Spezial-Landwirtschaft: „Wir wünschen uns ein Grundmaß an Respekt ...“

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Bezirksobmann SBJ Fabian Brenner (Stilfs); Die SBJ Bezirksleiterin Anna Rainalter (Latsch) Bezirksobmann SBJ Fabian Brenner (Stilfs); Die SBJ Bezirksleiterin Anna Rainalter (Latsch)

Fabian Brenner ist der neue Obmann der Südtiroler Bauernjugend - Bezirk Vinschgau, Anna Rainalter wurde zur Bezirksleiterin gewählt. Der Vinschgerwind hat mit den beiden ein Interview geführt.

Interview: Angelika Ploner

 

Vinschgerwind: Herr Brenner, Gratulation: Sie sind neu gewählter Bezirksobmann mit 77 von 89 möglichen Stimmen. Die Neuwahlen des Bezirksausschusses gingen kürzlich über die Bühne. Was haben Sie sich persönlich vorgenommen?
Fabian Brenner: Vielen Dank. Ich bin immer noch ein bisschen überrascht, aber auch stolz, dass ich bei der Wahl so viele Stimmen erhalten habe. Vor allem die zahlreiche Teilnahme von Seiten der Ortsgruppen an der Briefwahl und das sehr gute Wahlergebnis haben meine Entscheidung, das Amt des Bezirksobmannes anzunehmen, stark beeinflusst und erleichtert. Für das in mich gesetzte Vertrauen möchte ich mich bei all meinen Wählerinnen und Wählern herzlich bedanken. Natürlich gilt auch allen Ausschussmitgliedern, welche sich der neuen Aufgabe gestellt haben, meine Anerkennung und Dankbarkeit. Ich bin überzeugt, dass wir eine tolle, bunt gemischte und motivierte Truppe für den Bezirksausschuss und somit für die Vertretung aller Ortsgruppen im Vinschgau gefunden haben.
Meine persönlichen Ziele als Bezirksobmann sind z.B., dass wir es als Bezirksausschuss schaffen, unsere Ortsgruppen wieder näher zusammen zu führen, d.h. die Verknüpfungen untereinander zu stärken, evtl. gemeinsame Aktionen zu starten, Ausflüge organisieren, Kurse anbieten, wobei sich die Ortsgruppen besser kennenlernen können und die Anforderungen und Arbeit auf mehreren Schultern verteilt werden können. Allgemein ist mir in den letzten Jahren die ständige Kritik an der Bauernschaft ein Dorn im Auge. Ich möchte gemeinsam mit meinem Ausschuss die Bauernjugend bzw. junge Bauern, aber auch den Beruf des Landwirts wieder so weit als möglich in ein besseres Licht rücken. Ich habe seit meiner Schulzeit immer wieder beobachten können, wie Kinder und Jugendliche, welche von der Landwirtschaft begeistert sind, zum Teil gehänselt und geärgert wurden und somit ihre Freude und Leidenschaft verloren gingen. Viele junge Menschen brauchen in solchen Zeiten eine Gemeinschaft und einen Rückhalt zur Stärkung ihrer Begeisterung und Leidenschaft. Dabei sehe ich die Bauernjugend als ideale Organisation, welche sowohl junge Landwirte, als auch Freunde der Landwirtschaft näher zusammenbringen und diese in ihrem Tun bestärken kann. Ich wünsche mir, dass wir als Bezirksausschuss ein noch stärkeres Bindeglied zwischen dem Dachverband Südtiroler Bauernbund, der Landesorganisation Bauernjugend und den einzelnen Ortsgruppen werden können.

Vinschgerwind: Frau Rainalter: Sie sind mit 73 von 89 möglichen Stimmen zur Bezirksleiterin gewählt worden. Ihre Ziele?
Anna Rainalter: Für das Vereinsleben konnte ich mich schon immer begeistern und motivieren. Mir ist das Weitergeben von Tradition und Brauchtum in einer modernen und zukunftsorientierten Gesellschaft sehr wichtig. Der rege Austausch, in einer geselligen Runde und der gute Zusammenhalt der Bauernjugend liegt mir sehr am Herzen.

