Er wollte studieren, machte 1963 die Externisten-Matura und absolvierte anschließend ein Studium der Volkskunde und Kunstgeschichte an der Universität Wien. Seine Dissertation schrieb er über das Brauchtum im Ötztal und seine tourismusbedingten Veränderungen. Seine Eltern waren enttäuscht, denn sie wollten, dass er Priester wird. In Wien lernte Haid die Musikwissenschaftlerin und Volkskundlerin Gerlinde Hofer kennen. Die beiden heirateten und bekamen zwei Kinder. 2012 starb seine Frau. Danach zog er sich immer mehr zurück. In den letzten Jahren lebte Haid wieder im Ötztal auf einem Bergbauernhof in Heiligkreuz im Venter Tal bei Sölden. Am 5. Februar starb er nach langer, schwerer Krankheit, kurz vor seinem 81. Geburtstag.
Haid zählt zu den bekanntesten und umstrittensten Persönlichkeiten des Ötztals. Das Leben und Überleben in den Alpen hat ihn immer beschäftigt. Mit großer Sorge betrachtete er die Veränderungen durch die moderne Technik und einen hemmungslosen Tourismus. So wurde er als Volkskundler zu einem Sammler und Kritiker. In vielen Sachbüchern und Bildbänden hat er das Leben in den Alpen, die Arbeitsformen und Arbeitsgeräte, die Überlebenstechniken und Bräuche gesammelt und beschrieben. Seit 1964 arbeitete er am Aufbau des Ötztaler Heimatvereins und des Freilichtmuseums mit, 1976 zählte er zu den Mitbegründern des Internationalen Dialektinstituts, seit den 1970er-Jahren organisierte er Tagungen zur Regionalliteratur und zu volkskulturellen Themen. „Pro Vita Alpina“ wurde im Jahre 1972 als Arbeitsgruppe gegründet. Seit 1989 besteht Pro Vita Alpina als eigenständiger Verein, dessen Tätigkeitsbereich sich, von Österreich ausgehend, auf den gesamten Alpenraum erstreckt. Die „ARGE Region Kultur“ wurde 1985 von Haid als Dachverband regionaler und überregionaler Kultur- und Bildungsvereine gegründet. Mit dem „Pöllinger Speicher“ in Reinprechtspölla in Niederösterreich baute er ein Dokumentationsarchiv über „widerständige“ Volkskultur auf und gab 20 Jahre lang die „Pöllinger Briefe“ als Medium einer Emanzipationsbewegung im ländlichen Raum heraus. Er lebte längere Zeit auf dem Rimpfhof am Schlanderser Sonnenberg und wollte hier ein Archiv über Alpenkultur und Literatur aufbauen. Mit missionarischem Eifer verfolgte er seine Ziele, gründete Vereine und sparte nicht mit Kritik. Immer wieder setzte er sich kritisch mit den sozialen und politischen Verhältnissen in den Gemeinden, mit den negativen Auswirkungen der Übererschließung der Landschaft, der industrialisierten Landwirtschaft und dem Massentourismus auseinander. Durch seine kompromisslose Kritik machte er sich viele Feinde und musste auch geplante Projekte abbrechen. Den Rimpfhof verließ er, nachdem er die Kortscher Bauern kritisiert hatte. Er veröffentlichte Mundartgedichte, Hörspiele und Romane, aber auch zahlreiche Bildbände und Sachbücher über die Geschichte und Kultur des alpinen Raumes. Zuletzt erschienen: „Similaun“, ein Roman (2008), „Sindt-Fluss. Eine Kulturgeschichte der Naturkatastrophen im Alpenraum“ (2009) sowie „Naturkatastrophen in den Alpen“ (2010). Er hat 2010 eine Kulturgeschichte über das Schaf geschrieben. Zusammen mit seiner Frau Gerlinde gab er das Buch „Alpenbräuche – Riten und Traditionen in den Alpen“ (1994) heraus. Im Buch „Mythos und Kult in den Alpen“ (1990), beschäftigte er sich mit Kultstätten und Bergheiligtümern. Im Buch „Mythos Gletscher“ (2004, herausgegeben in Koproduktion mit der Kulturzeitschrift Arunda als Arunda 64) geht es um die Geschichte der Gletschererkundung, um Gletscherkatastrophen und den Klimawandel. 2018 erschien im Haymon Verlag das Buch „i schmeck in langes“. Es ist das erste von drei geplanten Büchern über das literarische Werk von Hans Haid und beinhaltet verschiedene Dialektgedichte. Eine Sammlung seiner Prosa-Texte soll 2020 folgen.
