinzger: Wir beobachten heuer einen sehr schwierigen Saisonsstart. Die Kosten für die Bauern und die Genossenschaften für Strom, Pflanzenschutz, Kunstdünger ziehen an– auf allen Kostenebenen gibt es große Steigerungen. Und wenn wir mit unseren Kunden reden, dann ist durchgängig das Feedback das: „Wir müssen billiger einkaufen, weil auch unsere Kosten gestiegen sind.“ Zudem versucht der Lebensmitteleinzelhandel die Preissteigerung für den Endverbraucher in Grenzen zu halten, um den Konsum aufrecht zu erhalten. Denn das Schlimmste wäre, wenn der Konsum wegbricht. Das betrifft die ganze Wirtschaft. Trotzdem darf ich auch Chancen in dieser Situation für uns aufzeigen. Die Qualität des Vinschger Apfels ist bekannt, und gerade heuer sieht es so aus, dass wir damit am Markt umso mehr trumpfen können. Durch den heißen Sommer haben heuer viele Anbaugebiete sehr stark gelitten, was dazu führt, dass grade jetzt zu Saisonsbeginn viele Äpfel schnell verkauft werden müssen, weil sie nicht für die Lagerung geeignet sind. Durch unsere Höhenlagen zwischen 500 und 1.100 Höhenmeter, eine gute Fruchqualität und eine überschaubare Menge müssen wir nicht mit Billigäpfeln konkurrieren.

Vinschgerwind: Vor allem von Polen?
Martin Pinzger: Die Polen verkaufen ihre Äpfel derzeit mit extrem niedrigen Preisen, weil aus den erklärten Gründen eine Einlagerung sehr fragwürdig ist.
Vinschgerwind: Das heißt die Lagerung der Äpfel ist die große Stärke des Vinschgaus.
Martin Pinzger: Einmal die Lagerung, aber wir sind auch das höchstgelegenste Anbaugebiet Europas und haben wie gesagt klimatische Vorteile. Das wird uns helfen. Wir erwarten mit Sicherheit im Laufe der Verkaufssaison bessere Preise. Denn wir bedienen unsere Kunden zwölf Monate lang. Wir sitzen geografisch mitten in Europa und haben 500 Millionen Menschen als potenzielle Konsumenten. Der Apfel ist in vielen Ländern nach wie vor Obstsorte Nummer 1.

Vinschgerwind: Sind Österreich und die Schweiz immer noch weiße Flecken?
Martin Pinzger: Wir haben heuer viele Bioäpfel in die Schweiz geliefert. Ist die Schweizer Produktion geräumt, beschafft man sich geografisch konform die fehlende Ware gleich hinter der Grenze, also im Vinschgau und am Bodensee. Deshalb sind wir diesbezüglich ab und zu gut positioniert. Aber zurück zu unseren Bauern: Der Apfelanbau ist ihre Lebensgrundlage und niemand hat etwas davon, wenn die Bauern das Handtuch werfen. Wir hatten 1.700 Mitglieder und heute reden wir noch von 1.600 Mitgliedern, Tendenz weiterhin leicht rückläufig. Wir haben professionelle Bauern, zeitgerechte Strukturen und wir haben ein gutes Sortiment mit einem gesunden Anteil an Golden, 15 Prozent Bioanteil und einen ähnlichen Anteil an neuen Vertragssorten und haben mit Europa einen großen Markt vor der Haustür.

Vinschgerwind: Das Ansehen des Bauern ist natürlich in der Gesellschaft angegriffen. Durch Pestizide, durch die steuerlichen Vorteile....
Martin Pinzger: Wir sind 30.000 Menschen im Vinschgau. Die Landwirte sind ein Teil davon, leisten ihren Beitrag zur lokalen Wirtschaft und zum Vereinsleben in den Dörfern. Unsere Betriebe sind alles sehr kleinstrukturierte Familienbetriebe. Das ist im weltweiten Kontext Kitsch pur. Seien wir stolz darauf und übersehen wir nicht diesen wichtigen volkswirtschaftlichen Faktor. Dies gilt übrigens auch für die anderen Wirtschaftszweige im Tal.

Vinschgerwind: Jetzt sind wir abgeschweift. Kommen wir zurück zu den Auszahlungspreisen. Bei den roten Sorten?
Martin Pinzger: Im Biobereich sehr zufriedenstellend, außer bei den Sorten Golden und Stark. Das ist aber keine Überraschung für unsere Biobauern, das wissen diese und sie sollten, wenn möglich auf Gala, Bonita, Pinova und andere Sorten zurückgreifen. Grundsätzlich hat der Biobauer gute Preise bekommen und auch die Clubsorten im konventionellen Bereich.

Vinschgerwind: Konkret?
Martin Pinzger: In Cent?
Vinschgerwind: Genau.
Martin Pinzger: Für die Clubsorten haben wir Auszahlungspreise zwischen 60 und 70 Cent.

Vinschgerwind: Und für die roten Sorten im Bio-Bereich, außer der Sorte Stark?
Martin Pinzger: Da liegen wir zwischen 75 – 85 Cent.
Vinschgerwind: Sind die schlechten Auszahlungspreise der Grund dafür, dass sich die ViP intern neu aufstellt? Peter Stricker, Joachim Rabensteiner, Martin Metz, die Geschäftsführer von Kastelbell, Naturns und Latsch haben ihren Arbeitsplatz ab sofort in der ViP, Kurt Ratschiller kommt hinzu. Was steckt hinter der Personalrochade?
Martin Pinzger: Die Veränderungen am Markt machen es notwendig, dass wir noch professioneler auftreten. Wir machen im Verkauf und in den Genossenschaften nun den nächsten Schritt. Wir haben jetzt mehrere Generationen von Geschäftsführern gehabt, die für alles zeitgleich zuständig waren. Sie haben die Genossenschaft geführt, die Mitglieder betreut, das Personal rekrutiert und motiviert, gemeinsam mit dem Vorstand die Investitionen geplant und umgesetzt, und bis heute Äpfel verkauft. Allein die Aufzählung der ganzen Aufgaben sagt: Die Geschäftsführer waren Teilzeitverkäufer. Und ist es zeitgemäß, dass wir mit Teilzeitverkäufern unterwegs sind? Der Einkäufer hat immer weniger Zeit,immer größere Ansprüche und immer mehr Auswahl. Da kann man nicht sagen: Ich kann morgen nicht bei dir sein, weil ich eine Vorstandssitzung habe. Der Kunde ist König. Wir müssen Qualitätsleader sein. Die Qualität spiegelt sich wider in Produktqualität, in Sortimentsqualität und im Service. Die ViP will First Class Apple Partner sein.

