Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Antonius von Padua, 13. Juni 2011
In der Abenddämmerung der lauen Sommernächte durchziehen sie wieder lautlos den Abendhimmel auf der Suche nach Nachtinsekten: Die Fledermäuse. Das Jahr 2011 wurde auf internationaler und auf europäischer Ebene zum Jahr der Fledermaus ausgerufen. Alle Arten von Fledermäusen sind innerhalb der Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft durch die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie 92/43/EG geschützt.
Artenvielfalt
Weltweit gibt es ca. 1200 Fledermausarten. Die Fledermäuse machen damit ca. ein Viertel aller Säugetierarten aus. Die größte Anzahl an Arten erreichen die Fledermäuse in den Tropen. In geringerer Artenvielfalt kommen Fledermäuse jedoch bis an den Rand der Polarregion vor. In Europa sind 52 Fledermaus-Arten bekannt, 34 davon in Italien. Für Südtirol beschreibt Oskar Niederfriniger in der Roten Liste der gefährdeten Arten von 1994 28 Arten. Für die Schweiz werden 30 Arten von Fledermäusen angegeben.
Besonderheiten
Die Fledermäuse sind die einzigen Säugetiere, welche im Laufe der erdgeschichtlichen Entwicklung den Luftraum erobert haben und flugfähig sind. Die Flügel der Fledermäuse sind als eine strahlenförmige Haut zwischen die Hand- und Fingerknochen eingespannt. Nur der Daumen ist als Kletterkralle nicht in die Flughaut eingebunden. Fledermäuse sind warmblütig und gebären lebende Junge, welche wie bei allen Säugetieren mit Muttermilch gesäugt werden. Alle europäischen Fledermausarten ernähren sich von Insekten oder Spinnen, welche im Flug erbeutet oder von Blättern der Bäume oder vom Boden oder von der Wasseroberfläche aufgelesen werden. Durch den Verzehr von Schadinsekten, darunter beispielsweise auch Mücken erfüllen die Fledermäuse eine sehr wichtige Funktion als biologische Nützlinge. Zu Unrecht genießen sie einen negativen Ruf als bedrohliche Monster. Fledermäuse sind völlig harmlos. Pro Nacht vertilgen sie je nach Art zwischen 50 und 5.000 Insekten. Die Fledermäuse haben einen gut entwickelten Sehsinn, aber sie benützen zur Orientierung im Raum und auch zur punktgenauen Ortung der Beutetiere ein ausgefeiltes System von kurzwelligen Ultraschalltönen, welche sie über das Maul ausstoßen und über die meist großen Ohren als Schalltrichter auffangen. Durch dieses Echolot können die Fledermäuse die Distanz von einem Flughindernis bzw. der Beute präzise bestimmen. Dieses Sonarsystem ist dermaßen empfindlich, dass die echolotorientierten europäischen Arten von Fledermäusen selbst kleinste Insekten wahrnehmen, orten und erbeuten können.
Temperaturregelung
Obwohl die Fledermäuse Warmblütler sind wie der Mensch und die anderen Säugetierarten, können sie ihre Körpertemperatur sehr sensibel steuern und durch deren Absenkung unter lebensfeindlichen Bedingungen Energie einsparen und in Kältestarre verfallen. In den Wintermonaten der kalten Klimazonen, wenn das Nahrungsangebot aus Insekten fehlt oder sehr gering ist, fallen viele Fledermaus-Arten in einen monatelangen Winterschlaf, um Energien zu sparen.
Das Sozialleben
Fledermäuse haben ein sehr hoch entwickeltes Sozialleben und leben über einen längeren Teil des Jahres in Kolonien zusammen. Im Sommer bilden die Weibchen sogenannte Kinderstuben, in denen sie im Sozialverband ihre Jungen gebären. Je nach Art umfassen diese Kinderstuben einige wenige bis mehrere Tausend Tiere. Die größten Kolonien findet man in unterirdischen Höhlen oder ähnlichen Lebensräumen. Während der Monate außerhalb des Wurfes leben die Fledermäuse einzelgängerisch oder in kleinen Gruppen. Während der Fortpflanzungszeit suchen die Fledermäuse wärmere Orte auf, in anderen Abschnitten ihres Jahreszyklus bevorzugen sie kühle Räume, wo ihre Körpertemperatur absinkt.
Unterschlupfe
Die verschiedenen Arten von Fledermäusen suchen tagsüber und im Winter Schutz und Versteck in unterschiedlichen Wohnstätten: Unterschlupfe sind Bäume, Dachböden von Gebäuden, unterirdische Höhlen, aber auch aufgelassene Steinbrüche. Die Fledermausarten des Waldes benutzen Spalten, Risse, Spechthöhlen oder andere kleine Höhlen, die durch Fäulnis im Baumstamm entstanden sind, auch abgestorbenes Altholz von Baumleichen. Daher sind solche alten Bäumen als Unterschlupf im Lebensraum der Fledermäuse von großer Bedeutung. Für den aktiven Fledermausschutz sollte ein Teil des Altholzes daher erhalten werden.
