Ich durfte sie für ein paar Stunden begleiten und bekam einen kleinen Einblick in ihren Tagesablauf. Ein Knochenjob, der Kraft, Energie und Leidenschaft abverlangt.
Das Erste, das ich sehe, als ich zu ihr ins Auto steige, sind Schneeketten, treue Begleiter im heurigen Winter. Ob nun Ketten montiert werden müssen, oder ein Hof auch mal zu Fuß erreicht werden muss, (wie es heuer auf Grund der großen Schneemengen vorkam), die Tiere müssen versorgt werden. Steigt sie vom Auto aus, ist ihr erster Weg meistens in den Stall, ein Arbeitsplatz der nicht jedermanns/frau Sache ist. Gummistiefel, Fieberthermometer und schulterhohe Handschuhe sind die ersten Arbeitsutensilien, die sie braucht.
Kleines Mädchen, große Kühe, erste Leidenschaft
Fragt man Mädchen nach ihrem Traumberuf, antworten viele „Tierärtztin“ und so war es auch bei Susi. Auf der Fahrt hoch zum Latscher Sonnenberg erzählt sie mir wie sie zu ihren „Rindviechern“ kam und sich ihren Traum der Veterinärmedizin ermöglichte. Das Interesse zur Medizin weckte in ihr ihr Vater, auch wenn sie nur wenig Zeit mit ihm verbringen durfte, da er verstarb als sie 4 Jahre alt war. Die Leidenschaft zu den Rindern, entdeckte sie in Verona. Ihr Großvater bewirtschaftete dort Obstgüter und sein Nachbar besaß einen Großbetrieb mit Kühen. Die Zeit verbrachte sie lieber dort, zum Leidwesen des Großvaters, denn für ein kleines Mädchen war doch der große Laufstall viel zu gefährlich! Doch es zog sie immer wieder dorthin, jede mögliche, freie Minute steckte sie im Stall.
So studierte sie in den 80er Jahren in Turin Veterinärmedizin und lernte bald schon die raue Realität kennen, denn Frauen in diesem Bereich waren rar und nicht gern gesehen.
Zu Studienzeiten half sie in einer Kleintierpraxis in Obermais aus und dort fand sie Zuspruch, die wichtige Bestätigung an sich zu glauben und ihren Weg zu gehen. Ihre Dissertation widmete sie sozusagen „ihren Rindviechern“ und kam beim Schreiben und Forschen ihrem Thema näher. Doch gleichzeitig spürte sie die Abwehrhaltung von Kollegen, denn zu ihrer Anfangszeit war der Beruf eine Männerdomäne. So war sie die erste auszubildende Frau in einer Praxis in Landshut, als sie als Praktikantin wichtige Erfahrungen sammelte.
So mancher Bauer ließ mich nicht in seinen Stall.
Die Anfänge, so erzählt sie, waren kein Honigschlecken. So mancher Bauer meinte, muaß zearsch der Popst kemmen, bevor du in mein Stoll innikimmsch.
Und wie es scheint kam der Papst, denn heute betreut sie auch diese Zweifler und das mit großem Eifer, Hingabe und gegenseitigem Respekt. Man merkt ihr die Liebe zu ihrem Beruf, zu ihren Tieren an, sie ist mit vollem Einsatz dabei. In den letzten 10 – 15 Jahren hat sich vieles geändert, zum Glück, es stiegen mehr Frauen in diesen Beruf ein und das Bild hat sich gewandelt. Frau Mendini konnte sich ein gutes Netzwerk aufbauen, auch mit ihren Kollegen, zu denen sie ein gutes Verhältnis hält. Man hilft sich gegenseitig.
Als Landtierärztin arbeitet sie für die Sanitätseinheit; in einem öffentlichen Wettbewerb gewann sie vor 8 Jahren den Zuschlag für das Gebiet Martell, Latsch und Kastelbell. Ihr Gebiet ist flächenmäßig relativ groß, die Bauernhöfe ziemlich weit zerstreut und dies bedeutet vor allem weite Anfahrtswege, zudem zimperlich darf sie nicht sein. Als Veterinärmedizinerin der Sanitätseinheit muss sie einen 24 Stunden Dienst über das gesamte Jahr garantieren. Das bedeutet „abrufbereit“ rund um die Uhr, an jedem Tag im Jahr, egal ob nachts oder an Feiertagen.
…da stellt sich mir die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Susi lebt mit ihrer Familie in Obermais, ihr Sohn hat sie auf so manchen Visiten begleitet, doch ohne gutem Netzwerk, Verständnis und Hilfe wäre es nicht möglich gewesen, alles unter einen Hut zu bringen. Sie kann am Morgen nie mit Garantie sagen, ob die Zeit für ein Mittagessen reicht oder ob sie am Abend pünktlich nach Hause kommt. Da braucht es jede Unterstützung, Kraft und Willen, um allen Rollen (Mutter, Hausfrau, Ärztin usw...) gerecht zu werden. Es gibt Momente, in denen auch sie zweifelt und hadert, doch im selben Moment wird sie auch wieder entschädigt.
Mit dem Ultraschallgerät im Stall
Gerufen wurde sie, da eine trächtige Kuh nicht mehr frisst. Untersucht wird sie genau, es scheint mit der Geburt nicht mehr lange zu dauern, da kann eine Aufbaukur noch gut tun. Es braucht schon etwas Mut, den großen Rindviechern entgegenzutreten, da sie auch zu meist am Hinterteil zu tun hat, als am Kopf. Aber das macht ihr nichts aus und da sie gerade hier ist, werden noch die anderen Kühe im Stall mit geschultem Auge gemustert. Da hat sie sich auch schon das Ultraschallgerät geholt und mit einem Dreh zeigt sie mir das kleine heranwachsende Kälbchen, Momente die für sie jedes Mal aufs Neue besonders sind. Der Bauer schmunzelt und stellt mir eine Kuh vor: „Des isch insre vierbeinige Susi, a von der Susi koult.“ Von der Susanne zur Susi, ich finde ein Zeichen der Wertschätzung der besonderen Art, für ihren unermüdlichen Einsatz.
Die meisten ihrer Patienten sind Rinder, Ziegen, Schafe, Schweine und ein paar Pferde, wobei die Pferdepraxis nochmals ein eigenes Gebiet wäre. Zum Unterschied zum Amtstrierarzt, hat sie nur mit lebenden Tieren zu tun. Schlachtung und Fleischbeschau sind nicht ihr Aufgabenbereich, es besteht ein Austausch unter den Ärzten, doch mit dem Zeitpunkt der Schlachtung gibt sie ihre Aufgaben ab.
Ihre Leidenschaft hat sie zu ihrem Beruf gemacht, verbringt man Zeit mit ihr, springt dieser Funke über. Wahrscheinlich schätzen sie die Bauern gerade deswegen.