Aus dem Gerichtssaal - Bei einem Begräbnis war ich unlängst auf dem Friedhof von Kortsch. Bei dieser Gelegenheit besichtigte ich auch das Kriegerdenkmal. Eine Tafel neben den Namen der zahlreichen Gefallenen des 1. und des 2. Weltkrieges weckte meine Aufmerksamkeit. Da steht zu lesen, dass die Toten „...wegen dem Land Tirol gestorben...“ wären. Die Tafel gibt keine Auskunft darüber, auf welche Gefallenen sich die Inschrift bezieht. Sollten damit jene des 1. Weltkrieges gemeint sein, so stellt sich die Frage, welche Verbindung zwischen dem Ort ihres Todes (Galizien, Isonzo) und dem Land Tirol bestehen soll. Aber nehmen wir einmal an, sie wären, wie damals üblich, für „Gott, Kaiser und Vaterland“ gefallen, dann wäre zumindest indirekt eine Verbindung zur engeren Heimat hergestellt. Für die Gefallenen des 2. Weltkrieges besteht da schon eine schier unüberwindliche Schwierigkeit, zu suggerieren, sie hätten „für die Heimat“ ihr Leben gelassen. Denn die Orte ihres Soldatentodes (Rußland, Normandie, Finnland, Polen, Ungarn usw.) können beim besten Willen nicht mit dem Land an Etsch und Eisack in Verbindung gebracht werden. Also könnte man auf die Geschichtslüge verzichten und offen erklären, dass wir wie so viele andere, der nationalsozialistischen Propaganda erlegen sind und uns, manche freiwillig, die meisten einem Einberufungsbefehl folgend, an Hitlers Raub- und Beutekrieg beteiligt haben. Welche andere Bezeichnung könnte man der Unterwerfung halb Europas und dem Überfall auf die Sowjetunion geben?
Damit soll nicht das Leid bezweifelt werden, das den beteiligten Soldaten und ihren Angehörigen widerfahren ist. Auch ist aus unserer Sicht verständlich, dass nach 20 Jahren italienischem Faschismus viele Leute einfach die „die Schnauze voll“ hatten und sich bereitwillig dem deutschen Faschismus in die Arme warfen. Was allerdings in der Nachkriegszeit noch lange anhielt, war die Hochhaltung der soldatischen Tugenden wie Treue, Gehorsam und Pflichterfüllung. Und weitgehend unterblieben ist, auch auf Empfehlung von Magnagos „nur net rouglen“, eine offizielle Entnazifizierung.
In diesem gesellschaftlichen Klima ist es nicht verwunderlich, dass kein Platz für Wehrdienstverweigerer und Deserteure bestand. Ein geradezu exemplarisches Beispiel dafür bietet der am 29.08.1944 am Kortscher Schießstand standrechtlich erschossene Gadertaler Markus Dapunt: Jahrgang 1924, Dableiber, war er auf Anordnung des Gauleiters Hofer als Teil des „letzten Aufgebots“ zum Polizeiregiment „Schlanders“ eingezogen worden. Als er sich aus religiösen Gründen weigerte, den Eid auf den Führer abzulegen, wurde er von sechs mit dem Los ausgewählten Mitgliedern des Regiments erschossen. Es mussten dann über 75 Jahre vergehen, bis ihm auf Anregung des vormaligen Vorstehers der Eigenverwaltung Kortsch, Heinrich Lechthaler, im Sommer 2021 in der Nähe des Erschießnungsplatzes ein Mahnmal errichtet wurde.
Peter Tappeiner, Rechtsanwalt
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