Vinschgerwind: Wie würden Sie die Landwirtschaft im Vinschgau beschreiben?
Fabian Brenner: Meiner Meinung nach spielt im Vinschgau vor allem der Anbau von Sonderkulturen im Tal, die Grünlandwirtschaft in den Hang- und Berggebieten und die traditionelle Almwirtschaft eine bedeutende Rolle. Der Vinschgau ist fast weltweit bekannt für seine hervorragenden landwirtschaftlichen Produkte und Erzeugnisse. Es gibt aber sehr große Unterschiede wegen der verschiedenen Höhenlagen, der Beschaffenheit des Geländes, der verschiedenen Betriebsgrößen, aber auch oftmals wegen der geringen Niederschlagsmengen oder auch wegen der verschiedenen Auflagen z.B. im Nationalpark Stilfserjoch. Sehr viele Betriebe über 1.000m sind von der Milchwirtschaft abhängig und sind meist nur im Zu- oder Nebenerwerb überlebensfähig. Daher überlegen sich immer mehr junge Menschen, ob sie doppelt arbeiten sollen um einmal leben zu können, oder ob sie einen anderen beruflichen Weg einschlagen und der Landwirtschaft den Rücken zukehren sollen. Viele Familien im Vinschgau, aber auch im restlichen Südtirol, nehmen trotz geringer Wertschöpfung viele Arbeitsstunden für den Erhalt von Kulturgrund, von landwirtschaftlichen Flächen und Gebäuden auf sich. Dafür sollte den Bauern zumindest eine gewisse Wertschätzung entgegengebracht werden.
Im Vinschgau ist leider ein Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe und der genutzten Fläche zu verzeichnen. Meiner Meinung nach bedarf es einer generellen Weiterentwicklung der Landwirtschaft und es könnte noch vermehrt das Besetzen von Nischen angestrebt werden. Begrüßenswert ist, dass in den letzten Jahren der Urlaub auf dem Bauernhof einen bedeutsamen Aufschwung erlebt hat und sicherlich noch ausbaufähig ist. In den Tallagen können glücklicherweise viele Landwirte vom qualitativ hochwertigen Obstanbau im Vollerwerb leben. Für mich als Viehbauer ist es sehr erfreulich, dass die Almwirtschaft im Vinschgau immer noch eine so bedeutende Rolle spielt. Durch die Bestoßung der Almen mit Vieh wird ein wesentlicher Beitrag zum Erhalt der Landschaft und Tradition geleistet. Generell ist auch sehr positiv, dass es im Vinschgau viele Beschäftigte in der Landwirtschaft gibt.

Vinschgerwind: Vinschgaus Landwirtschaft braucht....
Anna Rainalter: ...junge, motivierte Leute, die mit Leidenschaft die bereits bestehenden Traditionen weiterleben.

Vinschgerwind: Sie wohnen auf einem Bergbauernhof in Stilfs – ist es möglich die Anliegen von Tal und Berg, von Obst- und Bergbauern unter einen Hut zu bringen?
Fabian Brenner: Genau, ich wohne auf dem Trushof in der Gemeinde Stilfs auf 1260m und bewirtschafte dort gemeinsam mit meinen Eltern unseren Familienbetrieb mit Tierhaltung und einem Gastbetrieb. Ich bin leidenschaftlicher Viehbauer und stehe offen und ehrlich dazu. Genauso sehr bin ich aber auch ein Verfechter der Artenvielfalt und der Produktvielfalt. Damit will ich sagen, dass es im Vinschgau zum Glück nicht nur „Rindviecher“ gibt, sondern auch verschiedene Obst- und Beerensorten, den Weinanbau, den Gemüse- und Getreideanbau und vieles mehr.

