Neben der täglich anfallenden Arbeit am Hof mit den 40 Ziegen, den Hühnern, dem Haushalt und der Heuernte im Sommer, fährt Claudia auch ins Tal, um Geld zu verdienen. Jedes Jahr im April geht Claudia zum Spargelstechen nach Kastelbell, im Herbst arbeitet sie bei der Apfelernte mit und zur Weihnachtszeit hilft Claudia in der Bäckerei beim Keksebacken. Nur im Februar und März, wenn sich die „Kitzzeit“ und die „Melkzeit“ einstellte, konnte Claudia den Hof nicht verlassen. Oft war sie dann rund um die Uhr bei ihren Ziegen, sogar einen Kaiserschnitt musste sie schon durchführen. Zu dieser Zeit, wo sie nicht ins Tal fuhr, begann für Claudia auch immer das Filzen, also das Herstellen von „Hauspotschen“, Hüten, Taschen, bis hin zu Kleidungsstücken und allen erdenklichen Arten von Dekorationsgegenständen, aus roher, eingefärbter Schafwolle. Das Filzen ist Claudias große Leidenschaft. „Ziel ist es“, sagt sie, „beim Filzen immer zu wissen, was hinterher dabei rauskommt“. Claudia war mit ihren Filzprodukten auf verschiedenen Christkindlmärkten und erteilt sogar Filzkurse, wenn es die Zeit zulässt. Aufgewachsen ist Claudia zusammen mit ihren drei Geschwistern an der Ostsee, „direkt am Meer“, wie sie sagt. Spielen am Strand und am Wasser waren für sie Alltag. Sie erklärt, dass es für Kinder dort wichtig sei, möglichst früh das Schwimmen zu erlernen. Claudia erzählt von einer unbeschwerten und schönen Kindheit. Im Jugendalter ging es manchmal nach Hamburg zum Feiern auf die Reeperbahn. Für einige Zeit lebte sie auch in Hamburg, wo sie als gelernte Tierarzthelferin in einer großen, bekannten Tierklinik arbeitete. Aber bereits ab ihrem 21. Lebensjahr kehrte sie ihrer Heimat den Rücken. „Mein Traum war es immer, in Skandinavien zu leben“, sagt Claudia. Sie verbrachte dann drei Jahre auf Island bei einem landwirtschaftlichen Betrieb. Auch hier bestanden ihre Aufgaben darin, bei der Heuernte und im Haushalt mitzuhelfen, Kühe und Tiere zu versorgen und Islandpferde zu trainieren.
Eigentlich wollte Claudia für immer bleiben, aber es kam doch noch einmal anders. Sie machte Reisen nach Nepal und Indien und verbrachte einen Sommer in Irland, wo sie auf einem Demeter-Hof mit Gemüseanbau arbeitete. Ihre erste Station in Südtirol war ein Bergbauernhof mit Almwirtschaft oberhalb von Salurn. In dieser Zeit absolvierte Claudia auch einen Sennkurs und durfte sich von nun an als Sennerin bezeichnen. Von Salurn ging es dann auf die Mitter Alm in Taufers und für Claudia folgte eine große Entscheidung. Die Stelle in einer Hofkäserei, die ihr in Deutschland angeboten wurde, anzunehmen, oder in Südtirol zu bleiben. Und nachdem sie schon die halbe Strecke mit dem Auto zurückgelegt hatte, kehrte Claudia noch einmal um. Zuerst wohnte sie in Vetzan und arbeitete in der Obstgenossenschaft, bevor es auf den Hof nach Trumsberg ging. Auf die Frage, warum es Claudia in den Vinschgau verschlagen hat, folgte ein recht philosophischer Vortrag über Höhe und Weite. Es sei eben die Höhe der Berge, die die Weite der Ostsee überragen lässt. In den Bergen gewinnt Claudia sozusagen an Weitblick. Außerdem sei es die Herausforderung, die ihr fehlt, wenn sie wieder einige Zeit zu Hause, am „Flachland“ verbracht hat. Claudia findet auch, dass die Arbeit und Tätigkeit im landwirtschaftlichen Bereich in Südtirol mehr Anerkennung finde als in Deutschland und auch mehr geschätzt und höher belohnt werde. Natürlich sind es auch Familie und Freunde, die den Vinschgau für Claudia zu einem neuen Zuhause werden ließ.
Sylvia Ilmer Wieser
Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau