Dienstag, 18 März 2014 00:00

Dorfsennerei Prad – mutiger Neuanfang mit einigen Schwierigkeiten

Artikel bewerten
(0 Stimmen)

s48 paulmDie Dorfsennerei war früher für die Milchbauern die wichtigste Einrichtung. Jedes Dorf hatte eine eigene Sennerei. Der Senn produzierte Butter und Käse und verkaufte Milch. In der Früh und am Abend standen die Bauern Schlange, um ihre Milch abzuliefern. Alle wichtigen Informationen wurden am Schwarzen Brett angeschlagen. Somit war die Sennerei nicht nur Verarbeitungsstätte, sondern auch ein wichtiges Informations- und Kommunikationszentrum.   

von Heinrich Zoderer

Nachdem 1962 in Spondinig von 10 Vinschgauer Sennereien der Grundstein für die Gründung der Mila beschlossen wurde, begann langfristig auch der Niedergang der Dorfsennereien. Heute gibt es im Vinschgau nur mehr die Dorfsennerei in Burgeis und in Prad. Die Sennerei Prad kann auf eine lange Tradition zurückblicken.

Früher hatte jedes Dorf seine Sennerei, heute gibt es nur mehr in Burgeis und Prad eine


Ein „Sennerei-Büchl“ aus dem Jahre 1873 weist auf die Existenz eines Sennereibetriebes im 19. Jahrhundert hin. 1903 wurde ein neues Gebäude errichtet, welches über 100 Jahre als Dorfsennerei diente. In den 60er Jahren hat die Milchproduktion kontinuierlich zugenommen und mit 700.000 Liter pro Jahr in den 70er Jahren den Spitzenwert erreicht. In den 80er Jahren stand es sehr kritisch um den Fortbestand der Dorfsennerei. Bereits in den 70er Jahren hatten Beamte der Landesgesundheitspolizei hygienische Verbesserungen gefordert. Wegen gravierender Verschmutzung der Milchprodukte und des Fehlens eines Pasteurisierungsapparates wurde vom Landesamtsarzt die Schließung der Sennerei angedroht. Georg Stillebacher, der  von 1969 bis 1990 mit einer kurzen Unterbrechung Obmann der Sennerei und auch lange Bürgermeister von Prad war, musste in vielen Resolutionen und Protestschreiben die bedrohte Schließung abwehren. Aber die Landesregierung unter dem damaligen Landwirtschaftsassessor Durnwalder gab kein Geld für alt gewachsene Dorfstrukturen wie eine Sennerei aus, sondern förderte lieber Großstrukturen wie die Mila.

Hygienekontrollen und viele Vorschriften führten beinahe zur Schließung

Die Mila konnte den Bauern auch sehr lange gute Milchpreise und damit ein sicheres Einkommen garantieren. Deshalb ist es verständlich, dass die meisten Bauern ihre Milch an die Mila lieferten. Gleichzeitig an die Mila und an die Dorfsennerei Milch zu liefern, war nicht möglich. Nur durch die finanzielle Unterstützung der Raiffeisenkasse Prad ab 1986 konnte die Dorfsennerei erhalten werden. 1999 wurde von 24 Bauern die „Sennerei-Genossenschaft-Prad“ gegründet und damit der Grundstein für einen Neubeginn s49 DorfsennereiPradgelegt. Nachdem im Jahre 2005 im Leitbild Prad  von der Bevölkerung der Wunsch zur Erhaltung der Dorfsennerei sehr stark geäußert wurde, kaufte die Eigenverwaltung Prad 2006 das alte Sennereigebäude und setzte alles daran, an derselben Stelle ein neues Gebäude mit einem kleinen Laden zu errichten. Der junge Prader Architekt Martin Stecher projektierte neben dem Dorfplatz ein modernes Gebäude mit ebenerdigem Eingang. Die Baukosten übernahm die Eigenverwaltung, 80.000 Euro stellte die Gemeinde für die Einrichtung bereit und die Raiffeisenkasse gab einen günstigen Kredit.  

Am 2. November 2011 wurde im neuen Sennereigebäude die Produktion aufgenommen

Mit viel Idealismus hat der neue Vorstand unter dem Obmann Alois Burger den Neustart gewagt. Am 2. November 2011 konnte die Produktion im neuen Gebäude aufgenommen werden. Regionale Produkte von hoher Qualität lagen im Trend, 13 Bauern lieferten täglich ihre gentechnik- und silofreie Milch. Mit Martin Paulmichl, der seine Ausbildung als Senn in der Schweiz gemacht und bereits seit 2002 in der Sennerei gearbeitet hatte, konnte eine qualifizierte Person für die Milchverarbeitung gewonnen werden. Doris Kostner Riedl ist die freundliche Verkäuferin im Geschäft. Das Ziel war es, rund 450.000 Liter Milch jährlich zu verarbeiten und den Bauern einen Preis von 0,40 Euro pro kg auszuzahlen. Ein Drittel der Produkte sollte im eigenen Geschäft, ein Drittel an die Gastronomie der Umgebung und ein Drittel an verschiedene Geschäfte im Lande verkauft werden. Alois Burger, der Obmann, berichtet mit großem Bedauern, dass diese Ziele nicht erreicht wurden und deshalb der junge Sennereibetrieb in einer kritischen Situation steckt. Zwei Bauern sind abgesprungen, nachdem nur 37 Cent pro kg ausbezahlt werden konnten. Insgesamt werden heute rund 1.000 Liter Milch täglich zu 90 kg Käse verarbeitet. In den Sommermonaten sind es nur 400 bis 500 Liter. Drei Sorten Käse, Sennereibutter und das Prader Butterschmalz werden täglich hergestellt. Eine Besonderheit stellt dabei das Prader Butterschmalz dar, das nach Martin Paulmichl zum Kochen für eine gesunde Ernährung sehr geeignet ist. Die Milch wird nicht pasteurisiert, sondern auf 65 Grad erhitzt und dann verarbeitet.

Es braucht neue Verkaufskonzepte und Kooperationspartner

Nach Obmann Burger sind die Lebensmittelgeschäfte Rungg und der Genussmarkt „Pur Südtirol“ aus Meran heute die wichtigsten Kunden, es ist aber nicht richtig gelungen, die Gastronomie und andere große Geschäfte als wichtige Abnehmer zu gewinnen. Durch den Umstieg vieler Milchbetriebe auf den Obstanbau wird insgesamt viel weniger Milch produziert. Sollte das so weitergehen, ist ein Fortbestand des Sennereibetriebes gefährdet. Deshalb sind neue Verkaufskonzepte und neue Kooperationspartner gefragt. Ende April wird bei der Vollversammlung ein neuer Vorstand gewählt. Dieser muss die Weichen für die Zukunft stellen. Aber wahrscheinlich braucht es die Mithilfe der ganzen Bevölkerung und verschiedener Institutionen, damit die Sennerei auf eine sichere Zukunft bauen und die alte Tradition auch im 21. Jahrhundert fortführen kann.


Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /www/htdocs/w00fb819/vinschgerwind.it/templates/purity_iii/html/com_k2/templates/default/item.php on line 248
Gelesen 3159 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 19 24

titel Vinschgerwind 18-24

titel vinschgerwind 17-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.