Vinschgerwind: Frau Rainalter, aus der Sicht von Junglandwirten: Was läuft gut? Was weniger?
Anna Rainalter: Die Landwirtschaft in Südtirol ist sehr gut aufgestellt, aufgrund der guten Fachschulen bildet sich die junge Generation gut aus. Ihnen ist bewusst, dass sie Traditionen weiterführen sollen, besonders Höfe, die über Generationen aufgebaut worden sind, werden mit Verantwortung und Stolz übernommen.

Eine unternehmerische Tätigkeit ist wie immer mit verschiedenen Risiken behaftet. Somit sind viele auf ein Zusatzeinkommen außerhalb der Landwirtschaft angewiesen. Immer mehr Bauernfamilien können demnach nicht alleine von der Landwirtschaft leben, sondern müssen noch einer anderen beruflichen Tätigkeit nachgehen. Jedoch sollte man die Risiken überschaubar halten, indem man in der Landwirtschaft auf mehrere Standbeine setzt und sich nicht nur auf einen Weg konzentriert. So zum Beispiel zusätzlich zu der Landwirtschaft noch Urlaub auf dem Bauernhof anbietet, oder sich auf ein Nischenprodukt konzentriert.

Vinschgerwind: Wie sieht der Bauernhof von morgen aus?
Fabian Brenner: Der Bauernhof von morgen ist bunt, vielfältig und entwickelt sich ständig weiter. Vieles hängt leider Gottes mit der Pandemie Covid-19 zusammen. Nach der derzeitigen Krise könnte in Zukunft vor allem der Urlaub auf dem Bauernhof stark gefragt sein. Wünschenswerterweise haben einige Betriebe trotz oder gerade durch Corona den Mut und hoffentlich auch noch die Mittel um neue Wege einzuschlagen, Sanierungen und Umbauten zu tätigen und in Nischen zu investieren. Ich persönlich wünsche mir, dass alte Traditionen erhalten bleiben, bereits fast Vergessenes wieder neu aufgegriffen werden kann und Neues entdeckt wird. Blumenwiesen, Getreidefelder, Weidetiere am Radweg usw. würden nicht nur dem Tourismus, sondern auch den Bewohnern in der Talsohle vom Vinschgau sicherlich gut tun.

Vinschgerwind: Wird es ein Höfesterben am Berg und eine Digitalisierung und Industrialisierung im Tal geben?
Fabian Brenner: Ich finde, dass eine bestimmte Digitalisierung schon seit längerer Zeit voranschreitet. Dies nicht nur im Tal bei den „Mittel- und Großbetrieben“, sondern auch auf den meisten Bergbauernhöfen und bis in jedes Tal hinein. Und das ist auch ein Stück weit gut so. Ein gewisser Fortschritt und die Entwicklungsfähigkeit ist mehr denn je zum Muss geworden und sollte auch von den älteren Generationen als Chance gesehen werden. Wer hätte sich z.B. vor 10 Jahren gedacht, dass der Bergbauer heute elektronische Rechnungen verschickt, seine Produkte fast nur noch auf verschiedenen Internet-Plattformen anbietet oder Aktuelles über die sogenannten sozialen Medien teilt. Es gab und gibt leider immer noch das Höfesterben, da oft die Wirtschaftlichkeit fehlt, es keine Nachkommen gibt oder diese andere Wege einschlagen wollen. In meinen Augen ist es sehr wichtig, dass die älteren Generationen bzw. Hofübergeber nicht den Fehler machen, zu lange auf den Besitz des Hofes zu beharren. Es sollte ein Miteinander sein, wobei die Nachkommen mitreden, mitentscheiden und selber Verantwortung übernehmen sollen und dürfen. Leider gibt es bei uns im Vinschgau und darüber hinaus zu viele Höfe mit über 70jährigen Bauern, welche teils den richtigen Zeitpunkt der Hofübergabe verpasst haben. Es ist nur verständlich, dass das „Kind“ mit 40 Jahren, welches sich bereits eine Existenz aufgebaut hat, nicht mehr sein Leben total umkrempelt, damit ein relativ ertragsarmer Hof weitergeführt werden kann. Genauso muss aber auch die junge Generation Ratschläge annehmen, die Hilfe wertschätzen und auf Anliegen eingehen, um das bestmögliche Miteinander zu erreichen. Vielleicht bringt die Coronazeit eine neue Denkweise, damit nicht jeder kleine Stall und Stadel Opfer einer neuen Ferienhütte wird und es vielleicht in Zukunft auch wieder ein Luxus sein kann, selber einige Tiere halten zu können und ein Stück weit Selbstversorger sein zu dürfen. Die Industrialisierung wird nichtsdestotrotz voranschreiten und viele Sachen ablösen bzw. einige „alte-Zeiten-Romantiker“ einholen, was mit dem richtigen Maß und Ziel gut ist.
Anna Rainalter: Die zunehmende, teure Mechanisierung der Landwirtschaft und die steigende Anforderung der Marktpartner zwingen die Landwirte und Landwirtinnen, sich zu spezialisieren. Sie wachsen, spezialisieren sich, besetzen Nischen, integrieren die Verarbeitung und den Verkauf. Die jungen Bauern sind gut ausgebildet, sie arrangieren sich mit den neuen Rahmenbedingungen, suchen und finden ihren individuellen Weg.

