Eine Reportage von Maria Raffeiner
Unter dem speienden Wasserkran steht er und schaut freundlich in den Himmel, ein Zigarillo hängt in seinem Mundwinkel. Ob er sich gerade eine Auszeit nimmt vom Wimmelleben in seinen Mauern nebenan? Er ist nicht irgendwer, ihn kennt man im Meraner Raum und im Vinschgau, auch wenn man ihm noch nie begegnet ist. Er ist der Onkel Taa von der Töll, Wirt, Sammler, Museumsmacher, Schneckenzüchter, Geschichtenerzähler. Mit einer Hand rückt er seine Lederweste zurecht, die andere holt schon zu Erklärungen aus. Gegenstände haben es ihm angetan, wie ein Rundgang durch sein k. u. k. Museum zeigt. Die Stars seiner Ausstellung sind Kaiser Franz Josef und seine Frau Sisi, heuer ganz besonders, da der Monarch vor 190 Jahren geboren ist. Davon war wenig zu hören, hätte sich Onkel Taa nicht um eine Sonderausstellung gekümmert, Objekte neu gruppiert und die Sammlung um einige Schätze erweitert.
In unzähligen, randvollen Holzvitrinen versammeln sich die ersten Fotografien der Kaiserfamilie, Onkel Taa zeigt auf ein Foto und gerät dabei ins Schwärmen: „Sie war schon eine schöne Frau.“ Von den 4300 Objekten im Museum, die von der Monarchie erzählen, stammen die allermeisten aus Südtirol. Onkel Taa hat zusammengekauft, was zu finden war. Vor Jahrzehnten klapperte er dafür den Vinschgau ab, um beim Abbruch alter Häuser so manches vor dem Müllkübel und der Vergessenheit zu bewahren. Bald fanden die Händler und die Dinge dann zu ihm. Ein Pferdeschuh von Sisis Lieblingspferd, zu einer Schatulle umgearbeitet, zum Beispiel. Im Museum sind nur Originale ausgestellt, von Kopien will Onkel Taa nichts wissen. Ehrensache. Einige sind echte Raritäten, die Habsburgeranhänger in Entzücken versetzen, weil sie in Wien nicht zu finden sind. Während ich die Porträts von Franzls Vorfahren nach Habsburgermerkmalen absuche, ist Onkel Taa schon in eine Ecke verschwunden. Ein gerade erst erworbener Stammbaum macht ihn besonders stolz, er sei lange Zeit im Schloss Forst gehangen und es gebe nur zwei Ausgaben von diesem besonders geschmückten Exemplar. „Schau, wie schneidig“, bewirbt er den Kaiser samt Bart im Vorbeigehen. Onkel Taa trägt Schnurrbart, in Zeiten wie diesen hinter einer Maske versteckt.
Die vielen Besucher stimmen Karl Platino, so heißt Onkel Taa wirklich, zufrieden. „Jetzt kommen vermehrt auch Einheimische, oft ganze Jahrgänge.“, freut er sich. Die Passion für die Geschichte der Habsburger begleitet ihn seit Kindheitstagen. Eine ledige Tante aus seinem Heimatdorf Kuens, ihr nostalgischer Blick auf die Monarchie und die Bilder des Kaisers haben ihn nachhaltig beeindruckt. Auch die Schneckenzubereitung geht auf diese Tante zurück, für sie hat er schon als Bub Schnecken gesammelt. Der Taa war er schon damals, zum Onkel Taa wurde er später.
