Schlanders erzählt... Märchenherbst

Maerchenherbst24

 
 

„Von oben hat mich noch nie einer gebogen...“

geschrieben von
Albert Pritzi, geboren 1959 in Cortina, wohnhaft in Tartsch: „Wenn wir heute nicht für den Erhalt einer intakten Umwelt kämpfen, könnten die kommenden Generationen nichts mehr haben.“ Albert Pritzi, geboren 1959 in Cortina, wohnhaft in Tartsch: „Wenn wir heute nicht für den Erhalt einer intakten Umwelt kämpfen, könnten die kommenden Generationen nichts mehr haben.“

Der Förster Albert Pritzi hat sich dem Einsatz für die Umwelt, dem ökologischen Wirtschaften, dem soziales Handeln und der Gerechtigkeit verschrieben. Oft eckt er mit seiner Zivilcourage an, in seinem Arbeitsumfeld und bei der Obrigkeit. Doch er hat sich nie verbiegen lassen.

von Magdalena Dietl Sapelza

Schon in seinem Geburtsort Cortina d’ Ampezzo hielt sich Albert gerne im Wald auf, wo er die Vögel beobachtete. Bereits als Fünfjähriger päppelte er einen verwaisten Raben auf. Scherzhaft wurde er „Spion del bosc“ genannt. Sein Vater, gebürtig aus Tartsch, arbeitete in Cortina als Bäcker, seine aus dem Gadertal stammende Mutter als Kindermädchen. Da sich die Familie im Nobelskiort den Bau eines Eigenheimes nicht leisten konnte, zog sie nach Tartsch. Der Vater fand Arbeit in der Schweiz. Für den achtjährigen Albert und seinen jüngeren Bruder war vieles neu, vor allem die deutsche Sprache. „Für mich ist das wie chinesisch gewesen“, lacht er. „Aber die Leute waren sehr nett zu uns“.
Er besuchte die italienische Volks- und Mittelschule. Den Vinschger Dialekt lernte er nebenbei. Seit jeher hegte er den Wunsch, Förster zu werden. Deshalb absolvierte er nach der Pflichtschule die zweijährige „Scuola Forestale“ in Edolo Valcamonica. Mit 17 Jahren schrieb er sich auf Wunsch seiner Eltern in die Handelsschule Meran ein. Doch diese sagte ihm nicht zu. Bei der Aufforstung Vinschgau gefiel es ihm besser. Vier Sommer lang ackerte er an den Tal-Hängen. Im Winter verdiente er sich in Skigebieten etwas dazu. 1983 trat er nach bestandener Aufnahmeprüfung in den Forstdienst ein. Angetreten war er für die italienischen Sprachgruppe. Aus Trotz hatte er diese gewählt, um die Gegebenheit mehrerer Sprachgruppen in seiner Familie ad absurdum zu führen. Denn sein Vater und sein Bruder hatten sich Deutsch erklärt, seine Mutter Ladinisch. „Das Käfigdenken hat mich immer gestört“, meint er. In der Forststation Eggental/Welschnofen trat er seine erste Stelle als Förster an. Von seinem kompetenten Vorgesetzten lernte er vieles. Dieser prägte auch seine Berufs-Ethik. „Mein Chef war ein groder Michl, der die Probleme beim Namen genannt und immer gerecht gehandelt hat“, erklärt Albert. „Wir hatten es vor allem mit Besitzern von Privatwäldern zu tun.“
Seine Freizeit verbrachte Albert im Vinschgau, wo er die Lehrerin Zita Ziernhöld aus Schluderns kennen und lieben lernte. 1985 heiratet er sie, baute mit ihr ein Haus und wurde zweifacher Vater.
1988 wechselte Albert in die Forststation Mals. Dort dreht sich der Dienst vor allem um Gemeinde- und Fraktionswälder. Unrechtes Handeln gegenüber der Umwelt war ihm stets ein Dorn im Auge. Und er ahndete so manchen Frevel. „Ich tue das, was ich für richtig halte, auch wenn mir bewusst ist, dass es weh tun kann“, unterstreicht er. „Und ich tue es auch ganz ohne Rücksicht auf die Vorgesetzten, die nicht immer meiner Meinung sind. Von oben hat mich noch nie einer gebogen, auch nicht nach Anfeindungen oder mit Karriere-Versprechungen.“ Und er fügt hinzu: „Wenn der Schuh drückt, schauen die Obrigen oft allzugerne weg, nicht zuletzt, weil sie es allen, auch den Politikern, recht machen wollen.“
Als eines der größten Probleme in den Vinschger Wäldern sieht Albert den Wildverbiss. „Es ist mir unverständlich, dass man zwar groß vom globalen Klimawandel spricht, lokal aber nicht imstande ist, den Schalenwildbestand so einzudämmen, dass ein gesunder Mischwald aufkommen kann“, betont er. „Der Mensch hat oft wenig Gespür für das ökologische Gleichgewicht in der Natur und viel zu oft nur das Geld im Kopf“.
Neben seinem Beruf galt Alberts Einsatz der Bergrettung, dem AVS und ganz besonders der Umweltschutzgruppe Vinschgau, deren aktives Mitglied er seit 30 Jahren ist. Besonders stolz ist er, dass es der Gruppe einst gelungen ist, die vier Hektar Auenlandschaft bei Schluderns, die als Bauland für Bauernhöfe gerodet werden sollte, für kommende Generationen zu erhalten. „Damals haben die Forst- und Landesämter alle versagt“, erinnert er sich.
Albert setzt sich nicht nur für die Umwelt ein, sondern auch für die Menschen. Er und seine Frau Zita bieten regelmäßig Straßenkindern und Flüchtlingen ihre Gastfreundschaft an. „Wir beide ziehen am gleichen Strang“, meint er. Derzeit leben zwei junge Afrikaner in ihrem Haus, die nach positivem Asylbescheid und trotz geregelter Arbeit noch keine Wohnung gefunden haben.
Im Dezember geht Albert in Pension. Als Genugtuung empfindet er, dass ihn heute immer öfter Menschen um Rat fragen, auch jene, denen er auf die Füße getreten ist. Als Privatperson wird er auch künftig mit offenen Augen durch den Wald gehen und die Vögel beobachten. „Es tut weh, wenn ich sehe, wie die Vogelwelt von Jahr zu Jahr kleiner wird.“

Gelesen 3663 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 22 24

titel Vinschgerwind 21-24

titel vinschgerwind 20-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.