Vinschgerwind: Herr Brenner: Wie viele Ortgruppen hat die Südtiroler Bauernjugend im Vinschgau? Wie schwierig ist es Leute hierfür zu motivieren und zu gewinnen?
Fabian Brenner: Die SBJ hat im Vinschgau 27 Ortsgruppen, welche von Reschen bis nach Kastelbell reichen. Die Suche nach neuen Mitgliedern, vor allem für einen Ausschuss, gestaltet sich schon seit einigen Jahren immer schwieriger. Dies betrifft aber nicht nur die Bauernjugend, sondern allgemein alle Vereine im Dorfleben. Leider ist zu erkennen, dass sehr viele junge Menschen sich für keinen Verein wirklich interessieren bzw. aktiver Teil davon werden möchten. Sobald es darum geht, eine gewisse Verantwortung zu übernehmen, sind vielfach bei zu vielen Vereinen dieselben Personen gefragt. Auch in unserem Bezirksausschuss sind einige dabei, welche im eigenen Dorf schon bei mehreren Vereinen aktiv sind, ja sogar im Ausschuss oder in einer Führungsrolle stehen. Ich bin mir sicher, dass es für Vereine und für uns alle auch wieder bessere Zeiten geben wird.

Vinschgerwind: Was brauchen junge Landwirtinnen und Landwirte? Was wünschen sich junge Menschen in der
Landwirtschaft?
Fabian Brenner: Junge Landwirtinnen und Landwirte brauchen Vertrauen, Geduld, Angebote zur Weiterbildung und Weiterentwicklung, Hilfestellungen und ein Grundmaß an Respekt und Wertschätzung von Seiten der restlichen Bevölkerung. Kritik ist in Ordnung, jedoch sollte nicht alles und jeder in der Landwirtschaft angeprangert und kritisiert werden. Momentan ist es fast schon modern, über jeden Bauer mit einem Güllefass oder einem Spritzpanzen herzuziehen und das Schlimmste zu denken bzw. sogar öffentlich zu verbreiten. Jedem Menschen tut Zuspruch gut, so auch den Junglandwirten. Oftmals reicht ein „gut machst du das“, um das Selbstbewusstsein eines jungen Menschen zu stärken und seine Freude wieder zu erwecken. Ich als Junglandwirt mit Viehhaltung wünsche mir vor allem, dass der Lebensmittelkonsum bewusster wird, dass es selbstverständlich wird, dass man Fleisch, Milch usw. vom Metzger oder Bauern von nebenan kauft, die regionalen Kreisläufe gestärkt werden und dass es ein Miteinander von Produzenten und Konsumenten gibt.

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