Dienstag, 24 Juni 2014 14:48

„Es liegt an uns Latschern...“

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s6 8727Seit dem 9. März 2014 ist Helmut Fischer BM von Latsch. Nach seinen ersten 100 Tagen spricht Fischer über den Lift auf die Tarscher Alm, über die privaten Anschlüsse an die Beregnungsleitung, über die Stromgeschichte, die Zukunft von Schloss Goldrain, über das Einkaufszentrum Herilu. Fischer sagt, dass man den Radweg durch Latsch nicht als Allheilmittel betrachten kann und er fordert klar definierte Ziele und vor allem eine gemeinsame Kommunikation in der Bezirksgemeinschaft.

Interview: Erwin Bernhart I Foto: Philipp Trafoier

Vinschgerwind: Herr Bürgermeister, wann gibt es die erste Gemeinderatssitzung in Goldrain oder in Tarsch oder in Morter?


Helmut Fischer: Ich habe dies dem Gemeinderat vorgeschlagen. Positive Rückmeldungen oder gar einen definitiven Termin hat noch keiner vorgeschlagen.
Dies wäre ein Zeichen, die Spaltung zwischen den Fraktionen etwas zu überwinden. Was ist noch im Laufen, um die Fraktionen Latsch, Goldrain, Morter, Tarsch und St. Martin im Kofel zusammenzuführen?
Vor allem sind es die konkreten Bauarbeiten, die überall laufen, sei es in Goldrain, Morter oder Tarsch, auch in Latsch. Aus meiner Sicht wären solche Sitzungen wichtig, auch damit die Gemeinderäte sich über die Probleme der Fraktionen besser informieren könnten.
Der Lift auf die Tarscher Alm steht kurz vor der Wiederinbetriebnahme. Wie wird die Gemeinde Latsch zum Gelingen des Liftbetriebes beitragen?
Der Tourismusverein ist Besitzer der Liftanlagen. Derzeit wird fleißig an der Wiedereröffnung gearbeitet. Am Freitag (27.06.2014 Anm. d. Red.) ist die erste Kollaudierung. Der genaue Eröffnungstermin steht noch nicht fest. Die Gemeinde unterstützt das Vorhaben vorerst bei den Verhandlungen mit den Fraktionen.
Sie haben im Vorfeld von einem Führungsbeitrag gesprochen.
Man muss die Liftbetreiber zuerst arbeiten lassen, um zu schauen, wie der Betrieb läuft. Dann kann man im Nachhinein feststellen, wo die Unterstützung der Gemeinde notwendig sein wird. Auch weil die Gemeinde beim Tourismusverein dahingehend auf offene Ohren gestoßen ist, dass wir eine familienfreundliche Liftkarte haben möchten. Dass Familien und Kinder zu günstigen Tarifen fahren können, dass der Zubringerdienst erschwinglich bleibt, dafür setzt sich die Gemeinde stark ein.
Der Tourismusverein hat eine Führungsgesellschaft für den Lift eingerichtet. Wenn die Gemeinde eine finanzielle Unterstützung gewährt, geht die dann in Richtung Tourismusverein?
Wir sind noch nicht soweit, dies rechtlich abgeklärt zu haben. Die zwei Gesellschaften sind zwar ernannt, aber noch ist nicht klar, wer die Führung übernehmen soll. Da ist man noch beim Überlegen.
Die privaten Anschlüsse an die Beregnungsleitungen sind auch in Latsch ein Problem. Der Wunsch des Bonifizierungskonsortiums Vinschgau ist es, dass die Gemeinde Latsch die Verantwortung für diese Anschlüsse übernimmt. Wie weit sind da die Verhandlungen gediehen?
Grundsätzlich läuft alles weiter, wie es bisher war. Im Dorf Latsch ist die Gemeinde zuständig, wie bisher. Gemeinsam mit der Bonifizierung arbeiten wir an einer endgültigen Lösung. Die Richtung ist so, dass wir auf der einen Seite nicht kostbares Trinkwasser für die Gartenberegnung verwenden werden, auf der anderen Seite kann die Konzession für Beregnung nicht durch eine Gartenbewässerung aufgeweicht werden. Da sind rechtliche und politische Entscheidungen notwendig, bei denen auch das Amt für Gewässerschutz mitarbeitet. Schließlich spielt hier die EU auch eine Rolle. Wir arbeiten an einer Lösung, die für alle zufriedenstellend sein wird.
Ist eine Lösung im nächsten Jahr in Sicht?
Wir hoffen es.
