Dienstag, 11 November 2014 09:06

Nationalpark Stilfserjoch - Monitoring der faunistischen Biodiversität – Die Felderhebungen 2014 in alpinen Lebensräumen

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MB 2014Wolfgang Platter, am Martini-Tag, 11. November 2014

Wenn man korrekte und glaubhafte Aussagen über den Biodiversitätsverlust, also über den Verlust von tierischen und pflanzlichen Arten oder von Lebensräumen machen will, muss man qualitativ gute wissenschaftliche Datengrundlagen über einen längeren Vergleichszeitraum haben.

Der Begriff Biodiversität zieht in die öffentliche Diskussion erstmals nach der internationalen Konferenz von Rio de Janeiro im Jahre 1992 ein. Im Jahre 2010 hat an der römischen Universität La Sapienza die erste nationale Konferenz zur Biodiversität in Italien stattgefunden. In der Folge wurde ein Zehnjahresplan zum Erhalt der Biodiversität in Italien 2010-2020 erstellt.
Der Nationalpark Stilfserjoch  beteiligt sich mit den drei anderen Nationalparken im italienischen Teil des Alpenbogens Gran Paradiso, Val Grande und Belluneser Dolomiten an dem Projekt „Monitoring der Biodiversität in alpinen Lebensräumen“. Der heutige Beitrag ist diesem Projekt zur Erhebung der Artenvielfalt und deren Gefährdung durch Veränderungen gewidmet.

Faunistisches Monitoring der Biodiversität im Nationalpark Stilfserjoch
068C2 Odonati LibellulidaeDem Projekt liegt der fachliche Ansatz zugrunde, dass bestimmte Tierarten empfindliche Zeigerarten, sogenannte Biodindikatoren, für Veränderungen in ihren Lebensräumen sind. Als besonders taugliche Zeiger für Umweltveränderungen erweisen sich die Insekten. Insekten machen über 70% aller bis heute beschriebenen und bekannten Tierarten aus. Insekten haben kurze Lebenszyklen und viele Generationen, Insekten dringen in die verschiedensten Lebensräume vor.
Wir haben im Gebiet des Nationalparks entlang eines Höhentransektes von der subalpinen bis zur nivalen Höhenstufe Probeflächen ausgewählt, um auf diesen Flächen von Frühjahr bis Herbst in vierzehntägigen Begehungen die in Bodenfallen gefangenen Insekten einzusammeln und diese anschließend nach ihren Familien, Gattungen und Arten zu bestimmen.
Der methodische Ansatz ist folgender: Auf den ausgewiesenen Probeflächen werden in zwei aufeinanderfolgenden Sommern die vorhandenen Tiere der ausgewählten Tiergruppen erhoben; die Artenanzahl wird aus den beiden Erhebungsjahren gemittelt. Nach fünf Jahren Pause wird die Felderhebung auf den gleichen Probeflächen wiederholt und die Tierarten erneut bestimmt. Aus dem Vergleich der erhobenen Artenanzahl lässt sich die  Ab- oder Zunahme des Artenvielfalt oder Biodiversität quantifizierend ermitteln. Neben verschiedenen Gruppen von Insekten und Spinnen werden auch die Vögel als aussagekräftige Bioindikatoren herangezogen.
Im abgelaufenen Sommer 2014 wurden im Südtiroler Parkanteil 32 und im trentiner Parkgebiet 15 solcher Probeflächen eingerichtet. Im lombardischen Flächenanteil ist die Erhebung der Zeigerarten schon im Sommer 2013 begonnen und heuer im zweiten Jahr fortgesetzt worden. Im Südtiroler und trentiner Parkgebiet wird die Wiederholung im kommenden Sommer 2015 erfolgen.
Der Kartenausschnitt zeigt die Lage der Probeflächen in den drei Länderanteilen des Nationalparks.