Im Jahre 1986 gab Hans Haid das Buch „Vom alten Leben – Vergehende Existenz- und Arbeitsformen im Alpenbereich“ heraus.
Hans Haid war Volkskundler, Alpenforscher, Bergbauer, Sammler, Netzwerker, Kulturarbeiter und Regionalentwickler, ein Visionär, Quer-, Längs-, Vor- und Nachdenker, ein Literat, Mundartdichter und Publizist, Mahner, Spötter, Kritiker und unbequemer Rebell. 2007 wurde ihm von Bundespräsident Heinz Fischer der Ehrentitel Professor verliehen.
Es ist eine umfangreiche Dokumentation, insgesamt 340 Seiten mit vielen Bildern über Menschen, das Arbeitsleben und die Lebensweise in den Alpen. In einer Zeit, als durch die Technik und den Tourismus, der Alpenraum einem großen Wandel unterzogen war, aber auch von Abwanderung geprägt war, fing Haid an, alles zusammenzutragen und zu dokumentieren. Es ist keine nostalgisch-verklärte Idyllisierung, sondern eine möglichst realistische Darstellung alter Arbeitsformen, Lebens- und Überlebensweisen. Er berichtet vom Spinnen und Weben, der Käseherstellung, von Arbeiten auf dem Acker und Feld, vom Dreschen und Mahlen, vom Brotbacken, vom Handwerk und der Waldarbeit, von der Almwirtschaft und vom Essen und Feiern, von Wallfahrten und Prozessionen. Aber genauso wichtig wie die Dokumentation der jahrhundertealten Arbeitsweisen war ihm das Berichten über Widerstände und das Erproben neuer, alternativer Wirtschafts- und Lebensformen. So hat Haid 1989 das Buch „Vom neuen Leben“ herausgebracht. „VOM NEUEN LEBEN in den Alpen ist eine Dokumentation über neues Wirtschaften, Denken, Handeln und Überleben in den Bergen. Es ist ein Buch über Kult und Kultur, über Landwirtschaft und Tourismus, über Handwerk und Lernen, über alpine Katastrophen und das Umdenken, über Widerstand und neues Denken. Absicht ist, möglichst wichtige, besonders markante und beispielhafte Modelle aus dem gesamten Alpenraum darzustellen“ so beginnt Haid sein Buch. Insgesamt beschreibt Haid in dem Buch mehr als 120 Modelle, Projekte, Ideen, Thesen, Erfahrungen und Utopien. Er berichtet von Menschen, von Genossenschaften, Kulturvereinen, von Künstlern und Querdenkern. Er berichtet über neue Wege in der Landwirtschaft, im Tourismus, im Handwerk, in der Bildung und Kultur. Haid hat immer laut und scharf kritisiert. Tirol habe sich zu einem „Alpenmonster“ entwickelt, zu einem Landstrich, der „grau ist und kalt – und stirbt, wenn es so weitergeht“ meinte er 2010 bei der Verleihung des Otto-Grünmandl-Literaturpreises des Landes Tirol. „Er war einer, der immer darüber gesprochen hat, welche Themen ihn im und um den Alpenraum beschäftigen, welche Maßnahmen in Zukunft notwendig wären, um diesen Lebensraum auch in Zukunft lebenswert zu halten. Mut, Witz und Wiederstand war eine seiner Devisen. Er hat lautstark gefordert, wenn er meinte, dass es notwendig ist, er hat zornig gemahnt, wenn etwas zuviel wurde. Er hat gepoltert und geschimpft, hatte Visionen, engagierte sich in Projekten und Initiativen, die er mit viel Kraft und Einsatz umzusetzen versuchte.“ So steht es in einem Schreiben des Vorstands von Pro Vita Alpina Österreich, anlässlich seines Todes am 5. Februar 2019.
Heinrich Zoderer
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