Prognosen sind schwierig, hat der Karl Valentin mal gesagt, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. Der Karl Valentin war um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ein bekannter Humorist. Gestorben ist er verarmt. Die Römer haben sich die Zukunft von sogenannten Auguren aus dem Vogelflug lesen lassen. Der Vinschgerwind hat mit einigen profunden Auguren aus der Jetztzeit gesprochen, und wagt eine Vorwahlanalyse mit Blick auch auf die Zeit danach. Auch auf die Gefahr hin, dass diese Analyse am Montag, den 22. Oktober Makulatur sein wird. Alsodann.
Der Wahlausgang für den Vinschgau wird womöglich im Sarntal bestimmt. Warum? Es wird um die letzten Plätze gehen. Und im Sarntal gibt es einen wahlerprobten Bürgermeister, der bei den Landtagswahlen 2013 6.404 Stimmen ergattert und dann gescheitert ist. Der will es wieder wissen.
Aber den Wahlausgang für den Vinschgau wird man noch weiter fassen müssen. Vorausgeschickt, dass das Wahlvolk im Vinschgau bisher SVP, Freiheitliche, Süd-Tiroler Freiheit, die Grünen, die BürgerUnion und vereinzelt italienische Parteien gewählt hat.
Die elementare Frage: Mit welcher Anzahl von Mandaten wird die Mehrheitspartei, also die SVP, aus den Wahlen hervorgehen? Die Prognosen schwanken zwischen dem Halten der derzeitigen 17 Mandate oder ein Mandat verlieren. Pessimisten sagen, dass sogar zwei Mandate wegfallen könnten. Große Optimisten sagen, ein Mandat gewinnt die SVP dazu. Der LH Arno Kompatscher hat kürzlich eine 40% Marke an Stimmen angegeben, die die SVP erreichen muss. Kritiker sagen, dass das ein fürchterlicher Fehltritt war, denn der LH müsste, wenn schon, unerschütterlichen Optimismus verbreiten. Die Aussage des LH kann auch so verstanden werden, dass die Analyse der Wahlen bereits vor den Wahlen begonnen hat. Nach dem Motto: Vorher tiefstapeln um nachher besser dastehen zu können.
Angenommen, die SVP verliert ein Mandat und sackt auf 16 Landtagsabgeordnete, dann bräuchte sie zwei andere Mandatare, um auf die Mehrheit von 18 (von 35) im Landtag zu kommen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die SVP als Koalitionspartner die Lega ins Auge fasst. Denn jene Stimmen aus dem italienischen Wählerbecken, die ein damaliger LH Luis Durnwalder noch überzeugend loseisen konnte, dass die SVP auf 18 Mandate gekommen ist (2008), sind bereits 2013 erodiert. Die letzten 5 Jahre waren es 17 Mandate für die SVP. Weil die Lega Regierungspartei in Rom ist und der VizePremier Matteo Salvini markige Sprüche von sich gibt, ist anzunehmen, dass ein guter Teil des italienischen Wahlvolkes die Lega wählen und diese zur stärksten italienischen Partei in Südtirol katapultieren wird. So prognostizieren es Politkenner dem Vinschgerwind gegenüber.
Dieses Schwächeln der SVP und dieses Schielen auf die Lega hat im Vorfeld der Wahlen zwei Parteien mit völlig neuen Tönen aufwarten lassen: Das Team Paul Köllensperger und die Grünen. Der neue Ton heißt „Mitregieren“. Die Idee dahinter ist das Autonomiestatut bzw. die Bestimmungen über die Zusammensetzung der Landesregierung: „Ihre Zusammensetzung muss im Verhältnis zur zahlenmäßigen Stärke der Sprachgruppen stehen“, heißt es da. Köllensperger und die Grünen wittern Morgenluft, denn die Bestimmung heißt nicht, dass eine rein italienische Partei für die Landesregierung in Frage kommen muss. Beide Gruppierungen haben Kandidaten der italienischen Sprachgruppe auf der Liste.
Die Frage möglicher Koalitionen nach den Wahlen ist eine spannende und die Beantwortung dieser Frage hängt wesentlich auch vom Ausgang der Wahlen ab.
Die größte Unbekannte bei den heurigen Wahlen ist die Liste Köllensperger. Der Köllensperger Paul ist 2013 für den Movimento Cinque Stelle angetreten, der hat damals insgesamt 7.100 Stimmen einfahren können, also ein Vollmandat. Im Bezirk Vinschgau, zur Erinnerung, hat Köllensperger damals 38 Vorzugsstimmen bekommen. Cinque Stelle sind für Köllensperger passé. Er fordert, keck, “Mitregieren“. Denn wer fängt Protestwähler oder abtrünnige Wähler anderer Parteien auf? Wer ist imstande, seine eigene Wählerschaft so mobilisiert zu haben, dass diese auch zu den Wahlen hingeht?