Vinschgerwind: Vor allem die junge Riege der Geschäftsführer hat auf diese personelle Neuausrichtung gedrängt.
Martin Pinzger: Ganz genau. Dahinter steht, dass wir zu 100 Prozent den Verkauf der Äpfel hier in der Zentrale unter der Koordination von Kurt Ratschiller, Martin Metz und Joachim Rabensteiner abwickeln. Fabio Zanesco und Gerhard Eberhöfer bleiben die Macher und Experten für die strategischen Bereiche Vertragssorten und Bio. Hinter Peter Stricker steht, dass wir eine koordinierte und geschlossene Abwicklung der Sortierung und Verpackung brauchen. Das heißt, um die ganzen Effizienzmöglichkeiten auszuloten und auszureizen, müssen wir perfekt aufeinander abgestimmt operieren, und das wird in Zukunft Peter Stricker als erfahrener Geschäftsführer von der Zentrale aus mitsteuern.

Vinschgerwind: Wer füllt das Vakuum, das die Geschäftsführer in der jeweiligen Genossenschaft hinterlassen?
Martin Pinzger: Warum Vakuum? Wir werden in den Genossenschaften künftig Verantwortliche haben, die sich ausschließlich auf Kosten- und Prozessoptimierung konzentrieren können. Mit Hannes Spögler in der GEOS, Reinhard Ladurner in der ALPE und Markus Niederegger in der OVEG haben wir drei erfahrene Geschäftsführer. In der Texel haben wir mit dem bisherigen Produktionsleiter Christoph Pircher eine interne Lösung gefunden. In der Juval wird Stefan Gorfer die Genossenschaftsleitung übernehmen, er war bis jetzt hier in der ViP-Zentrale Produktmanager und vorher Produktionsleiter in der Biopackstation, und in der Mivor ist mit Roland Zischg ein neues Gesicht am Werk. Die Zukunft liegt in der Erlösoptimierung einerseits und in der Kostenoptimierung andererseits.

Vinschgerwind: Ist das eine Art ViP-4? Nach 15 Jahren ViP-3-Konzept, dem einheitlichen Vermarktungskonzept.
Martin Pinzger: Es ist der Vollausbau von ViP-3.
Vinschgerwind: Und was ist mit ViP-4?
Martin Pinzger: Das wird kommen, nach drei kommt immer vier und nicht 2. ViP-4 wäre der Zusammenschluss bilanztechnisch der Genossenschaften mit der Zentrale. Das wäre eine Variante. Es gibt mehrere Varianten.

Vinschgerwind: Wann kommt der vom Obmann Oberhofer im Vinschgerwind-Interview 2020 angekündigte totale Herbizid-Verzicht?
Martin Pinzger: Es gibt ein Projekt, das 2017 beschlossen worden ist, bei dem IP-Bauern, die wie die Bio-Bauern eine mechanische Unkrautbekämpfung machen, einen Unkostenbeitrag pro Hektar erhalten sollen. Die ViP hat eine bestimmte Tradition bei nachhaltigen Entwicklungen vorne dabei zu sein und in diesem Sinne sehen wir dieses Projekt: Wir zahlen einen symbolischen Beitrag von 120 Euro pro Hektar für 5 Jahre. Ab 2020 haben wir den Betrag dann auf 300 Euro pro Hektar erhöht. Es wurde jedoch nie von einer flächendeckenden Zielsetzung gesprochen. Ein totaler Herbizid-Verzicht ist unrealistisch.

Vinschgerwind: Was ist realistisch?
Martin Pinzger: So viel wie möglich, überall dort, wo es Sinn macht. Ab 2023 werden wir unseren Mitgliedern eine 2. Option anbieten, wo wir einen Herbizid-Einsatz nach der Ernte – außerhalb der Vegetationsperiode – erlauben und 120 Euro Beitrag pro Hektar geben. Das ist in unserem und im Sinne der EU-Strategie, Chemie auf den Feldern zu sparen.
Vinschgerwind: Der Markt wird immer härter. Vor zwei Jahren haben die Fusionspläne mit der VOG verneint. Die Zeit sei noch nicht reif.
Martin Pinzger: Die ViP hat sich weiterentwickelt. Wir stellen fest, dass auch der VOG mit VOG 2.2 einen Zentralisierungsschritt macht. Man kann sicherlich sagen, dass man Entwicklungen beobachtet, die morgen einen Zusammenschluss erleichtern könnten. Das Genossenschaftswesen hat sich schon immer weiterent-wickelt. Aber nicht von heute auf morgen.

