Laas
Am vergangenen Mittwoch, 13.15 Uhr am Laaser Bahnhof. Die Vinschgerzüge kreuzen sich, im Hintergrund türmen sich weiße Steinblöcke, Mountainbiker, Fußgänger, Einsteigen, Aussteigen – der Bahnsteig ist belebt. Im Schatten der großen Pappel findet sich eine Gruppe ein, um 13.30 Uhr sind es mehr als 20 Leute, die Leute sind pünktlich. Überwiegend Gäste aus Deutschland, aus der Schweiz und auch Südtiroler. Susanne führt die Gruppe etwas vom Bahnhof weg, dort ist es wegen der Restaurierungsarbeiten laut. Susanne sagt, dass es in Laas von Marmor nur so wimmle, dass die Laaser aufgrund der Marmorgeschichte ein wenig weltoffener seien als andere Alpendörfer. Sie zeigt auf die Schrägbahn an der Bergflanke. „Ein voll funktionierendes Industriedenkmal“, sagt Susanne. Auch auf der Schrägbahn werde der Marmor zu Tale transportiert. Der Weißwasserbruch ist als weißer Fleck im Laaser Tal sichtbar.
Beeindruckt steuert die
Gruppe das Werksgelände der „Lasa Marmo“ an. Marmor-skulpturen zum Anfassen. Ein glatt polierter Marmorlöwe. Ein Material zum Verlieben. Die alte Remise ist bestuhlt und dort wird in einem ganz kurzen Kino-Film der Marmor dermaßen komprimiert und emotionalisiert, so dass es sich allein für diese zwei-drei Minuten lohnt, an einer solchen Marmorführung teilzunehmen. „Der Laaser Marmor ist der schönste, der dekorativste und der reinste – weltweit“, sagt Susanne. 20 Prozent härter als jener von Carrara.
Der Latscher Menhir, vor 5000 Jahren entstanden, ist aus Marmor, der römische Meilenstein, der bei Rabland gefunden worden ist, die karolingische Schranke in der St. Benediktskirche von Mals, die Figuren am kleinen Portal der Pfarrkirche von Burgeis. Figuren aus Marmorfindlingen aus alten und sehr alten Zeiten finden sich überall im Tal.
Susanne Saewert ist eine von sechs ausgebildeten Marmor-FührerInnen. Die Genossenschaft „MarmorPlus“ hat vor einem Jahr damit begonnen, dem Marmor in Laas einen touristischen Mehrwert zu entlocken: mit Führungen, mit Erläuterungen, mit der Beleuchtung in geschichtlicher, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht. „Die Führungen erfreuen sich steigender Beliebtheit“, sagt Susanne nach getaner Arbeit. Die Gäste - und die Einheimischen sind begeistert. Auch die Wirtschaftstreibenden im Dorf. Denn die Führungen locken viele neue Gäste ins Marmordorf.
In der Remise läuft ein Ausschnitt aus dem von „Galileo“ für ProSieben gedrehten Film: Die Wanderung eines Marmorblockes vom Herausschneiden im Weißwasserbruch, der Transport auf der Seilbahn, auf der oberen Bahn, über die Schrägbahn, auf der unteren Bahn ins Werk. Beeindruckend.
Susanne erzählt aus der Geschichte des organisierten Abbaues: Die Gebrüder Strudel hatten 1696 einen Großauftrag aus dem Hause Habsburg und brachen dafür Marmor aus Laas. In der Nationalbibliothek in Wien sind heute große Statuen aus diesem Auftrag zu besichtigen. Johannes Steinhäuser gab dem Laaser Marmor seinen Weltruhm: bei der Wiener Weltausstellung 1873. Auch gründete er 1874 die Steinmetzschule in Laas, die erst 1982 wieder in Betrieb genommen wurde, nachdem sie 1911 nach Bozen übersiedelt ist und 1930 aufgelassen worden ist.
Ab 1882 war in Laas ein „american way“ zu beobachten. Als Pernetzer Hütbub brachte es Josef Lechner mit dem Laaser Marmor zum Millionär. Spuren des Laaser Marmors finden sich in vielen Städten Europas und auch der USA. Lechners Großneffe Georg ist, nach mehreren Besitzerwechseln, heute Geschäftsführer der „Lasa Marmo“.
In höchstes Staunen versetzt die Besucher, dass die „Lasa Marmo“ in New York einen Großauftrag an Land gezogen hat: der große Bahnhof am World Trade Center soll mit weißem Laaser Marmor verkleidet werden. Das Auftragsvolumen, sagt Susanne, belaufe sich auf 20 Millionen US-Dollar. Die Gruppe wird ins Werksgelände geführt. Dort herrscht Hektik: Mehrere Paletten mit Fliesen und mit der Aufschrift „WTC“ für World Trade Center stehen zur Verladung bereit (Bild links).
Staunen in der Werkshalle von der sicheren Ballustrade aus. Staub liegt in der Luft, Marmorstaub. Der sei unbedenklich, sagt Susanne. Surbeln, Zischen, Hämmern in der Halle. Die Arbeiter dort lassen sich in ihrem Tun nicht stören. 2600 Kubikmeter werden pro Jahr aus dem Bruch geholt, 100 Euro pro Kubikmeter erhält die Fraktion Laas als Bruchbesitzerin. 12.000 Euro lassen sich für einen geschnittenen rein weißen Kubikmeter Marmor erzielen.
Nach einem Abstecher zur Markuskirche, zur Apsis der Pfarrkirche und zum „Kaiser aus dem Schafsstall“ begleitet Susanne die Gruppe bis zum Hauptplatz. „Genießen Sie Laas“, sagt Susanne und wird mit großem Applaus verabschiedet. Die Gäste sind begeistert. Bisher war Marmor vor allem neben den Geleisen in Form großer Blöcke sichtbar. Endlich sind die Tore zum Marmor offen. Erlebbar. (eb)
Das „marmor & marillen“ Fest findet am 4. und 5. August 2012 in Laas statt
Marmorführung – Marmorexpedition
Jeden Montag, Mittwoch und Freitag gibt es Marmorführungen: einfach um 13.30 Uhr zum Bahnhof von Laas kommen (Gruppen bitte anmelden). Zur selben Zeit wird am Dienstag eine Führung in italienischer Sprache angeboten. 8 Euro pro Person, Dauer ca. 2 Stunden.
Wer tiefer in die Welt des Marmors eintauchen will, dem wird an jedem Donnerstag eine „Marmor-Expedition“ angeboten. Anmeldung innerhalb 17.00 Uhr am Vortag unter 0473 730 155 (Tourismusverein Schlanders-Laas). 20 Euro pro Person, Dauer ca. 6 Stunden