Am Anfang waren die Jagd und das Lagerfeuer. Im Mittelalter war die Jagd das gesellschaftliche Ereignis der Adeligen. Es war Zeitvertreib, Vergnügen und Unterhaltung, Körperertüchtigung und Demonstration von Macht und Reichtum, Mut und Geschicklichkeit. Heute ist die Jagd ein Hobby, ein Freizeitsport, der mit Traditionen und Kameradschaft verbunden ist. Hege und Pflege von Wald und Wild, sowie die Naturverbundenheit stehen nach Ansicht der Jagdverbände im Mittelpunkt. Andere behaupten, dass die Jagd einer der letzten Männerbünde ist, das Jagen den Kämpfer und Krieger aufleben lässt und das Töten eines Tieres dabei als Kult zelebriert wird. Deshalb sind nach dieser Auffassung Jäger keine Naturschützer sondern Naturausbeuter und Mörder. Einige sehen in der Jagd einen erotischen Akt der Eroberung und des Lustgewinns.
Die Jagd gehört zu den ältesten und ursprünglichsten Tätigkeiten der Menschheit. Für die Menschen der Steinzeit war die Jagd überlebenswichtig. Wildtiere lieferten Grundnahrungsmittel und waren Hauptlieferanten von Proteinen. Einige Wissenschaftler behaupten sogar, dass erst die Jagd den Menschen zum Menschen gemacht hat. Dabei ging es nicht nur darum den Fleischbedarf der Familie bzw. der Sippe zu decken, es ging auch darum die Felle und Pelze zu einer schützenden und wärmenden Kleidung zu verarbeiten und aus den Knochen und Sehnen praktische Werkzeuge und Waffen herzustellen und Schmuckstücke zur Selbstdarstellung zu gewinnen. Die erfolgreiche Durchführung von Großwildjagden und Treibjagden erforderte eine genaue Planung, eine strenge Organisation und eine gute Kommunikation, aber auch eine umfassende und genaue Naturbeobachtung und ein umfangreiches Wissen über die Lebensweise der Wildtiere. Von einer erfolgreichen Jagd konnte das Überleben einer Sippe abhängen. So machte die Jagd die Steinzeitmenschen zu Ernährern ihrer Sippe, aber auch zu sozialen Wesen, zu einem Gemeinschaftswesen, das durch Kooperation und Koordination zu großen Taten fähig wurde. Die Menschen der Altsteinzeit waren sicher auch Sammler und Fischer, doch die Gemeinschaft und den Menschen der damaligen Zeit geprägt hat vor allem die Jagd. Das Lagerfeuer in der Höhle oder vor der Höhle, hat nicht nur Wärme und Licht ausgestrahlt, sondern auch für magische Momente gesorgt und das Gemeinschaftsgefühl gestärkt. Das Durchhalten in den kalten Wintermonaten vollzog sich um das Lagerfeuer. Dort wurde gesungen, getanzt, gegessen und getrunken, Werkzeuge und Waffen wurden hergestellt, Geschichten wurden erzählt. Jagdzüge wurden geplant und besprochen. Nach erfolgreicher Jagd wurde am Lagerfeuer gefeiert, die Jagdhelden wurden verehrt und Jagdgeschichten wurden von Generation zu Generation weitererzählt. Wahrscheinlich entstanden so Kunst, Tanz, verschiedene Lieder, große Heldengeschichten, auch Märchen und Sagen. So waren die Jagd und das Lagerfeuer wichtige Meilensteine in der Menschheitsgeschichte. Höhlenmalereien deuten darauf hin, dass die Jagd das kulturelle und vielleicht sogar die religiöse Entwicklung der Menschheit geprägt hat. Als der Mensch sesshaft wurde und begann, Ackerbau und Viehzucht zu betreiben, trat die Jagd als Ernährungsquelle zurück. Da aber die Herden vor den Raubtieren und die Felder vor den wilden Pflanzenfressern geschützt werden mussten, erhielt die Jagd einen neuen, zusätzlichen Zweck: die Eindämmung von Schäden und die Bekämpfung von Raubwild. Diesen Kampf führte der Mensch konsequent über Jahrtausende bis zur Ausrottung des Großwildes wie Wiesent und Elch, aber auch der Großraubtiere Wolf und Bär.