Vinschgerwind: Stichwort Strom: In den vergangenen Jahren bepflasterte man die Dächer der Genossenschaften mit Photovoltaikanlagen. Hat man die Hausaufgaben gemacht?
Martin Pinzger: In weiser Voraussicht haben wir viele Photovoltaikanlagen installiert, und wir werden das intensiv weiter umsetzen, weil wir große Dachflächen haben. Die Planungen stehen auch für die nächsten Jahre bereits.
Vinschgerwind: Die Lagerung und Verarbeitung der Äpfel ist stromintensiv. Mit wieviel Mehrkosten rechnen Sie?
Martin Pinzger: Die Kosten steigen genauso wie für den privaten Haushalt. Die Südtiroler Obstwirtschaft ist gut organisiert: Die ViP, der VOG und VOG Products tätigen bereits seit Jahren sehr professionell und gemeinsam den Stromeinkauf. Wir machen Ausschreibungen, und Lottozukäufe. Der Strom vom 3. und 4. Trimester 2022 ist von uns bereits vergünstigt eingekauft worden. Das heißt die richtige Breitseite der Stromerhöhung spüren wir erst ab dem 1. Jänner 2023. Wir haben das heurige Jahr gerettet, aber ab dem 1. Jänner sind wir genauso ausgeliefert wie jeder private Haushalt und wir hoffen natürlich, dass unsere Politik für jeden privaten Haushalt und die Wirtschaft in Südtirol eine Lösung findet. Und da möchte ich unterstreichen, pochen wir NICHT auf eine Sonderbehandlung.
Vinschgerwind: 2020 gab es für die ViP knapp 11 Millionen EU-Agrargelder. Ein Batzen Geld. Wieviel EU Gelder schöpfte die ViP im vergangenen Jahr ab und wohin fließt dieses Geld?
Martin Pinzger: Die EU-Gelder sind immer umsatzbedingt. 2020 war diesbezüglich ein außergewöhnliches Jahr. Normalerweise sind das zwischen 8 und 9 Millionen im Jahr. Dieses Geld wird primär für die Investitionen in den Genossenschaften draußen verwendet. Wir können vier Maßnahmen abrechnen: Umweltmaßnahmen, Kosten senkende Maßnahmen, Maßnahmen, die den Marktauftritt verbessern und Qualitätsverbesserungsmaßnahmen. Das sind Ausgaben, die wir zum Großteil im Vinschgau tätigen und für lokale Wertschöpfung sorgen. Es gibt in Italien oder europaweit kaum Erzeugergenossenschaften, die seit 1995, seit es diese Gelder gibt, 100 Prozent dieser Gelder ausgenutzt haben. Dies ist das große Verdienst der historischen ViP- und Genossenschaftsverantwortlichen, mit den jeweiligen Mitarbeitern in der Verwaltung.

Vinschgerwind: Womit wir beim Wielander Sepp wären. Wie oft haben Sie diesen in den vergangenen drei Jahren um Rat gefragt?
Martin Pinzger: Alle paar Monate einmal.
Vinschgerwind: Scherz beiseite. Wie lautet das Resümee für die vergangenen drei Jahre?
Martin Pinzger: Spannende Zeit. Ich bin im Frühjahr 2019 als Direktor in die ViP gekommen und 2020 im Frühjahr ist Covid losgegangen und Covid ist bis heute ständiger Begleiter. Dann kam der Ukraine-Krieg. Der Konsum ist im freien Fall – auch für Äpfel.
Vinschgerwind: Also, Sie haben es nie bereut, dass Sie sich haben überreden lassen, den Direktorposten anzunehmen?
Martin Pinzger: Nein.

Interview: Angelika Ploner

Der vor wenigen Jahren verstorbene langjährige Obmann Georg Wunderer hat das E-Werk und die Marktgemeinde Prad zu einer europaweiten Mustergemeinde in Sachen Klimaschutz gemacht. Davon zeugen viele Preise, wie beispielsweise der Gesamtsieg aller teilnehmenden europäischen Kommunen bei der Öko-Energie-Champions League im Jahr 2012. Das Erbe von Georg Wunderer verpflichtet also gewissermaßen die Genossenschaft, sich beständig weiterzuentwickeln und auf die geänderten Markt- und Rahmenbedingungen zu reagieren. Beispielsweise soll der Netzbetreiber künftig mehr Verantwortung für die Netzstabilität übernehmen, um den zunehmenden Anteil kleiner Produktionsanlagen im Netz mit schwankender Energiebereitstellung gerecht zu werden. Auch die Elektromobilität stellt die Netzbetreiber zunehmend vor Herausforderungen die systemtechnisch gelöst werden müssen. Hier gilt es also rechtzeitig Investitionen zu tätigen, um den Anforderungen gerecht zu werden und um auch anderen als Vorzeigemodell zu dienen.
Bislang gibt es in Italien 22 historische Genossenschaften (darunter auch das E-Werk Stilfs), die allesamt inzwischen mit ihrer eigenen erfolgreichen Entwicklung als Musterbeispiele gelten wie lokale Energiebereitstellung funktionieren und welche große Wertschöpfung dabei vor Ort entstehen kann. Mit der Gründung von neuen Energiegenossenschaften tut man sich allerdings schwer. Dies müsste vom italienischen Staat dringend geändert werden, sodass sich solche Modelle leichter ausbreiten können.
Generell gesprochen ist der Ausbau von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie stärker voranzutreiben, insbesondere auch der Anteil der Speichertechnologien. Mit dem weiteren Ausbau muss sich allerdings die grundlegende Struktur des Energiesystems ändern, die in vielen Bereichen immer noch auf der „alten Welt“, nämlich der konventionellen Energiewelt aufgebaut ist.

Montag, 17 Oktober 2022 15:00

Pr-Info: Wie denkt eine Genossenschaft?

