Rudolf Pinggera, genannt Rudl, aus Langtaufers ist seit über drei Jahrzehnten Kaminkehrer in den Dörfern Schluderns, Glurns und Taufers i. M. Dort kennt er alle Hausfrauen, alle Hausherren und deren Befindlichkeiten. Und er weiß, wie deren Öfen, Kochherde und Kamine funktionieren.
von Magdalena Dietl Sapelza
Halli hallo“, so meldet sich Rudl am Telefon, wenn ihn jemand um seine Kaminkehrerdienste bittet, oder wenn er sich zum Dienst anmeldet. Er ist verlässlich und arbeitet sehr sauber, was viele zu schätzen wissen. Noch gut erinnert er sich an seinen ersten Einsatz als Lehrling im Jahre 1971 in einem Hotel in Sulden. Er musste säckeweise schwarzklebrigen Ruß aus dem Heizraum tragen, der vom Schweröl verursacht worden war. „Selm bin i s‘ earscht Mol ordala drecki gwortn“, lacht er. Den Ruß rubbelte er daheim mit Kernseife von Gesicht und Händen. Seither gehört die Kernseife zu seinem Arbeitsalltag. Rudl verfügt über fünf Garnituren Arbeitskleider und über eine Festtagskluft. Diese trägt er nur zu festlichen Anlässen. Zum ersten Mal trug er die Kluft damals zu Silvester in Sulden, wo er mit Kehrbesen und Kehrkugel stolz als Glücksbringer vor Hotelgästen aufmarschiert ist. „Selm hon i norr a mein erschtn Rausch kopp“, schmunzelt er.
Rudl wuchs in Langtaufers auf dem elterlichen Hof in „Perwarg“ mit zwei Brüdern und einer Schwester auf. Neben dem Schulbesuch gehörte das Ziegenhüten zu seinen Beschäftigungen als Kind. Mit 13 Jahren lernte er das Almleben kennen. Als Unterhirte war er zuerst einen Sommer lang auf der Kaproner Alm beschäftigt, dann beim Galtvieh auf dem Ochsenberg und schließlich auf der Grauner Alm. „Selm ischas streng gwesn“, erinnert er sich. „Zu dritt hobmer zwoamol fa Hond 76 Kiah gmolchn.“
Als er sich Gedanken über seine Berufswahl machte, kam ihm der Zufall zu Hilfe. Der Grauner Kaminkehrer suchte einen Lehrling und fragte ihn. „Nor hon i zearsch amol probiert unt nor weitrgmocht“, sagt er. Er stellte sich geschickt an. Oft musste er ins Innere der Kamine schlüpfen und den Ruß abkratzen. Diese so genannten „Schliafkamine“ befanden sich einst in vielen Küchen. Rudls Lehre dauerte drei Jahre lang. Den theoretischen Teil absolvierte er als Blockunterricht in der Berufsschule in Innsbruck. Als Geselle blieb er noch ein Jahr lang bei seinem Lehrmeister, dann arbeitete er mehrere Jahre nur noch im Winter als Kaminkehrer, und zwar in Leifers und in Meran. In den Sommermonaten war er als Grenzpendler bei einer Tiefbaufirma im Unterengadin tätig. 1988 machte er sich als Kaminkehrer selbständig und übernahm die Zone Schluderns, Glurns und Taufers i. M. Inzwischen hatte er Balbina Köllemann (Jg.1965) aus Pedross kennengelernt, die in einem Gasthof in Graun arbeitete. Die beiden heirateten ein Jahr später und zogen in Rudls Elternhaus in Perwarg. Später richteten sie sich in ihrem neuen Haus nebenan ein, das schon bald drei Kinder mit Leben füllten. Seine Arbeit als Kaminkehrer veränderte sich nach der Inbetriebnahme der Fernheizwerke, die alte Heizkessel überflüssig machten. Seine Arbeit wurde etwas weniger. „Obr i hon’s wirtschaftlich verkroftet“, lacht er. Es gebe noch genügend Herdstellen und Öfen, die zu reinigen sind. Rudl organisiert seine Dienste nach einem vorgezeichneten Plan. Denn laut Kehrordnung ist er verpflichtet, die Wartung der Feuerstellen regelmäßig anzubieten. Ihm ist im Laufe der Jahre aufgefallen, dass das Umweltbewusstsein bei der Nutzung der Heizmaterialien gestiegen ist und dass die meisten Menschen genau schauen, was sie verfeuern. Es gebe aber leider immer noch einige Müllverbrenner. Die schwarzen Schafe erkennt Rudl an der Art der Verrußung. Und er versucht zu sensibilisieren. „Ma sog’s, obr pa viele nutzts holt nit viel“, verrät er. Neben seinem Beruf als Kaminkehrer ist Rudl auch Bauer. Seine zwei Kühe sind derzeit auf der Alm und sorgen für Almbutter und Almkäse. Mit der Milch mehrerer Ziegen produziert er Ziegenkäse für den Eigenbedarf. Dabei hängt er oft seinen Gedanken nach. Er denkt an seine zwei Brüder, die er verloren hat. Der Bergführer Hermann Pinggera war im August 1997 mit seinen beiden Gästen an der Königspitze tödlich abgestürzt. Innerhalb weniger Stunden waren dort am selben Tag sieben Menschen ums Leben gekommen. Gabriel brach im Juni 2016 nach einem Herzstillstand neben ihm zusammen, als beide gerade dabei waren, bei Zerkaser die Kühe zusammenzutrieben.
„S’ Schicksol isch oft grausam“, meint Rudl. „Obr s Lebm geaht olm weitr, ma dorf in Humour nit verliearn.“ Dankbar ist er, dass er selbst immer Glück gehabt hatte, obwohl sein Arbeitsplatz oft ein exponierter war. „I bin afn Doch nou nia ogschlipft“, meint er.
Rudl denkt derzeit darüber nach, als Kaminkehrer in Pension zu gehen und sich ganz seiner kleinen Bauerschaft und der Familie zu widmen. Doch bis es so weit ist, wird sein sympathisches „Halli hallo“ wohl noch einige Male zu hören sein.