Stolz führten sie die 150 herausgeputzte Tiere der Rassen Braunvieh, Jersey und Original Braunvieh zur Bewertung in den Ring. Bestaunt wurden vor allem die Kühe mit prall gefüllten Eutern. Zur Beruhigung der Tierschützer: Die Züchter melkten die Kühe anschließend und versorgten sie mit Wasser und Heu. (Bei einer Ausstellung in Vöran wurde jüngst demonstriert.)
Der Schweizer Zucht-Experte und Preisrichter, August Koller, der die Braunviehszene im Vinschgau bestens kennt, hob die großen Zuchtfortschritte hervor. Für den Braunviehzucht-Obmann Luis Hellrigl aus Taufers i. M. ist das eine Bestätigung für die Zucht-Anstrengungen des Verbandes. Hellrigl ist seit 2008 Obmann des Südtiroler Braunviehzuchtverbandes. Der charismatische Braunvieh-Kämpfer Josef Wallnöfer - Mala Peppi - aus Laatsch hielt vor ihm jahrelang die Braunvieh-Fahne als Vize-Obmann hoch. Für Hellrigl ist die Qualität des Braunviehs an folgende Kriterien gebunden: 1. ein gutes Fundament mit kräftigen Beinen, 2. ein robustes Becken, 3. ein gutes Euter, 4. hohe Milchleistung. Die Braunvieh-Kühe punkten mit sehr guter Milchleistung (bis zu 12.000 Kilogramm im Jahr) und mit hohen Fett und Eiweißwerten, die sich positiv auf die Milch-Auszahlungspreise auswirken. Die tägliche Milchleistung einer Kuh geht von 15 bis 45 Kg je nach Laktationszeit (305 Tage). Der Inhaltstoff Kappa Casein der Braunvieh-Milch wird als „das Gold in der Käseherstellung“ bezeichnet. Kappa Casein beeinflusst die Lab-Fähigkeit positiv und erhöht die Käseausbeute. In Käse-Regionen ist die Milch der Braunen deshalb sehr gefragt. Für Hellrigl ist das eine wichtige Gegebenheit für die Attraktivität des Braunviehs: „Das Kappa Casein macht Braunviehmilch um einiges wertvoller als die Milch anderer Rassen“, sagt Hellrigl.
Neben den Einnahmen durch das Milchgeld, das derzeit mit 54,50 Cent pro Kilogramm bei Milkon im Vergleich zu anderen Regionen noch hoch ist, liegt ein Gewinn in der Zucht milchleistungstarker Tiere. Und gar einige Vinschger Züchterinnen und Züchter haben dabei ein gutes Händchen. 2015 waren bei den Versteigerungen in Bozen vor allem Jungkühe gefragt. Der Durchschnittspreis lag bei 2.130 Euro. Bei der Eliteversteigerung erzielte eine Erstlingskuh sogar den Spitzenpreis von 5.390 Euro. Das Preisniveau ist 2015 in etwa gleich geblieben wie im Jahr zuvor - trotz des Preisverfalls der Milch außerhalb von Südtirol und der damit verbundenen niedrigen Nachfrage in Italien. Das Interesse der heimischen Käufer hat die Verluste aufgefangen. Sinkt der Milchpreis auch hier, könnte es problematisch werden. Derzeit herrscht Unsicherheit. Im Keller sind die Preise für Stierkälber (um die 100 Euro). Auch die Nachfrage nach Jungrindern ist eher schwach. Als Grund dafür sieht Hellrigl die Bestimmungen zu den Großvieh-Einheiten GVE, die je nach Höhenlage nur eine bestimmte Anzahl an Tieren zulässt, (von 1,6 bis 2,2 pro Hektar). „Die Bauern setzen deshalb mehr auf Jungkühe, die Milch geben“, sagt Hellrigl. Ein riesen Problem sei das Warten auf die EU-Fördergelder. Den Bauern fehle das Geld, um Jungrinder und Kälber zu kaufen. Die Politik in Bozen müsse endlich handeln.
Die Zucht von weiblichen Tieren ist nach wie vor interessant. Zucht reizt vor allem die Mitglieder der zwei Jungzüchterclubs Obervinschgau (Obmann Stefan Stocker) und Untervinschgau (Obmann Roman Oberhofer) mit 70 beziehungsweise 50 Mitgliedern. Diese messen ihre Zuchterfolge gerne bei den Gebietsausstellungen. Neben jener im Vinschgau gibt es jährlich eine im Pustertal, im Eisacktal und im Gebiet Burggrafenamt/Bozen. Höhepunkt ist die Landesausstellung alle fünf Jahre. Auch die 151 örtlichen Braunvieh-Vereine sind aktiv. Jungzüchter organisieren auch ihre eigenen Ausstellungen, die gesellschaftlichen Charakter haben. Die nächste dieser Art findet am 9. Oktober in der Gemeinde Mals statt. „Die Ausstellungen sind für mich ein großer Anreiz, beim Braunvieh zu bleiben“, sagt ein Jungbauer. Hellrigl baut auf die Jungzüchter: „Sie sind unsere Zukunft, und ich bin stolz, dass wir heute in Südtirol sechs Barunvieh-Jungzüchterclubs mit über 500 Mitgliedern haben.“ Eine Fusion der beiden Vinschger Jungzüchterclubs wäre Hellrigls Wunsch, und er hofft, dass die hervorragende Teamarbeit bei der Verpflegung der vielen hundert Ausstellungsbesucher in Lichtenberg den Anstoß dazu gibt.