Eine Genossenschaft definiert sich über die Gemeinschaft ihrer Mitglieder und ihrer primären Zweckerfüllung, für die sie gegründet wurde. Durch eine starke Gemeinschaft werden Ziele angegangen, die für einen Einzelnen nicht oder nur sehr schwer erreichbar sind oder durch Dritte nicht zur Zufriedenheit der Gemeinschaft gewährleistet werden können. Frei nach dem subsidiären Grundprinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ verfolgt die Genossenschaft ihre Ziele und erbringt die entsprechenden Dienste zugunsten ihrer Mitglieder und der Gemeinschaft.
Unsere Energiegenossenschaft wurde vor knapp 100 Jahren mit dem Ziel gegründet, Prad mit elektrischer Energie zu wirtschaftlich ausgewogenen Konditionen zu versorgen. Aufgrund der peripheren Lage und der geringen Bevölkerungsdichte waren die staatlichen Betriebe nicht an einer Elektrifizierung in Prad interessiert. Sechs mutige Prader Bürger haben kurzerhand das Ruder selbst in die Hand genommen und mittels einer erstmals installierten Wasserkraftanlage die Gemeinde mit Strom versorgt. Um einerseits die Kredite abzusichern und andererseits weitere Prader Bürger für diese Initiative zu begeistern, war die Gründung der Energiegenossenschaft das ideale Instrument für einen gemeinschaftlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.
Als Energiegenossenschaft will man seinen Mitgliedern einen störungsfreien, sauberen und kostengünstigen Service bieten. Mit der Zeit haben die Themen rund um die Nachhaltigkeit und der nachhaltigen Energiebereitstellung eine immer wichtigere Rolle eingenommen. Prad ist im Bereich der Fernwärmeversorgung und der Strombereitstellung zu 100% grün und erneuerbar. Auch komplementäre Servicedienstleistungen werden umgesetzt, wenn sie zum Nutzen der Mitglieder sind. Beispielsweise wurde bereits vor zehn Jahren das Glasfasernetz aufgebaut, sodass jeder Bürger in Prad eine Zugangsmöglichkeit zu schnellem Internet erhielt.
Kurzum: Nicht der Profit steht im Vordergrund, sondern der Nutzen für das einzelne Mitglied, der Gemeinschaft und der Umwelt.
Die unternehmerische Tätigkeit in einer marktwirtschaftlichen Ordnung ist auf Wachstum und Gewinnmaximierung ausgelegt. Aufgrund der Endlichkeit der Ressourcen und der zunehmenden Klimakrise ist ein Umdenken auf gesellschaftlicher und unternehmerischer Ebene dringend notwendig. Das genossenschaftliche Gedankengut sollte daher mehr Einzug in unternehmerische Tätigkeiten finden.

Montag, 17 Oktober 2022 14:59

Pr-Info: Prad und die EU

Mit dem Aufkommen der Erneuerbaren Energien prallen zwei Energiewelten aufeinander, jene der großen Konzerne mit zentralen Erzeugungs- und Versorgungsstrukturen und jene der kleinen dezentralen Strukturen.
Im neuen dezentralen Energiesystem findet die Erzeugung und (teilweise) der Verbrauch näher beim Kunden statt. Der Kunde ist dabei nicht mehr nur normaler Verbraucher, sondern er wird zum „Prosumer“, da selbst der kleinste Erzeuger, zum Beispiel mit einer Photovoltaik Dachanlage, in das dezentrale Energiesystem eingebunden werden kann oder aber er beteiligt sich aktiv an einem lokalen größeren Stromerzeugungsprojekt.
Nun soll auch die im Jahr 2018 veröffentlichte Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED II die Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien in den Sektoren Strom, Wärme und Transport bis zum Jahr 2030 nochmals vorantreiben. Besonders lokale Energiegemeinschaften sollen hier eine zentrale Rolle übernehmen, über die bis zum Jahr 2030 annähernd 30 Gigawatt an Leistung erzeugt werden soll. Bis zum Jahr 2025 soll übrigens in jeder Gemeinde über10.000 Einwohner zumindest eine Energiegemeinschaft gegründet werden.
Einmal mehr zeigt sich, dass lokale Versorgungsbetriebe nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung sind. Waren noch vor wenigen Jahren ausschließlich zentralistische Tendenzen zu spüren, scheint sich das Blatt jetzt endlich zu wenden.
Die Energie-Werk-Prad-Genossenschaft kann dabei ihren Wissens- und Erfahrungsschatz aus über 90 Jahren zur Verfügung stellen und war mit Georg Wunderer in dieser Hinsicht immer ein Schritt voraus. Er war großer Verfechter der Subsidiarität und Dezentralität. Nach ihm ist ein dezentrales Wirtschaften in allen Bereichen notwendig, um lokale Wirtschaftskreisläufe zu beleben und gegenüber den Zentralisierungstendenzen ein hohes Maß an Eigenständigkeit in den Dörfern zu bewahren. Energie, so seine Aussage, gehöre zur Grundversorgung wie das Trinkwasser und müsse daher in erster Linie den Menschen dienen und nicht der Kapitalvermehrung.