Genauso nehmen die Grünen das Wort „Mitregieren“ in den Mund. Mit Riccardo Dello Sbarba schicken sie einen aussichtsreichen, fast sicheren Kandidaten ins Rennen und Dello Sbarba, so der Traum der Grünen könnte in die Landesregierung. Allerdings wird den Grünen ein bitterer Wahlausgang prognostiziert - nur noch zwei Mandate. Denn mit Hans Heiss geht das Zugpferd in der Mitte in die Politpension. Außer - auch das ist eine große Unbekannte - es outen sich jene bisher heimlichen Sympathisanten für den Malser Weg als Grünwähler.
Der Süd-Tiroler-Freiheit wird, so die Auguren, einiges zugetraut. Ein Mandat mehr als bisher. Also von drei auf vier Mandate. Legt man die Wahlen von 2013 zugrunde, träfe der Einzug in den Landtag den Kastelbeller Benjamin Pixner. Ob die Freiheitlichen, die vor 5 Jahren 6 Mandate erringen konnten, diesmal als Protestpartei ein ähnliches Ergebnis werden einfahren können, ist fraglich. Die partei-internen Querelen hängen den Freiheitlichen nach. Und was den Vinschgau betrifft, so haben die Freiheitlichen in den vergangenen 5 Jahren ihre Basis arg vernachlässigt. Es gibt, ausgenommen in Partschins und vielleicht noch in Latsch, so gut wie keine Gemeinderäte, die sich explizit zu den Freiheitlichen bekennen. Wenn die Freiheitlichen ihre 6 Mandate verteidigen können, dann können sie von einem Sieg sprechen. Die Auguren sagen, dass die Freiheitlichen 2, oder sogar noch eines mehr, Mandate verlieren könnten.
Die BürgerUnion von Andreas Pöder und L’alto Agide nel Cuore von Alessandro Urzí dürften eine unerschütterliche Fangemeinde haben, so dass diese zwei ihren Platz im Landtag sicher erreichen könnten. Die befragten Experten halten das für plausibel. Größer ist die Gefahr für den Partito Democratico. Bisher ist der PD Koalitionspartner der SVP und stellt mit Christian Tommasini einen Landesrat und mit Roberto Bizzo zeitweilig den Landtagspräsidenten. Für’s Regieren hat’s gereicht. Denn mit Tommasini waren die 18 Mandate und also die Mehrheit im Landtag gesichert. Der Zusammenbruch des PD auf staatlicher Ebene könnte wie ein Tsunami auch Südtirol erreichen.
Was, wenn nun die Lega in die Landesregierung einziehen würde?
Sicher dürfte sein, dass es einen Vinschger Ersatz für den bisherigen Vinschger Landesrat Richard Theiner nicht mehr geben wird. Denn LH Kompatscher wird einige Schwierigkeiten bei der Zusammenstellung der Landesregierung haben. Das Szenario, das von einem Experten entworfen wird: Wenn die Landesregierung bei 8 Mitgliedern bleibt, die SVP auf 16 Mandate zurückfällt und zwei Männer von der Lega für die Koalition in Frage kommen, muss Kompatscher zwei Frauen berücksichtigen, mit dem Parteiobmann und einem Ladiner und ihn selbst sind es sieben. Wer ist der oder die Achte? Mit diesem Szenario kann sich nicht einmal der amtierende Landesrat Arnold Schuler sicher fühlen.
Ein zweites Szenario: LH Kompatscher stockt die Landesregierung auf 9 Mitglieder auf (das soll er intern schon laut angesprochen haben). Bei 9 Mitglieder sind drei Frauen wegen der Frauenquote zu berücksichtigen, zwei Mitglieder kämen von der Lega und das Dilemma wäre gleich wie beim ersten Szenario. Außer für die Lega kommt mindestens eine Frau...
Welches Szenario auch immer verwirklicht wird, Kompatscher wird eine starke Mannschaft benötigen, die eine Regierungsbildung bei den Leuten „draußen“ mit Händen und Füßen verteidigen wird müssen.
Was das für den Vinschgau bedeutet? Mit Sepp Noggler von der SVP dürfte der aussichtsreichste Kandidat ins Rennen gehen. Auch weil er bei den Landtagswahlen vor 5 Jahren landesweit 12.695 Stimmen erhalten hat. Bemerkenswert aus Vinschger Sicht: Der Bezirk Vinschgau war 2013 der einzige Bezirk im Lande der nicht LH Kompatscher an die Spitze gewählt hat. Zuerst kam Theiner, dann Noggler, dann Schuler und dann erst Kompatscher. Ob diese Reihung auch bei den Wahlen am Sonntag so sein wird? Wie der Neuling Dieter Pinggera, der vor allem auf die frei werdenden Stimmen von Richard Theiner schielt, abschneiden wird, darüber sind sich die Auguren nicht einig.
Sein Ergebnis bzw. sein Wahlausgang wird womöglich im Sarntal bestimmt.
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