Den Gemeinden Martell, Laas und auch Latsch ist ein Strombezugsrecht am Stausee Martell mit dem Kraftwerk in Laas zugestanden worden. Können die Gemeinden bereits dieses Recht nutzen?
Noch nicht. Ich bin dabei, mich in diese Materie einzuarbeiten. Meine Kollegen und ich waren am vergangenen Freitag bei der Hydros in Bozen. Es ging dabei um die Verteilung der Umweltgelder, die in Bezug auf Umweltmaßnahmen eingesetzt werden sollen. Eine Direktbeteiligung oder ein Strombezugsrecht ist allerdings in Form von Geld in Aussicht.
Die Konvention mit der Genossenschaft Schloss Goldrain läuft in zwei Jahren, also 2016, aus. Das Schloss gehört der Gemeinde Latsch, das Bettenhaus würde dann in Besitz der Gemeinde Latsch übergehen. Welche Gedanken für eine Lösung macht man sich in der Gemeinde Latsch?
Vorausgesetzt, dass der Gemeinderat am 30. Juli meinen Vorschlag akzeptiert, wird der Bürgermeister als Vertreter der Gemeinde Latsch in den Verwaltungsrat von Schloss Goldrain gehen. Auch um zu unterstreichen, dass Schloss Goldrain für uns wichtig ist. Ich war bereits bei einer Verwaltungsratssitzung. Man hat sich da zum Ziel gesetzt, in den nächsten Monaten, also bis zum Winter, eine Lösung zu finden und die dem Gemeinderat dann zu unterbreiten. Es geht um die Fragen, ob die Genossenschaft weiterbestehen soll, ob alles in die Gemeinde Latsch einverleibt werden soll. Wenn die Genossenschaft weiterbestehen soll, wird man eine finanzielle Sicherheit suchen müssen...
...bisher haftet der Obmann der Genossenschaft persönlich...
Man hat mir gesagt, dass sich früher eigentlich die Bezirksgemeinschaft hätte beteiligen sollen. Das ist nicht passiert. Es ist nun meine Aufgabe, diesbezüglich einmal nachzufragen. Deshalb ist es vorerst wichtig, dass ich in den Verwaltungsrat gehe, um mitentscheiden zu können, wie es mit dem Juwel Schloss Goldrain weitergehen wird.
Schloss Goldrain soll also nicht ausschließlich ein Latscher Problem sein?
Das möchte ich nicht. Ich sehe Schloss Goldrain auch nicht als Problem. Ich werde mit meinen Kollegen im Bezirk abchecken, was ausgemacht worden ist. Ich glaube, wir müssen als Vinschger Gemeinden übergemeindliche Vorhaben viel stärker definieren, die wir gemeinsam tragen. Ich bin erst seit drei Monaten dabei. Spätestens, wenn die Wahlen 2015 geschlagen sind, ist es mir ein Anliegen, dass wir im Bezirk nicht nur den Müll und die Sozialdienste gemeinsam verwalten, sondern auch andere Dinge. Da werden wir uns zusammenraufen müssen, um zu definieren, was von Bezirksinteresse ist. Dass wir nicht nach dem Motto arbeiten, wie die Jungfrau zum Kinde kommt, der darf’s behalten.
Wird es unter Ihrer Amtszeit eine Erweiterung des Einkaufszentrums Herilu geben?
Das kann ich nicht voraussagen. Das Land hat den Raumordnungsvertrag abgelehnt. Wie es scheint, hat der Betreiber dagegen Rekurs eingelegt. Schauen wir, wie der Rekurs ausgeht. Es hat schon Vorsprachen von Seiten des Betreibers gegeben. Sicher ist, dass wir uns im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten bewegen werden. Wenn es eine Lösung gibt, bin ich der Erste, der für einen Schlussstrich in dieser Causa ist.
Latsch soll neu belebt werden. Der Radweg wird – trotzt gegenteiliger Forderungen der Wirtschaft – um Latsch herumführen. Welche Vision verfolgen Sie, um Latsch als Sport- und Apfeldorf positionieren zu können?