Die Energie-Werk-Prad-Genossenschaft zeichnet sich durch einen vielfältigen Energieerzeugungsmix aus. Dabei spielt die Wasserkraft eine zentrale Rolle. Sieben kleinere Wasserkraftwerke produzierten in den vergangenen Jahren rund 20 Mio. kWh Strom im Jahr. Damit können rechnerisch etwa 7.000 Haushaltskunden versorgt werden. Vor kurzem wurden drei Wasserkraftwerke mit einer größeren Anlage ersetzt, sodass nun insgesamt über 30 Mio. kWh Strom pro Jahr produziert und ins rund 123 km lange Prader Stromnetz eingespeist werden. Überschüssiger Strom in den Sommermonaten wird in das überregionale Stromnetz eingespeist. Insgesamt werden im Stromnetz der EWP-Genossenschaft rund 21 Mio. kWh verbraucht. Neben der Wasserkraft wird auch mit lokal verfügbaren landwirtschaftlichen Abfall- und Reststoffen zirka eine Mio. kWh an Strom pro Jahr produziert, wobei Gülle und Festmist zu Biogas vergoren wird. Zudem erzeugt ein Blockheizkraftwerk auf Basis von Pflanzenölen aus nachhaltiger Produktion zusätzlich rund zwei Mio. kWh Strom. Eine Photovoltaikanlage mit 100 kWp Leistung ergänzt den Produktionsmix im Bereich Stromerzeugung.
Mit den beiden Blockheizkraftwerken wird neben Strom vor allem Wärme erzeugt, die in das Prader Fernwärmenetz eingespeist wird. Rund vier Mio. kWh an thermischer Energie können dadurch für die Prader Bürger bereitgestellt werden. Der Bedarf liegt jedoch bei rund 18 Mio. kWh pro Jahr. Der Großteil der Wärmeenergie wird über einen Pelletofen und zwei Hackguthöfen in den beiden Fernwärmewerken hergestellt. Verschiedene Wärmerückgewinnungssysteme runden das Bild einer effizienten und nachhaltigen Wärmebereitstellung ab.
Die Anlagen müssen laufend von unseren geschulten Mitarbeitern gewartet und instandgehalten werden. Das Stromnetz ist nahezu vollständig im Erdreich verlegt, Ausfälle und Netzverluste sind somit minimiert. Das Fernwärmenetz zählt aktuell rund 800 Abnehmer und wird kontinuierlich erweitert. Künftige Projekte zielen, neben der Erneuerung und dem Ausbau von Kraftwerkskapazitäten, vor allem auf die längerfristige Speicherbarkeit und die flexiblen Bereitstellung von Lastflüssen durch innovative Lösungen im Bereich Strom und Wärme ab.

Montag, 17 Oktober 2022 14:47

Pr-Info: Power-Gemeinde Prad

Vinschgerwind: Die E-Werk-Genossenschaft Prad ist ihren Mitgliedern verpflichtet. Sie liefert unter anderem Strom und Wärme. Wie hat die E-Werk-Genossenschaft Prad diese spürbaren und schmerzhaften Preissteigerungen vor allem im Stromsektor im Griff?
Klaus Wallnöfer: In unserem Statut ist vorgesehen, dass wir unseren Mitgliedern unsere Dienstleistungen zu möglichst günstigen Konditionen bereitstellen. Auch wir hatten letzthin aufgrund der gestiegenen Marktpreise Schwierigkeiten, da wir während der Bauphase des neuen Kraftwerks bei gleichzeitigem Rückbau von drei Anlagen über eine unzureichende Produktion verfügt haben. Wir mussten, so wie andere Anbieter auch, die gestiegenen Preise beim Stromeinkauf an der Börse an unsere Mitglieder weitergeben. Mit Fertigstellung des neuen Kraftwerkes können wir unseren Mitgliedern den Strom nun wiederum zu deutlich günstigeren Konditionen liefern.
Michael Wunderer: Das können wir, da wir als historische Genossenschaft von der Abgabe der „Extra Gewinne“ (Exra-Profitti) im Ausmaß unserer Eigenproduktion nicht oder nur teilweise betroffen sind. Diese Entscheidung ist von Seiten der Regulierungsbehörde Ende Juni gefallen, nach entsprechenden Einwänden von Seiten der Verbände (u.a. SEV). Andernfalls hätten auch wir als historische Genossenschaft die aktuellen hohen Strompreise im Einkauf Großteils an unsere Mitglieder weiterverrechnen müssen.

Vinschgerwind: Die Philosophie der E-Werk Genossenschaft Prad heißt seit Jahrzehnten „Energie lokal organisieren“, von der Produktion über die Verteilung bis zur Abnahme der Mitglieder. Wenn man Südtirol als „lokal“ bezeichnet, gibt es einen Ausweg, um den internationalen Preisen entkommen zu können?
Michael Wunderer: Ja, Möglichkeiten gäbe es. Aktuell sind diese aber tatsächlich begrenzt, da viele Anlagenbetreiber mit Einführung der Abgabe der „Extra Gewinne“ die Mehreinnahmen an den Staat wieder abführen müssen. Der Anlagenbetreiber darf lediglich den Referenzpreis behalten, der für unsere Zone vorerst auf 58€/MWh festgelegt wurde. Zum Vergleich: Im Monat September lag der durchschnittliche Börsenpreis für den Stromverkauf bei 543€/MWh. Der Referenzpreis deckt zwar sämtliche operative Kosten einer Wasserkraftanlage, darüber hinaus gibt es allerdings wenig Spielraum. Anders ausgedrückt: In Südtirol steht uns mit der Wasserkraft zwar eine günstige Energieform zur Verfügung, wir können diese allerdings derzeit nicht günstig für uns verwerten. Der Strom muss zu aktuellen Höchstpreisen an der Börse wieder zurückgekauft werden, welcher an die Verbraucher großteils weitergegeben wird. Das Versprechen nach günstigem Strom durch die sogenannten „Rückholung der Energie“ ist somit in noch weiterer Ferne gerückt.

Vinschgerwind: Das hat sich im Nachhinein als leeres Versprechen herausgestellt?
Michael Wunderer: Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass durch die Rückholung der Energie in den letzten Jahren eine erhebliche Wertschöpfung für unser Land generiert wurde, nur muss sich das als primäres Ziel langfristig in den Strompreisen bei den einzelnen Bürgern und in den Betrieben niederschlagen. Um das zu erreichen, müsste sehr wahrscheinlich die Strombeschaffungsstrategie in Südtirol anders organisiert werden.