Die Bauernkriege, die Französische Revolution und die Jagd
Bei der Französischen Revolution 1789 ging es um Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, die Abschaffung von Privilegien der Adeligen und die Gleichberechtigung aller Menschen. Bei den Bauernkriegen 1525 ging es um die Befreiung der Bauern vor überhöhten Abgaben und Frondiensten. Aber in beiden Revolutionen ging es auch um die Jagd. Das Recht auf Jagd und Fischfang war eine der zentralen Forderungen der Bauern. Die Jagd als Vorrecht der Adeligen sollte abgeschafft werden, so die Forderung bei der Französischen Revolution. Die Jagd sollte zu einem Recht für alle werden. Mit dem Jagdrecht war die Forderung nach Freiheit und Gleichheit verbunden. Für die Bauern und die Bürger der damaligen Zeit war die Jagd kein Freizeitvergnügen, sondern lebenswichtig, um ihren Hunger zu stillen und die Familien zu ernähren. So zählten auch Hirsche und Rehe zu den Wegbereitern der Revolution. Die Hirsche und Rehe, welche nachts in den Kornfeldern weideten, große Schäden anrichteten und nicht geschossen werden durften, sie waren es, die den armen Bauern die ersten Ideen von Freiheit und Gleichheit einpflanzten.
Die erste Jagdordnung Tirols aus dem Jahre 1414 von Friedrich IV (Herzog Friedl mit der leeren Tasche) sah die Jagd als ein vom Landeshauptmann verliehenes Privileg an. Die Adeligen stellten Berufsjäger ein, um ihre Jagd zu sichern. Wildschäden und Wilderei waren die Folge. Es gab hohe Strafen. Wilderer wurden zu Volkshelden. Erst nach der Revolution von 1848 wurde das Jagdgesetz in Österreich geändert und als alleiniges Privileg der Adeligen abgeschafft. 1875 wurde in Innsbruck der Jagd- und Vogelschutzverein und 1920 der Jagdschutzverein für Deutsch-Südtirol gegründet. 1939 wurde in Italien das erste Jagdgesetz genehmigt und über das Regionalgesetz von 1964 Südtirol in Jagdreviere eingeteilt. Ein erstes umfassendes Jagdgesetz in Südtirol stammt aus dem Jahre 1987. Heute gibt es in Südtirol rund 6.000 Jäger und Jägerinnen und 68 hauptberufliche Jagdaufseher. Südtirol ist in 8 Jagdbezirke mit 145 Jagdrevieren, davon 51 Eigenjagdreviere, aufgeteilt.
Jagdkultur: Jägersprache, Musik, Kleidung, Jagdtechniken
Die Jägersprache, die Weidmannssprache, ist wahrscheinlich die älteste Fachsprache. Eigene Fachausdrücke für die Körperteile der verschiedenen Tiere, ihr Verhalten und ihre Lebensweise bilden einen eigenen Kosmos, der für Außenstehende oft unverständlich bleibt. Auch in der Malerei, Musik und Literatur spielt die Jagd eine große Rolle. Nicht nur in Schlössern und Adelshäusern wurden verschiedene Räume mit Jagdszenen ausgemalt und Jagdtrophäen in Hausgängen und Repräsentationsräumen ausgestellt. Es gibt eigene Jagdschlösser, Jägerstuben und Jägerstammtische. Seit 1966 gibt es Jagdhornbläser in Südtirol, derzeit insgesamt 30 Gruppen. Heute ist die Weidmannstracht für alle Jäger und Jägerinnen eine Selbstverständlichkeit und Ausdruck ihres Selbstbewusstseins. Bereits Kaiser Maximilian erschien in einfacher Jagdkleidung. Kaiser Franz Josef erschien bei seinem Sommeraufenthalt in Bad Ischgl zur Jagd in kurzen, kniefreien Lederhosen und grauer Lodenjacke und grünem Hut. Damit trat er in erster Linie als Jäger und nicht als Kaiser auf. Jagdpartien waren in vergangenen Jahrhunderten oft Initiationsriten für Jungmänner, um Mut und Kampfgeist unter Beweis zu stellen. Das alte Bild des Kriegers und Kämpfers, der in Friedenszeiten auf die Jagd geht und Tiere schießt, wird den Jägern von Umweltschützern und Tierschützern vorgeworfen. Vor allem eine städtisch geprägte Gesellschaft sieht die Jagd sehr kritisch. Aber ein Zurück zur Natur mit einer Selbstregulierung durch die Natur und dem Einsetzen von Wildtieren, wird es nicht bringen. Heute geht es bei der Jagd nicht in erster Linie um die Abschüsse und die Versorgung mit Wildfleisch. Es geht um eine nachhaltig betriebene Jagd, es geht um die Biodiversität und den Ausgleich der Interessen zwischen den Wildtieren, der Jägerschaft, Forst- und Landwirtschaft und dem Naturschutz. Der moderne Jäger ist in erster Linie Naturbeobachter und Naturschützer, der eingreift, um den Wildbestand und die Vielfalt zu sichern und zu erhalten.
Heinrich Zoderer