Waldfledermäuse
Alle europäischen Fledermausarten sind dämmerungs- und nachtaktiv. Sie verlassen ihr Versteck in der Abenddämmerung und kehren nach dem nächtlichen Beutefang im Morgengrauen oder vorher in ihr Versteck zurück. Fledermäuse kommen vor allem dort vor, wo es ein reiches Angebot an Insektennahrung gibt. Dabei haben sich die verschiedenen Arten im Laufe der Evolution in ihrer Art zu jagen auf verschiedene Beute spezialisiert: Manche Fledermausarten lesen Nachtfalter von den Blättern der Bäume im Vorbeifliegen ab, andere erbeuten kleine Fluginsekten im Fluge im offenen Gelände oder über Wasserflächen, andere wiederum lauern ihrer Beute auf und überfallen sie aus dem Hinterhalt, wenn sie das Beutetier mit ihrem Sonar geortet haben. Die meisten Fledermäuse jagen im Umkreis von wenigen Kilometern um ihr Versteck. Auch deswegen ist es für den Artenschutz der Fledermäuse wichtig, die Altbaumbestände im Wald als Netz und Korridor zu erhalten. Zumal die Fledermäuse ungern offenes Gelände und große Lichtungen überqueren. Die Arten von Waldfledermäusen brauchen sowohl Unterschlupf und Verstecke als auch Nahrungsquellen im Wald. Sie lohnen es als Nützlinge mit der Vernichtung einer großen Zahl von Schadinsekten. Manche Arten von Fledermäusen machen weite Frühjahrs- und Herbstwanderungen und brauchen auf diesen langen Flügen auch Bäume als Rastplätze.
Lebensraum Wald
Die Fledermäuse leben in verschiedenen Waldtypen vom mediterranen Hartlaub- und trockenresistenten Buschwald bis zu den Nadelwäldern im Norden Europas. Wie bereits eingangs gesagt, sind die Fledermäuse durch die Richtlinie Flora Fauna Habitat 92/43/EG der Europäischen Union europaweit geschützt. Das Vorkommen der Fledermausarten in den verschiedenen Waldlebensräumen, ihre Artenvielfalt und ihre Häufigkeit hängt auch und besonders von der feinfühligen und sensiblen Anpassung der europäischen Richtlinie an die lokalen Gegebenheiten in den Wäldern ab.
Gefährdung und Rückgang
Das Wissen um die Fledermäuse in Südtirol ist lückenhaft. Die Fledermausforschung in unserem Land beginnt mit Pater V.M. Gredler. Und K.W. Dalla Torre konnte in seiner grundlegenden Arbeit „Die Säugethierfauna von Tirol und Vorarlberg“ (1887/88) bereits auf Funde und Veröffentlichungen zurückgreifen. Danach gibt es ein großes Forschungsvakuum. Erst Oskar Niederfriniger hat in den frühen neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts mit Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft für Vogelkunde und Vogelschutz Südtirols die Kirchtürme in unserem Land und andere Orte nach Fledermäusen abgesucht und die Liste der vorkommenden Arten aktualisiert. In der Publikation „Rote Liste der gefährdeten Tierarten Südtirols“, im Jahre 1994 herausgegeben von der Abteilung für Landschafts- und Naturschutz der Autonomen Provinz Bozen Südtirol, beschreibt Oskar Niederfriniger im Kapitel zu den Fledermäusen, dass der Rückgang der Fledermäuse vor allem in Mitteleuro-pa statistisch gut erfasst ist und in den letzten Jahrzehnten erschreckende Ausmaße erreicht hat. Als einige Gründe für den Rückgang der Fledermaus-Arten in Mitteleuropa, die auch für Südtirol gelten können, nennt Oskar Niederfriniger in der zitierten Publikation von 1994:
• die Aufnahme von Insektiziden durch die Nahrung,
• die Verminderung der Nahrung,
• der Mangel an geeigneten Schlaf- und Fortpflanzungsstätten durch Verschluss von Einflugöffnungen in Dachböden, Kirchtürmen, Kellerräumen und dgl.,
• die Behandlung der Dachbalken mit giftigen Imprägnierungsmitteln,
• die Entfernung von traditionellen Höhlenbäumen und andere forstwirtschaftliche Maßnahmen,
• die Beunruhigung und Störung imWinterquartier.