Vinschgerwind: Wie kann man sich das konkret vorstellen?
Michael Wunderer: Südtirol produziert über das Jahr bekanntlich nahezu doppelt so viel Strom wie es in Summe verbraucht. Abgesehen von den saisonalen Unterschieden könnte also ein Großteil der verbrauchten Stromenergie längerfristig zu einem beiderseitig (Produktion, Verbrauch) angemessenen Preis definiert werden. Die von der Planung abweichenden Mengen können dann wiederum über die Strombörse bzw. den Strommarkt ausgeglichen werden. Als Resultat ergibt sich ein variabler Mischpreis, welcher aber vergleichsweise stabil und günstig ist. Für dir Organisation und technische Abwicklung könnte ein genossenschaftlich organisierter „Landestrader“ eingesetzt werden. Diese Idee ist im Übrigen nicht neu. Zu seinen Aufgaben könnten beispielsweise die außerbörslichen Vereinbarungen zwischen Produzenten und Stromverkäufer zählen, sowie die strukturierte Beschaffung und Verteilung an sämtliche Stromverkäufer in Südtirol im Sinne der Gleichberechtigung.

Vinschgerwind: Wäre ein solcher Trader gesetzlich machbar?
Michael Wunderer: Ja durchaus. Es gibt bereits verschiedene Trader im Land. Für den Landestrader sollte nicht die Gewinnmaximierung im Vordergrund stehen, sondern der Nutzen für die Südtiroler Bevölkerung in Form eines stabilen und günstigen Strompreises. Dadurch ergäbe sich eine Win-Win-Win Situation für alle Beteiligen. Für die Produzenten die einen über die Gestehungskosten gesicherten Preis erhalten (in der Vergangenheit gab es auch Situationen mit Preisen unterhalb Gestehungskosten), für die Stromverkäufer in Südtirol die langfristig mit attraktiven Preisen und grüner Energie werben können und letztlich für die Endverbraucher die endlich einen stabilen und günstigen Preis, basierend auf die tatsächlichen Produktionskosten aus Südtiroler Wasserkraft, erhalten. Für einen solchen Landestrader ist allerdings auch der politische Wille gefragt.

Vinschgerwind: LH Arno Kompatscher hat gesagt, dass mit einem solchen Modell „in Südtirol die Lichter ausgehen“. Was entgegnet ihr dem?
Klaus Wallnöfer: Die Lichter brennen weiter.
Michael Wunderer: Man muss unterscheiden. Es gibt die virtuelle Welt des Strom Ein- und Verkaufes und die physikalische Welt der Stromnetze die gesamtstaatlich und gar europäisch miteinander verbunden ist. Von letzterem kann man sich nicht abkoppeln.

Vinschgerwind: Es hat vor Jahren eine starke Energie-Vertretung im Vinschgau gegeben. Man erinnere sich an den berühmten Vinschger Stromstreit. Die Fragen der lokalen Energieerzeugung, der Energieverteilung waren damals Thema. Kann man sich einen solchen Energietisch aktuell wieder vorstellen?
Klaus Wallnöfer: Klar. Man hat in der Vergangenheit, ausgehend von den Impulsen der historischen Genossenschaften Prad und Stilfs, ähnliche Modelle für den Vinschgau diskutiert. Die größere Vision ist zwar nicht geglückt, aber wir sind davon überzeugt, dass wir als historische Genossenschaft wieder Impulsgeber sein können mit der Überzeugung, dass wir im Vinschgau noch Möglichkeiten haben, die noch nicht ausgeschöpft sind.

Vinschgerwind: Wie stellt ihr euch die Bereitstellung und den Verbrauch von Energie in der Zukunft vor? Wo will man hin?
Michael Wunderer: Die Bereitstellung wird in Zukunft kleinteiliger sein. Man geht weg von den zentralen Anlagen. Energiegenossenschaften, so wie wir eine sind, haben sich in der Vergangenheit schon eine dezentrale Welt vorgestellt. Genau solche dezentralen Systeme werden Zukunft haben. Inzwischen werden Energiegemeinschaften sehr stark gefördert. Dezentrale Systeme sind nicht mehr Teil des Problems, sondern Teil der Lösung. Noch vor kurzer Zeit waren solche Gedanken auf politischer Ebene kein Thema. Auch die Verbraucher werden als „Prosumer“ künftig eine aktivere Rolle übernehmen.
Klaus Wallnöfer: Georg Wunderer hat gesagt: „Die Energie soll den Menschen dienen und nicht dem Kapital“. Aus unserer Sicht soll es so sein, dass möglichst kleinstrukturierte Systeme den Menschen vor Ort die Möglichkeiten aufzeigen, wie man Produktion, Verteilung und Bereitstellung von Energie bewerkstelligen kann. Wenn, in unserem Fall, die Genossenschaftsmitglieder den Mehrwert, nicht nur den ökonomischen, sondern auch was die Umwelt- und Sozialbilanz betrifft, erkennen, sind die Bürger auch bereit, bestimmte Kompromisse einzugehen. Wir müssen diesen Mehrwert in Zukunft in der Bevölkerung mehr verankern. Es wird wohl so sein, dass keiner in der eigenen Gemeinde eine Windkraftanlage haben möchte. Aber diese Form der Stromerzeugung ist auch notwendig und sinnvoll. Wenn man den Vorteil erkennt, ist die Bevölkerung auch ein Stück weit bereit, Kompromisse einzugehen.

Vinschgerwind: Wird man die Diskussion um die Windenergie noch einmal eröffnen müssen?
Klaus Wallnöfer: Auf jeden Fall. Man sollte die Windenergie nicht außer Acht lassen. In den deutschen Offshore-Windanlagen im Norden etwa wird viel Energie erzeugt und der Verbrauch findet hauptsächlich im industrialisierten Süden statt. Nur hakt es am Energietransport von Norden nach Süden. Kleinräumige, dezentrale Lösungen haben diese Stromnetzproblematik nicht.
Michael Wunderer: Derzeit sind positive Signale aus Bozen zu vernehmen, die die Diskussion rund um die Windkraft wiederbelebt. Im Vinschgau machen wir uns bereits konkrete Gedanken dazu. Auch der Gesetzgeber verlangt nach günstigen Zonenausweisungen.