Das Braunvieh ist die dominante Rasse im Vinschgau – von der Töll bis Reschen. Die 861 Braunviehzuchtbetriebe halten 5.317 Braunviehkühe, die 37 Millionen Liter Milch produzieren. 2015 waren die Durchschnittsleistungen pro Kuh 6.980 Kilogramm Milch, 4,06 Fett, 3,47 Eiweiß. Die Betriebe liegen meist oberhalb von 1.000 Metern Meereshöhe. Hauptgebiet ist der obere Vinschgau. Im Laufe der vergangenen Jahre geriet die Braunviehhochburg Vinschgau unter Druck, weil sich der lukrative Obstbau in immer höheren Lagen ausbreitet. Aus Viehbauern werden Obstbauern. Kleinbetriebe geben auf. Und auch andere Rassen wie zum Beispiel Schwarzbunte und Fleckvieh halten auf Kosten der Braunen Einzug.
Das Braunvieh kam als Original Braunvieh und Doppelnutzungsrasse vor rund 200 Jahren von der Schweiz in den Vinschgau und etablierte sich, weil es sich als sehr geeignet für das extreme Berggebiet mit Alm- und Weideflächen erwies. Die erste Braunvieh-Zuchtgenossenschaft wurde im Jahr 1895 in Langtaufers gegründet. Vor rund 40 Jahren begann die Einkreuzung des Braunviehs durch Brown Swiss Stiere zur Steigerung der Milchleistung. Im Laufe der Jahre wurden die Euter immer größer, die Kühe schmäler und proportional teilweise unförmlich. Auch die Lebensdauer der Tiere verkürzte sich teilweise. Schon vor einiger Zeit hat ein Umdenken begonnen.
Eine Renaissance erlebt das Original Braunvieh. Deren Zahl ist Südtirol von 44 im Jahre 2007 auf 331 im Jahre 2015 gestiegen. Dass Original Braunvieh wieder lukrativ geworden ist, hängt auch damit zusammen, dass seit 2007 aus dem EU-Topf des ländlichen Entwicklungsplanes für Tiere im Alter von sechs Monaten pro Großvieheinheit und Jahr eine Prämie von 120 Euro ausbezahlt wird. Das Original Braunvieh ist eine robuste Doppelnutzungsrasse für Milch und Fleisch, ähnlich dem Fleckvieh, das gute Schlachtpreise erzielt. Damit könnten auch die Schlachtpreise für Braunvieh-Stierkälber wieder steigen. 2015 wurden im Vinschgau 73 Original-Braunvieh-Tiere gehalten. Vom Braunviehzuchtverband betreut wird auch die Jersey-Rasse. Die kleinwüchsigen Tiere sind wegen ihrer Robustheit und der hohen Milchleistung (mit guten Inhaltstoffen) begehrt. 479 Jersey-Kühe gibt es in Südtirol, 36 davon im Vinschgau.
Der Braunviehzuchtverband mit 18 Mitarbeiter/Innen hat seinen Sitz im Haus der Tierzucht in Bozen, genauso wie der Fleckviehzuchtverband mit acht Mitarbeiter/Innen und der Rinderzuchtverband mit fünf Mitarbeiter/Innen. Alle betreuen ihre Mitglieder als unabhängige Zuchtverbände, die mit Landesgeldern gestützt werden. Um Kosten zu sparen, fordert die Politik seit langem die Fusion. Bisher erfolglos. Nun macht Landerrat Arnold Schuler Druck und kündigt Beitragskürzungen an. 2015 gibt es pro Verband noch einen Sockelbeitrag von 150.000 Euro. In den drei Folgejahren wird um 20 Prozent gekürzt. Von dieser Kürzung will man abgesehen, wenn die drei Verbände ihre Verwaltungstätigkeit zusammenlegen. Bei einer Fusion gibt es sogar eine 10 prozentige Erhöhung.
Schmerzlich ist auch die Abschaffung der Beiträge für Zuchtprogramme beispielsweise für Braunvieh „Super Brown“ (115. 000 Euro 2015) und für Fleckvieh „Tests zur Bestimmung der genetischen Qualität“ (67.000 Euro 2015). Schulers Pläne sorgen für Protest. Von Erpressung spricht der Geschäftsführer des Fleckviehzuchtverbandes Dieter Herbst in der „Neuen Südtiroler Tageszeitung“. Für eine Fusion spricht sich laut, Hellrigl, als einziger der Braunviehzuchtverband aus. In der Diskussion geht es nicht zuletzt darum, wer das Zepter in die Hand bekommt.
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