„Man hat sich überlegt, ob dieser Kindergarten in diesem Zustand überhaupt noch sanierbar sei oder ob man an einen Neubau denken sollte.“
Vor zwanzig Jahren wurde das undichte Dach erneuert. Die Sanitäranlagen wurden vor 15 Jahren saniert. Seither ist nichts mehr getan worden. Im Hause herrschte extreme Feuchtigkeit. Die Heizung war das ganze Jahr über eingeschaltet. Die Einteilung der Räumlichkeiten mit den zwei Gruppenräumen entsprach jedoch den Erfordernissen des Kindergartenbetriebes. Die Dachkonstruktionen wurden damals sehr aufwändig mit Holsteindecken betoniert. Eine grobe Kostenberechnung hat ergeben, dass ein Neubau teurer wäre als eine Sanierung. Also entschied man sich für eine Sanierung. Die entsprechende Ausschreibung hat Architekt Roland Seidl gewonnen.
Die Planungsphase hat sich über zwei Jahre hingezogen. Die Kindergartenreferentin organisierte regelmäßige Treffen mit dem Kindergartenpersonal und dem Architekten. So konnten auch die Erzieherinnen ihre Erfahrungen, Kompetenzen und die neuen Anforderungen eines zeitgemäßen Kindergartens in die Planung einbringen. Auch der Landesarchitekt Josef March wurde konsultiert.
„Der Baukörper wurde belassen, der war allerdings nichts mehr wert“, verrät Seidl bei meinem Besuch in seinem Atelier. Er habe ihn stehen lassen, schon wegen der knappen Bauzeit. Im Prinzip ist nur mehr der Rohbau übrig geblieben. Der Rest ist komplett ausgetauscht worden. Wenn wir den Kindergarten niedergerissen und neu aufgestellt hätten, dann wäre das in den Sommerferien nicht möglich gewesen. Da hätten wir ein Jahr aussiedeln müssen.
Die Atika-Dächer (Atika=Abschlusswand zur Verdeckung des Daches) waren von Anfang an Problemdächer. Im Rahmen der letzten Sanierung wurden auf die Blechbedachung 50 cm hohe Nagelbinder und eine weitere Blechabdeckung gelegt. Ungewollt entstand eine Dampfsperre, welche das feuchte Raumklima verursachte. Daher mussten die Dächer bis auf die Betondecke abgebaut werden. Die Nagelbinder wurden wieder eingebaut und aufgedämmt. Mit einer zweiten Dachschalung wurde das Dach diffusionsoffen gemacht. „Das hat eine wilde Arbeit gegeben“, resümiert Seidl.
Die Kellermauern wurden bis zu den Fundamenten freigelegt und heruntergedämmt. Gleichzeitig wurden Abflussrohre für die Dachrinnen verlegt. Der Vorhof ist gepflastert worden.
„Die flotte Anordnung der Räume, die war schon vorhanden. Das könnte man bei einem Neubau nicht viel besser machen“, gibt Seidl zu. Durch entsprechende Möblierung ist es ihm gelungen, eine hohe Multifunktionalität der Räumlichkeiten im Kindergarten zu schaffen. Die entstandene Raumgliederung ermöglicht den Kindern, in verschiedenen Kleingruppen zu spielen. Die Böden und die Einrichtung haben einen braunen, warmen Farbton. Die Wände sind weiß. „Für Buntheit und Farbtupfer sorgen schon die Kinder und ihre Spielsachen“, meint Seidl doppeldeutig. Die Fußbodenheizung ist fürs Herumsitzen und Rutschen der Kinder gedacht und sorgt gleichzeitig für angenehme Raumtemperatur.
Christine Theiner, die Leiterin des Kindergartens zeigt mir nicht ohne Stolz den „neuen“ Kindergarten. Dem Architekten sei es gelungen ein gesundes Raumklima zu schaffen und durch ausreichende Schalldämmung eine ausgezeichnete Akustik herzustellen. Der Lichteinfall sei optimal. Die kurzen ebenen Wege im Gebäude sind sowohl für die Kinder als auch für das Personal günstig. Die geplante Überschaubarkeit fördert die Raumnutzungskompetenz der Kinder und die Erzieherinnen können besser ihrer Aufsichtspflicht nachkommen.
Der Windfang sei energiewirtschaftlich eine zweckmäßige Sache und dient gleichzeitig auch als Schmutzschleuse. In der Vorhalle befindet sich die Garderobe mit dreiundvierzig Sitzplätzen. Das Foyer dient auch als Elternwarte- und Kontaktraum. Hier ist eine Empore dazugekommen, die oft und gerne von den Kleinen benützt wird. Derzeit ist die Kinderbibliothek dort. Diesen Bereich kann man immer wieder verändern.
Zu jedem Gruppenraum ist ein kleinerer Zusatzraum dazugekommen. Das waren die ehemaligen Garderoben. Diese Intensivräume dienen der Kleingruppenarbeit. Sie sind derzeit als Mal-Ateliers ausgestattet.
Die Gruppenräume sind durch Einbauten gegliedert. Schränke und Regale dienen als Raumteiler. Spielepodeste und Spieletagen erweitern die Grundfläche und lassen die Kinder eine andere Raumperspektive erleben. Zudem grenzen Spielpodeste den Spielbereich gegenüber dem anderen ab.
„Die Kinder brauchen Rückzugsmöglichkeiten und finden sie hier durch Nischen, Podeste, Höhlen und Ecken“, erklärt mir Frau Theiner. „Aber auch die Gelegenheit sich als größere Gruppe zu treffen, ist gegeben. Das alles ist dem Architekten sehr gut gelungen.“
„Unser Herzstück, so möchte ich es einmal benennen, ist der Bewegungsraum“, fährt die Leiterin fort. „Er ist auf unseren Wunsch hin um die alte Küche erweitert worden. Es ist ein schön großer Bewegungsraum geworden. Er wurde mit Spezialboden für die Gymnastik ausgestattet. An den Kletterwänden können sich die Kinder erproben. Die unterschiedlichen Turngeräte dienen für gezielte Bewegungsangebote. Bewegung zu ermöglichen ist wichtig. Nicht umsonst wird die Kindergartenzeit als eine „bewegte Zeit“ für Kinder definiert – und so sollte es nicht nur im übertragenen Sinne sein.“
Im geräumigen Leiterinnenzimmer befindet sich neben der Büroausstattung ein großer Tisch für die Teambesprechungen. Er befindet sich direkt neben dem Eingang. Die Küche befindet sich nun im Nordtrakt, in der ehemaligen alten Wohnung. Im Außenspielgelände wurde zusätzlich ein Wasser-Matsch-Bereich geschaffen.
„Im Haus ist es ruhig, wenn auch vierzig Kinder da sind“, betont abschließend Frau Theiner. „Die Wohnqualität ist topp. Das haben sie wirklich „eins A“ gemacht. Selbst die Kinder sagen: Wir haben so einen tollen Kindergarten!“
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