Vinschgerwind: Wenn man sich die Diskussionen auf EU-Ebene anhört, die von Dezentralisierung, von kleinräumigen Lösungen spricht, dann ist das Tun der E-Werk-Genossenschaft Prad hochmodern. Eure Genossenschaft hat jahrzehntelange Erfahrungen. Was könnt ihr anderen Gegenden, auch im Vinschgau, wünschen, einen solchen Erfahrungsschatz, eine solche Power aufzubauen?
Michael Wunderer: Es braucht Mut und Visionen.
Klaus Wallnöfer: Richtig, Mut und Visionen.
Michael Wunderer: Der Weg war auch für uns als Genossenschaft oft sehr steinig, schlussendlich hat sich das aber definitiv ausgezahlt. Bedenkt man die jährliche Wertschöpfung die vor Ort mit sauberer Energie generiert wird, das Wissen und die Kompetenzen der Mitarbeiter und die jährlichen Energieersparnisse für die Betriebe und Haushalte, dann kann man das nur als großes Erfolgsmodell werten. Jede Initiative in diese Richtung kann nur begrüßt werden.

Vinschgerwind: Wenn man sagt, dass Südtirol nur die Hälfte des Stromes verbraucht, der mit Wasserkraft erzeugt wird, sollte man sich nicht zuerst aus dem nationalen Markt ausklinken oder muss der Ausbau solch neuer Anlagen gleichzeitig passieren?
Michael Wunderer: Man kann sich nicht einfach aus dem nationalen Markt ausklinken, das ist auch nicht notwendig. Aber man kann sich anders verhalten - eben am Beispiel einer strukturierten Beschaffung und Verteilung auf Basis der lokal zur Verfügung stehenden Erzeugungskapazitäten.
Auch sollten vorhandene Potenziale beim Ausbau neuer Anlagen genutzt werden. Derzeit ist vieles per Landesgesetz nicht möglich. Hier sind Anpassungen dringend notwendig.
Klaus Wallnöfer: Als Genossenschaft sind wir natürlich primär den Mitgliedern verpflichtet. Unsere Aufgabe ist es, mit den vorhandenen und künftigen Systemen gute Dienstleistungen zu erbringen. Aber die Frage muss darüber hinausgehen. Genügt es, wenn wir uns ausschließlich den Mitgliedern verantwortlich fühlen? Lokal handeln ist ok, aber wir sollten über den Tellerrand hinausdenken. Wenn wir etwa in Südtirol sagen, wir haben genügend Produktion, wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und wir lehnen uns zurück. Es gibt andere Regionen, die weniger oder überhaupt kein Potenzial haben, ihren Energiebedarf zu decken. Warum sollen wir da nicht solidarisch sein und sagen, dass wir das gesamte Potenzial ausschöpfen, nicht nur um das eigene System stabil halten zu können, sondern auch einen darüberhinausgehenden Beitrag für das Gesamtsystem zu leisten.

