Auf den Tag genau sechs Monate später lähmte sie die Nachricht vom Unfalltod ihres 21-jährigen Sohnes Valentin. Ida und ihre Kinder versanken ein zweites Mal in einem Meer von Tränen. „In Monn zu verliern tuat wea, obr pan ognan Kind tuats nou viel mea wea“, sagt sie. Valentin war auf der Straße in Richtung Mals mit dem Auto ins Schleudern geraten und an einen Baum geprallt. Er wollte in Laas den Grabstein für seinen Vater holen.
Oftmals kreisen Idas Gedanken um diese schwere Zeit. „Ma muaß olz drpockn, irgatwia kriagsch di Kroft“, meint sie.
Als zweitjüngste von 12 Kindern wuchs sie auf dem elterlichen Bauernhof in Schlinig auf. „Zun Leebm hot ma olz selbscht kopp unt onfoch glepp“, sagt sie. Die Feld- und Stallarbeit gehörten zu ihrem Alltag. Ida besuchte die italienische Schule. Der faschistische Geist war überall zu spüren und später auch der Geist der Option. Ihre Familie zählte zu den Dableibern. Die Kinder bekamen eine Zeitlang die spöttischen Zurufen „eis Walsche“ zu hören. Die Situation beruhigte sich.
Ida hätte gerne Köchin gelernt, doch ihre Schwester, die einen Schliniger Bauern geheiratet hatte, brauchte ihre Hilfe. „Zwölf Johr bin i pa dr Schweschtr in Dianscht gweesn“, meint sie. Nebenbei wusch und bügelte sie Kleider für Finanzbeamte, die in Schlinig stationiert waren. Die paar Lire waren ihr willkommen. Denn sie ging gerne zum „Wirt“ zum geselligen Plausch und zum Tanzen. „Musi hoobm miar a schlechte gkopp“, erklärt sie. Auch ihr späterer Mann Martl hielt sich oft beim „Wirt“auf. Er lebte mit 17 Geschwistern in Idas Nachbarschaft. Sie gefiel ihm. Auf dem „Gollimorkt“ tanzten beide dann ausgiebig im „Gasthaus Sonne“ in Mals. “Selm isch di Musi bessr gweesn“, meint sie. Dem „Gollimorkt“ fieberte sie jedes Jahr entgegen. Es machte ihr nichts aus, dass sie zu Fuß dorthin gehen musste. Ihre Ohrringe erinnern sie noch heute an einen der Marktbesuche. Mit Wut im Bauch habe sie sich diese „beim Zwick“ gekauft, um eine vorausgegangene Auseinandersetzung daheim besser „verdauen“ zu können, erzählt sie. An eine Hochzeit mit Martl war lange nicht zu denken. „Miar hoobm boade nichts gkopp“, betont sie. Erst nachdem er als Zuchtwart etwas verdiente, konnten sie die gemeinsame Zukunft planen. Martl erhielt einen Kredit und kaufte ein kleines altes Haus am Burgeiser Hauptplatz. Im April 1956 führte er Ida bei der Frühmesse in Schlinig zum Traualtar. Die zweitägige Hochzeitsreise führte sie zur Wallfahrtskirche nach Pinè. Im Parterre des Hauses befand sich ein Stall, und die Frischvermählten kauften sich eine Kuh. Der Stadel fehlte. „S Hai hoobmer pa ondere inglegg unt i hon’s norr mitn Ziachwaagale gholt“, erklärt sie. Ida schaute daheim nach dem Rechten und umsorgte die fünf Kinder während Martl landauf landab unterwegs war. Später arbeitete sie stundenweise als Zugehfrau. 1964 pachteten sie einen Stall und bauten ihr Haus um. Ida und ihr Mann setzten alles daran, dass ihre Kinder eine gute Ausbildung genießen konnten. „Wenn dr Martl gstorbm isch, sain si schun asn Ärgschtn gweesn“, meint sie. Bescheidenheit und Sparsamkeit prägten ihr Leben. „Pan Frisör bin i lei onmol geweesn, pa dr Hoazat, unt selm hot dr Taft olz filzig gmocht“, lacht sie. Ihre erste Reise – ein Geschenk der Kinder- führte sie zu ihrem 60. Geburtstag in den Vatikan. Sie sah den Papst auf dem Petersplatz und hielt die bewegenden Eindrücke in einem Tagebuch fest. Nicht gefallen hat ihr der Kuraufenthalt in Abano Terme. „Sel isch koa Urlaub“, bekräftigt sie. „Mittn in dr Nocht kemman si oam zun Fango weckn.“
Den Blick in die Welt öffnen ihr heute das Radio und die Zeitungen. „Mitn Fernsehn ischas nit groaß“, sagt sie. Viel Zeit verbringt sie mit Stricken. Zum Tagesablauf gehört ein Kirchenbesuch, trotz ihrer schmerzenden Hüfte. „So longs geat, gea i mitn Steckn“, sagt sie. Oft steht sie am Grab ihrer Lieben. Die Wunden sind verheilt, doch die Narben tun noch weh, auch nach 34 Jahren und besonders zu Weihnachten.
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