Es war von Anfang an klar, dass der Radweg nicht durch die Dörfer führen wird. Es war schon entschieden, wo die Trasse verlaufen wird, bevor die Wirtschaft den Radweg durchs Dorf gefordert hat. Ich glaube, dass es zu einfach ist, alles an den Radweg zu hängen und zu sagen, wenn der Radweg nicht durchs Dorf führt, stirbt die Wirtschaft. Ich möchte festhalten, dass seit 10 Jahren die ganzen Radfahrer durchs Dorf fahren und wir haben trotzdem einige Geschäfte, die geschlossen sind. Es kann also nicht alles am Radweg liegen. Wenn man den Radweg als Allheilmittel sieht, dann ist das falsch. Wir sind derzeit dabei, die Trasse fertigzustellen. Die Möglichkeiten, dass die Radfahrer nach Latsch hineinfahren, sind alle gegeben. Dann liegt es an uns Latschern, an den Kaufleuten, an den Tourismustreibenden, an den Bürgern, dass wir unser Dorf so gestalten, dass die Leute zu uns kommen. Allein die Tatsache, dass der Radweg durch Latsch führt, das hat die Vergangenheit gezeigt, bewirkt nicht, dass Latsch aufblüht. Wobei ich schon sagen muss, dass Latsch gar nicht so schlecht dasteht. Wir liegen nicht am Boden. Die wirtschaftliche Entwicklung geht halt auch an Latsch nicht vorbei. Dass kleinere Geschäfte schließen, dass die Großen immer größer werden, das ist eine Entwicklung in ganz Südtirol, in Italien und in Europa.
Befürworten Sie diese Entwicklung?
Nein, aber ich kann sie nicht ändern. Wenn man den Vergleich mit den Obstgenossenschaften anstellt, auch dort wird fusioniert, um Kosten zu sparen. Ich kann diese wirtschaftliche Entwicklung kommentieren, ich kann aber die Weltwirtschaft nicht ändern. Jeder sagt, ein Tante-Emma-Laden wäre schön, eingekauft wird dann aber im großen Supermarkt.
Latsch als Sport- und Apfeldorf?
Es muss uns - neben dem leidigen Thema Abdrift - gelingen, auch die positiven Aspekte der Apfelwirtschaft darzustellen. Die Obstindustrie ist da bereit und gewillt, sich einzubringen. Wir haben super Sportanlagen, die wir gut nutzen wollen. Bei einer informellen Gemeinderatssitzung haben wir erst vor kurzem die Frage aufgeworfen, was wir mit den Sportanlagen tun wollen. Es gibt zwei Möglichkeiten: Wir können die Anlagen nach außen vermarkten, dann bleiben unsere einheimischen Vereine auf der Strecke. Oder wir sagen, und das ist die Meinung auch im Gemeinderat, die einheimischen Vereine haben Vorrang und die restliche Zeit werden die Anlagen auch an andere vermarktet. Wir möchten in Zukunft Latsch vor allem als Aktiv-Dorf sehen. Wir haben mit den Mountainbikern eine neue Kundschaft für Latsch erschlossen. Auch mit Nachteilen bei der kostspieligen Wegerhaltung usw.. Aktiv-Sport möchten wir aber fördern.
Können Sie sich vorstellen, dass in Latsch ein neues Gewerbegebiet im Osten entsteht?
Diese Frage steht demnächst an. Wenn man die Entwicklung von Latsch im Auge behalten will, bin ich persönlich der Meinung, dann darf man dies nicht zulassen. Es ist besser, eine bestehende Industriezone zu erweitern, die bereits sämtliche Infrastrukturen und Erschließungen hat. Man soll sich da nicht verzetteln, weil man Infrastrukturen bezahlen und vor allem erhalten wird müssen. Wir haben immer mehr laufende Ausgaben zu bestreiten. Aber das muss der Gemeinderat entscheiden.
Sie sind für 6 Jahre als BM gewählt. Wie stellen Sie sich die Gemeinde Latsch nach diesen 6 Jahren vor?
Ich stelle mir vor, dass die Gemeinde am Geschehen teilnimmt, sowohl in der Politik, als Wirtschaftsstandort. Wir möchten uns ganz aktiv miteinbringen, in allen Bereichen, im Bezirk, auf Landesebene. Nur wer mitredet, kann mitentscheiden und mitgestalten. Da sehe ich die Rolle von Latsch als sehr wichtig. Latsch soll sich nicht in ein Schneckenhaus zurückziehen. Es gibt einige Themen, die man als Gemeinden gemeinsam angehen könnte und die man aufeinander abstimmen könnte. Gerade das Thema Gemeindeimmobiliensteuer würde sich da anbieten. Wieso können wir dieses Thema als Gemeinden nicht gemeinsam kommunizieren? Jede Gemeinde versucht Türchen für Ermäßigungen zu finden. Wenn wir als Gemeinden den Bürgern ehrlich sagen würden, dass wir kaum Spielraum haben und die Einzahlungen benötigen, um Bedürfnisse der Gemeinden zu befriedigen, dann stünden wir als Gemeinden besser da. So kämpft jede Gemeinde für sich.


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