Interview: Erwin Bernhart

von Charlotte Aurich

Ich betrete das Gelände Anfang August über den Eingang schräg gegenüber vom Bahnhof. Leerstehende Gebäude, zwei große Kasernen Bauten stehen zwischen den Bäumen. Die Nutzung nach dem Abzug der letzten Soldaten in den 90er Jahren ist sichtbar im Gang – Pflanzen wachsen Türen und Fenster zu, die Mauern hoch, Schriftzüge und Bilder bedecken die Wände. Durch zerbrochene Fensterscheiben sind die Bewegungen jugendlicher Ein- und Ausstiege im Laufe der Jahre sichtbar. Schräg gegenüber der in Marmor gefassten Frontfassade des Hauptgebäudes stehen zwei Schafe auf einer Rasenflächen. Das Erdgeschoss des alten Wohnhauses der militärischen Führungskräfte dahinter dient ihnen als Stall. Ich gehe am verlassenen Tennisplatz vorbei und auf den großen Platz zu. Er bildet die gewaltige Mitte der vier Kasernengebäude, bedeutete Überblick und Kontrolle beim Appell. Die Soldaten umgaben dieselben Bäume, KW 01 Aurich C.Baumstümpfe weiter vorne erzählen von weiteren. Der Platz ist eine Fläche gebaut fürs Exerzieren, diesen Sommer war er groß genug für ein Zirkuszelt.
In einem der Gebäude verbringen ich den Monat August: die Palazzina Tagliamento, seit drei Jahren die „Kreativwerkstatt“. Sie ist Teil des Vereins „Basis“, dessen Akteur:innen die Initiative zu einer vielseitigen Nutzung des Geländes erstmals angestoßen haben und inzwischen grundlegend mitgestalten. Der Verein bespielt dauerhaft ein weiteres Gebäude am Gelände. Die „Kreativwerkstatt“ befindet sich in einem simplen Bau, drei Stockwerke hoch, neunzehn Fenster zähle ich pro Etage. Ein zentrales Treppenhaus in der Mitte, links und rechts davon gehen lange Gänge ab. Die Stufen sind ausgetreten von den tausenden Schritten der Personen die dort –auf und ab, auf und ab – gingen, liefen. Die Räume sind hoch, es hallt. Es waren die Schlafsäle der Kaserne, die Haken für die Pritschen sind noch in den Wänden. Viel Platz und doch so wenig Raum für die Person in der militärischen Ordnung. Als offene Säle geplant, wird hier jedes Geräusch nochmals verstärkt. Draußen tönen die Schwalben auf ihren Flügen.
KW 02 Aurich C.Heute ist dieses Gebäude in der Nachnutzung oder Zwischennutzung. Im Unterschied zu der Aneignung des Geländes durch Pflanzen und Tiere und den mutigen Einstiegen, haben sich die gegenwärtigen Nutzer:innen auf den Versuch geeinigt, die Räume als Arbeitsräume zu beziehen. Eine Bedingung der Selbstorganisation scheint die langsame Aneignung zu sein, bis jetzt gibt es Strom, aber noch keine Heizung oder Wasseranschlüsse. Das Atelier, die Werkstatt, das Vereinslokal, der Ausstellungsraum, das Materiallager, der Proberaum. Die Veränderung der Raumordnung tritt anhand der Tätigkeiten ein. Welche Dimension hat der Raum? Wandteile aus gebrauchten Tür- und Fensterrahmen ziehen neue Linien zwischen die massiven Mauern. Dahinter höre ich Stimmen, Musik wird gespielt, jemand hat Besuch im Atelier, Arbeiten werden besprochen. Weiter vorne stehen Zwei um die gemeinschaftlich genutzte Druckerpresse im Blick auf ein Blatt. Die Materialien sprechen von den Aktivitäten, die sich hier sammeln: Papierarbeiten und Malerei an den Wänden der Sitzecke im Treppenaufgang, Skizzen und Bücher. Auf den Gängen Holz aus einem alten Stadl, Marmor von Probebohrungen aus Laas und Schluderns, in einem der Zwischenräume eine Siebdruckwanne, Werkzeuge für die Steinbearbeitung.
Ich beziehe mit meiner künstlerischen Arbeit eine Fläche im zweiten Stock der Palazzina. Diese Räume sind noch zurückhaltend bespielt, es sind freigeräumte Flächen, die Räume klingen anders. Ich habe Stoffe mitgebracht, Malerei auf losen Trägern. Die Stücke lassen sich auslegen, falten, in den Raum hängen. Ich taste mich mit den textilen Fasern an die Flächen heran und stoße auf alte Mauern: „StarkimKampf,sicherimSieg“, „DemdeutschenSoldatenistnichtsunmöglich“,„ÜberGräbervorwärts“.
Hoch oben an den Wänden, die aufgemalten Lettern überschauen die Räume. Ihre Stabilität bricht mit den Spuren der Zeit am Gebäude, mit den bröckelnden Wänden und den morschen Fensterrahmen, dem Zerfall unbenutzter Flächen. Das hier ist kein Archiv. Trotzdem sind diese Worte dort im Raum gelagert worden. Wie diese Sätze aus der Nationalsozialistischen Besatzungszeit der Kaserne die Jahrzehnte an den Wänden überdauert haben, bleibt dabei eine Frage.
An diesem Punkt meines Spaziergangs treffe ich auf die Forderung nach Nutzung, die in diesen Mauern steckt. Gegenwärtig werden die Räume von ihren Nutzer:innen im Sinn einer „Kreativwerkstatt“ neu formuliert, die Forderung nach nicht kommerziellen Arbeitsräumen wird auf diesen Flächen der ehem. Kaserne in Eigenarbeit umgesetzt. In dieser Gleichzeitigkeit der Zeitdimensionen tut sich ein Riss in der herrschenden Raumordnung auf, der einer Öffnung gleichkommt. Diese verlangt nach einem aktiven Umgang mit den historischen und gegenwärtigen Verflechtungen des ehem. faschistisch militärischen Geländes mit seiner Umgebung. Die Debatten um die zukünftige Nutzung dieser, heute in Gemeindebesitz befindlichen Flächen, sind im Gang. Von den lokal-politischen Entscheidungsträger:innen ist dabei eine Beweglichkeit gefordert, die den politischen Strukturen nicht unbedingt eingeschrieben scheint. Umso mehr muss die Debatte erweitert werden um die Feststellung, dass es sich hier inzwischen um Räume der Gemeinschaft handelt. Was macht gemeinschaftliche Räume aus? Die bereits gelebten Möglichkeiten einer Nutzung wie der „Kreativwerkstatt“ deuten auf die Fülle hin, welche sich aus durch Nutzer:innen und Bewohner:innen gestalteten Räumen ergibt.
In diesem Sinne lade ich alle ein, den Spaziergang am Gelände fortzusetzen und die Bedeutung von gemeinschaftlichen Flächen mitzubestimmen. Das vor Ort sein ist ein grundlegendes Element in der Aneignung des Raums. Es bedeutet ein Erleben der Möglichkeiten, die er bereithält und der Forderungen, die sich daraus ergeben.

Anmerkung: Dieser Artikel wurde vor dem 5. Oktober verfasst. Teile der beschriebenen Gebäude sind bei den an diesem Tag begonnen Abrissarbeiten unwiederbringlich beschädigt worden.

 

Charlotte Aurich,
geb. 1993 in Meran, ist Künstlerin und lebt in Wien. Nach ihrem Abschluss des Malerei Studiums 2019 an der Angewandten in Wien pendelt sie derzeit für eine Kunst- und Kultur-theoretische Vertiefung an die Kunstuniversität in Linz. In ihrer aktuellen Arbeit beschäftigt sie sich mit textilen Bildkörpern und ihren räumlichen und performativen Möglichkeiten in Bezug zu Alltagspraktiken wie waschen, falten und einkleiden.

 

Gmånorbet*
Als Gmånorbet wird die Gemeinschaftsarbeit bezeichnet, die in Fraktionen, von Interessentschaften von den Mitgliedern gemeinsam durchgeführt worden ist und wird. Dazu gehören unter anderem das Herrichten von Viehsteigen, von Zufahrtsstraßen zu Gütern, dazu gehören das Errichten von Zäunen, um Tiere vor Abstürzen zu schützen, dazu gehörten das gemeinsame Hinauftragen von Hausrat auf die Hütten der Hirten...


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