Erhobene Tiergruppen der Wirbellosen
285C3Im Zuge der Erhebungen der faunistischen Biodiversität in  alpinen Lebensräumen wurden folgende Wirbellose als Bioindikatoren herangezogen: Aus der großen Gruppe der Käfer die Familie der Laufkäfer (Carabidae) und der Kurzflügler (Staphylinidae), von den Spinnentieren (Arachnida) die Familie der Webspinnen (Aranae), von den Hautflüglern die Ameisen (Formicidae), von den Schmetterlingen die Tagfalter (Lepitoptera rhophalocera), weiters die Heuschrecken (Orthopteren) und die Libellen (Odonati).

Fangmethoden und -zahlen
s40 tabBodeninsekten wurden in Bodenfallen in Form von Bechern mit Essigködern gefangen, Schmetterlinge durch Beobachtungen bestimmt; nur schwierig zu bestimmende Arten wurden mit mit Fangnetzen gefangen, um sie nachher sicher zu bestimmen.
Die nachfolgende Tabelle gibt eine Vorstellung  der Stückzahlen von den mittels Bodenfallen im Zeitraum Mai bis September  2014 gefangenen  Wirbellosen im trentiner und Südtiroler Parkanteil. Die Partschinserin  Birgit Unterthurner, Studentin an der Universität für Bodenkultur in Wien,   hat die 32 Probeflächen im Südtiroler Länderanteil des Nationalparks im Sommer 2014 gewissenshaft betreut und die Fangbecher entleert.  

285C2 Ortototteri AcrididaeFür die Wintermonate gibt es für die Taxonomen am Naturmuseum Trient  unter den Projektkoordinatoren Dr. Valeria Lencioni und Dr. Mauro Gobbi also Arbeit genug zur Aufschlüsselung der gefangenen Individuen nach Arten. Insgesamt vier Taxonomen als Experten für die jeweilige Tiergruppe  werden die verschiedenen Arten  im Labor bestimmen. Für schwierig zu bestimmende Arten muss das Mikroskop zur Erkennung der Art-Merkmale herangezogen werden.

Ornithologisches Monitoring
Die Vögel wurden durch zweimaligen Besuch der Probeflächen erhoben. Dabei wurden die Termine an den Beginn und an das Ende der Brutsaison gesetzt, so dass die Vogelarten nach brütenden und nicht brütenden Arten  und Durchziehern unterschieden werden können. Das Ansprechen der Vögel erfolgt durch Sichtbeobachtung und das Zuordnen der Stimmen und Rufe aus  Hörproben . Dabei ist die zeitliche Dauer der Hörproben standardisiert.  

Vegetationserhebungen
250C4 Lepidotteri LycenidaeZur Charakterisierung der verschiedenen Lebensräume wurden auf den Probeflächen auch Vegetationsaufnahmen gemacht, ebenso das Mikroklima mit der Lufttemperatur als Parameter  über Datenlogger aufgezeichnet.
Die Aussagekraft der Daten  wollen wir durch Wiederholung des Monitorings im nächsten Jahr erhöhen und absichern. Aus dem Mittelwert zweier Erhebungsjahre ergibt sich eine höhere Datenqualität. Es ist anzunehmen, dass der besonders niederschlagsreiche Sommer 2014 im Vergleich zu einem trockeneren Sommer andere Arten- und Individuen-Zahlen unserer Bioindikatoren ergibt. Und im Zusammenhang mit gesicherten Aussagen zur Zu- oder Abnahme der Biodiversität sind ohnehin Langzeiterhebungen notwendig, welche eine historische Datenreihe ergeben. Insofern sind die vorigjährigen und die heurigen Erhebungen im Feld ein Anfang einer Messreihe, die umso aussagekräftiger und verlässlicher wird, je länger sie fortgesetzt wird.  Über die Auswertung und Aufschlüsselung nach Arten werde ich zu einem späteren Zeitpunkt gerne wieder berichten.

122C1Hätten Sie das für möglich gehalten, dass das Gewicht aller Ameisen auf unserer Erde dem Gewicht aller Menschen entspricht? Ich habe diese Angabe dem wissenschaftlichen Sachbuch von Bert Hölldobler und Edward O. Wilson „Auf den Spuren der Ameisen“  (Springer Spektrum, 2. Auflage 2013) entnommen.

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