Mit seinem Privatmuseum huldigt er nicht nur dem Kaiserpaar. Ein zweiter, riesiger Bereich in den historischen Mauern von Bad Egart, einem ehemaligen Heilbad, ist dem bäuerlichen Alltag von anno dazumal gewidmet. Alles, was nicht mehr gebraucht wird, aber ästhetisch und originell ist, findet einen Platz in Onkel Taas Kabinett. Porzellan aus aller Herren Länder, Aktfotos in der Erotikvitrine, geschmiedete Scheren und Messer, Schlösser, Weinfässer, Reggelen (Pfeifen) und weitere tausende Exponate. Wer da in Versuchung gerät, wird von einer kleinen, handbeschriebenen Tafel an das korrekte Verhalten erinnert: „Nicht untozzn!“ Onkel Taa hat den Schalk im Nacken. „Die Schnalser haben die Spaghetti erfunden!“, deutet er lachend auf einen hölzernen Nudeldrucker aus dem Schnalstal. Dass er liebt, was er zeigt, ist nicht zu übersehen. Onkel Taa strahlt, wenn er die Geschichte vom Mesnerladele erzählt: 15 Jahre Geduld hat er aufgebracht, dann gehörte die Einrichtung des Krämerladens aus Katharinaberg ihm, formschön, mit vielen Schublädchen und Tiegeln bestückt, steht sie jetzt in seinem Reich. Onkel Taa ist schon bei der nächsten Attraktion. Ein Steingut-Krug ist schnell ins Licht gerückt, „siggsch, wia der schian isch“. Jeder Platz im Museum ist genützt, altes Besteck prangt sogar an der Decke. Seit 40 Jahren betreibt Onkel Taa mit seiner Familie Restaurant und Museum, seine Sammelleidenschaft ist noch älter. Seither hat er das Badl neben dem Bahnhof Schritt für Schritt auf Vordermann gebracht. Auch einen Freiluftbereich richtete er ein, dort warten Gebrauchsgegenstände verschiedenster Handwerker auf die Besucher, außerdem Badewannen, Zuber, Waschbretter. Der Besitzer streicht liebevoll über einen Kupferkessel, während er von der eleganten Gesellschaft, die im Bad Egart abstieg und badete, erzählt. Da war Warmwasser gefragt, sogar Sisi soll inkognito unter den Gästen gewesen sein.
Es plätschert, gluckst und gurgelt überall vor dem Haus, drei Quellen darf Karl Platino sein Eigen nennen, eine davon gilt als Heilquelle. Die Trinkwasserquelle speist den Brunnen, in dem er Forellen züchtet. Und dann gibt es noch eine Eisenquelle. Ich ordne im Kopf noch Richtungen, Leitungen und Gewässer, da ruft er: „Das hab‘ ich gemacht!“ Dabei tätschelt er einem bemoosten Gesicht aus Stein das Köpfchen, es trägt Granaten als Augen. Onkel Taa fertigt Skulpturen aus Holz und Stein an, hat eine Vorliebe für Schneckenmotive und kümmert sich um die vielen Pflanzen auf dem großen Gelände. Sattes Grün steht im Kontrast zu den dunklen Innenräumen. Die gefiederten Blätter des Pfauenfarns neigen sich weit in den Weg hinein. Die nächste Station ist der Kräutergarten, in dem eigentlich Tochter Janett die Chefin ist. Gewürztagetes, Dahlien, Pfefferkraut, Koriander – Onkel Taa schlendert durch die schmalen Reihen und reicht ab und zu eine Kostprobe, denn „was die Schnecken essen, essen die Leute auch.“ Mit Weinbergschnecken kennt man sich in Bad Egart aus, Janett Platino bereitet die Zuchttiere auf unterschiedlichste Arten zu, genauso wie Klassiker der k. und k. Hofküche. Schnecke ist in der Küche zwar keine zu sehen, aber es dampfen schon die Töpfe für das Abendessen auf dem Herd. Blumen und Kräuter warten in kleinen Vasen auf der Anrichte. An die 400 Gartenkräuter und diverse Wildkräuter verleihen den Speisen Pfiff und saisonale Frische. Mit blitzenden Augen berichtet Janett von der Philosophie, alles zu verwerten, was eine Pflanze zu bieten hat. Ihr Blick wandert in den Raum hinter der Küche. Dort reihen sich auf Holzregalen hunderte Schraubgläser mit wunderlichsten Inhalten in bunten Farben aneinander.
In Bad Egart haben die Bewohner einen eigenen Umgang mit der Zeit entwickelt. Onkel Taa konserviert sie in seinen Wunderkammern, Janett Platino holt im Winter den Sommer aus dem Glas.