Die Ohnmacht ist vor dem Hintergrund der Corona-Krise groß. Der Vinschgerwind hat bei Elisabeth Hickmann, Sozialpädagogin und Systemische Therapeutin nachgefragt wie man in diesen Tagen, Wochen und Monaten Krisen bewältigen und Herausforderungen meistern kann.
Alles im Leben verändert sich. Einmal mehr wird uns das durch die weltweite Verbreitung des Corona-Virus vor Augen gehalten. Bis dato glaubten wir, dass wir und alles um uns herum sicher ist. Wir wissen alle nicht, was auf uns zukommt. Es stellen sich viele Fragen, vor allem geht es aber darum, wie wir mit dieser Unwissenheit und Unsicherheit umgehen können und handlungsfähig bleiben. Jeder Einzelne ist auf sich selber beinhart zurückgeschmissen. Die Epidemie und die damit einhergehenden lebensnotwendigen, einschneidenden Maßnahmen und Einschränkungen des öffentlichen Lebens lösen beim Einzelnen Gefühle von extremer Bedrohung und Hilflosigkeit aus. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf mögliche Gefahren. Man sorgt sich um die Familie, Angehörige, die Arbeit, um die Zukunft.
In Krisenzeiten geht es um den Zusammenbruch etablierter Bewältigungsmuster und um dadurch ausgelöste Ängste. Beides muss bewältigt werden.
Selbst wenn wir noch so sehr bemüht sind, rational und überlegt zu handeln, holen uns Ängste ein. Wie können wir damit umgehen?
- Angst ist ganz allgemein gesagt eine evolutionäre Reaktion auf eine Bedrohung. Das Beste, was man tun kann, ist über die eigenen Ängste zu sprechen. Und umgekehrt verständnisvoll zuhören. Dann können wir viel dabei lernen. So gelingt es, gelassener und entspannter zu reagieren und die schwierigen Situationen anzunehmen.
- Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Soweit das geht, die eigenen häuslichen Routinen beibehalten, den Tag strukturieren und gemeinsame Essenszeiten einhalten. Das macht Sinn und hilft gegen Angst.
- Die Enge in der Wohnung oder im Haus führt unter Umständen zu Lagerkoller. Wir Menschen haben ein besonderes Talent, mit räumlichen Einschränkungen fertig zu werden. Die Nähe zu Angehörigen kann sogar etwas Beruhigendes haben. Jeder muss aber unbedingt die Möglichkeit haben, sich zeitweise zurückzuziehen.
- Worte mit Bedacht wählen. Wir sind durch die räumliche Nähe „dünnhäutiger“; unbedachte Äußerungen, Meinungsverschiedenheiten und falsch verstandene Witze führen schneller zu Konflikten.
- Neben allen schlimmen und unangenehmen Nachrichten gibt es auch viele positive Ereignisse und gute Nachrichten von Hilfe und Solidarität untereinander.
- Die negativen, fragwürdigen Aspekte unserer bisherigen Lebensführung kommen in Krisenzeiten ans Licht und können auf den Prüfstand gestellt werden. Dies kann ein Umdenken anstoßen.
- Wir lernen gerade viel über Empathie und Zusammenhalt. Denn wenn jeder nur an sich denkt, wird es für uns als Gesellschaft schwierig, diese Herausforderung zu meistern.
- Gerade denen, die in Quarantäne oder alleine auf sich gestellt sind, aktiv zeigen, dass man sich für sie interessiert.
- Sich auf schöne Ereignisse in der Zukunft freuen. Vorfreude auf Besuche, Feste im Sommer oder die Erinnerungen an schöne Begegnungen. Das alles macht gute Laune.
- Das Leben ist, wie es ist – Die Situation ist, wie sie ist. Wir alle kennen herausfordernde Zeiten und wissen, dass wir nach einer überstandenen Talfahrt gestärkt und vielleicht sogar ein bisschen stolz hervorgehen können.
- Krise bedeutet immer auch Chance. Es bieten sich vielleicht neue, bisher ungeahnte Möglichkeiten. Wir dürfen neue Sichtweisen entwickeln und werden Lösungen finden, die wir vielleicht noch gar nicht kennen.
- Sich gerade auch in diesen Zeiten den Humor bewahren. Lachen ist gut, weil es Distanz schafft; auch zu uns selbst – so bleiben wir im Tun. Lachen ist die beste Medizin.
Mit dem Andauern der Krise wird die Belastbarkeit der Solidarität innerhalb der Gesellschaft sicher noch weiter eine Herausforderung bleiben. Es liegt an uns, ob wir es zulassen, dass die Angst uns als Gesellschaft spaltet, oder es uns gelingt, in diesem Moment noch mehr zusammenhalten.
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