Ich selbst kann mich an einen wichtigen Pressemann erinnern, der nach einer Parteiversammlung die ihn bedrängenden Hitzköpfe abzuwehren versuchte, sie aber gleichzeitig - das war vor 1960 - aufgefordert hat: „Tiats eppas, nit lai redn, tiats endlich eppas!“ Ich habe es gehört, damals noch Student, es war auf der Terrasse der Stainer-Bar in Schlanders, als wir Jungen in diesem Sinne aufgefordert wurden. Nach der Feuernacht, nachdem endlich „eppas“ getan worden war, da gab es überall Dementis und allgemeines Unschuldsbekunden.
Der Wendelin gehört nicht zu den Politikern, die in den schwierigen 60ger Jahren zuerst zu Protestaktionen aufgerufen haben, um sich dann, nach der immer bedrohlicher werdenden Militär- und Polizeiinvasion von diesen Aktionen zu distanzieren. Obwohl noch „politisch“ jung, hat er schon damals das Aufbegehren unterstützt.
In Südtirol selbst gab es den Göflaner Politiker Hans Dietl, der sich nicht distanzierte und Verantwortung auf sich nahm. Er gilt als politischer Vordenker: Seine Strategie führte zur allmählichen Loslösung von Trient und zur mühsam erkämpften Autonomie unserer Heimat Südtirol.
Unerwartet Vieles hat sich in diesem kleinen Dorf an geschichtlich und kulturell Wichtigem ereignet, wobei Weingartner in seiner Rede auch auf das Grillparzerdenkmal in Wien hingewiesen hat, das aus einem Göflaner Marmorblock gehauen wurde: Weißer Stein für den schwermütigen Dichterfürsten.
Zu Wien muss ich auch etwas erzählen, was direkt mit Andreas Hofer zu tun hat, zugleich auch mit dem Erzherzog Johann, der zusammen mit den Tiroler Helden in Kärnten den Aufstand von 1809 vorbereitet hat. Auf Vermittlung meines Laaser Freundes Norbert Florineth bekam ich 1980 in Wien einen Termin bei Günther Nenning, dem prominenten Naturschützer. Der Journalist, Autor, politische Aktivist wollte ein Buch schreiben: „Andreas Hofer – ein früher Grüner?“ Das hat mich interessiert, eventuell auch als Publikation für die ARUNDA - Reihe. Aber zuerst musste ich mir diesen überraschenden Ansatz des Vordenkers erklären lassen. Hofer überlegte nämlich – so die Behauptung von Nenning – zusammen mit Erzherzog Johann die Errichtung einer Alpenrepublik, oder vielleicht eines Tiroler Fürstentums. In Wien wurden diese revolutionären Ansätze misstrauisch registriert, auch vom allmächtigen Metternich, der nach dem misslungenen Aufstand in Tirol nichts mehr von der Freiheit und Selbstregierung des Volkes wissen wollte. Dem Erzherzog wurde sogar vom kaiserlichen Bruder die Einreise nach Tirol untersagt, für viele Jahre! Der rührige und später für die Steiermark so segensreich wirkende Unternehmer musste ausweichen, ging nach England und studierte dort Ökonomie und erlebte hautnah die Veränderungen der aufkommenden Industrie. Dadurch wurde er auch mit den Problemen der entwurzelten Arbeiter bekannt. Die Landbevölkerung bekam zwar ein schnelles Geld in die Hand, aber bei der geringsten Krise versanken sie im Elend. Dies wollte der Erzherzog vermeiden, wollte aber auch Industrie und Gewerbe fördern. Aber vorsichtig! Er wollte den Familien ein Häuschen mit Garten ermöglichen. Das ist ihm auch gelungen, in der schönen, grünen Steiermark.
Und Ähnliches wollte Andreas Hofer? Jede Zeit erschafft sich ein neues Hoferbild. Jedenfalls war der Freiheitskämpfer nicht nur kaisertreu, Verteidiger der religiösen Traditionen, sondern auch ein denkender Praktiker. Händler, Frächter, Wirt, er war mit der Not der Bevölkerung vertraut. „Politiker“ wurde er als umsichtiger Kenner der wirtschaftlichen Lage und somit ein „Grüner“, wie Nenning dies sehen wollte.
Das Buch ist übrigens nicht erschienen, zumindest nicht unter diesem Titel; die Ansätze aber wurden aufgegriffen, überall, auch hier in Göflan, im „vollständigen“ Dorf, das so viel kreative Menschen hervorgebracht hat!
Deshalb gibt es hier auch zwei Kirchen mit bedeutenden Kunstwerken der Romanik und Gotik, thronend auf einem Moränenwall mit weißen Marmorfindlingen. Hoch über der Etsch mit dem ewig rauschenden Wasser - auch das gehört zur Vollständigkeit.
Hans Wielander
Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau