Dass es Bodenhaftung, trotz privilegierter Lage beweist, ist auch darauf zurückzuführen, dass der Architekt Iwan Zanzotti einen eingeschossigen Baukörper geplant und auf die Bebauung der Umgebung Rücksicht genommen hat. Deshalb trägt der neue Bau auch ein Satteldach, ein klassisches, aber neu interpretiertes. Denn warum muss eine Hofstelle zwangsläufig rustikal sein? „Die traditionelle Bauform in der Landwirtschaft wollten wir weiterführen und gleichzeitig neu definieren“, sagt Iwan Zanzotti. Der Architekturstil des jungen Tartscher Architekten hat sich im Vinschgau bereits einige Referenzen verschafft und fällt immer öfter ins Auge - verschafft sich Aufmerksamkeit.
Der neue Bau in Prad am Stj. verschafft sich seine Aufmerksamkeit auch durch seine Farbgebung. Ein heller Rahmen akzentuiert den farblich grau getauchten Bau, weckt das Interesse seines Betrachters. Und: ist gleichzeitig Witterungsschutz. Verschiedene Flächenbetonung, nennt es Zanzotti selbst. Und ob Zufall oder nicht: Das Satteldach des Wohnhauses verläuft exakt nach jener Ost-West-Achse, wie das Tal, der Vinschgau selbst und ist mit einem Flachbau – einem Riegel – verbunden, in dem unter anderem die landwirtschaftliche Garage Platz findet. Vollintegrierte Photovoltaikmodule ersetzen die Dachziegel des Satteldaches und erbringen eine Leistung von 20 Kilowattstunden.
Das reicht locker aus, um die Wärmepumpe mit genügend Strom zu beliefern und damit den gesamten Wärmebedarf des Hauses zu decken. Mit anderen Worten: Das neue Wohnhaus der Familie Rungg ist energieautark, folgt dem Beispiel der Gemeinde Prad am Stilfserjoch, die den gesamten Strom- und Wärmebedarf seiner Einwohner mit erneuerbaren Energien deckt und zu den Vorzeigegemeinden in Südtirol gehört.
Erschlossen wird das Wohnhaus über eine Rampe, ein Podest, westlich angelegt, von dem aus Zugang zu Garage, Keller und eben dem Wohnhaus gewährt wird. Eine großzügige Garderobe mit separatem Schuhraum empfängt die Besucher im Inneren des Wohnhauses und sorgt für Ordnung. Auf Wunsch verschwindet der Schuhraum hinter einer Holzwand samt Schiebetür, tritt in den Hintergrund. Dass sich Räume beliebig öffnen oder verschließen lassen, ist ein durchgängiges Konzept des maßgeschneiderten Zuhauses und hat hohen praktischen Wert.
Eine Tür verbindet den Eingangsbereich mit Küche und Wohnzimmer. Sie sind mit gleicher Sorgfalt und Detailgenauigkeit geplant worden wie das Entree. Und: sind ein wahres Raumwunder. Differenzierte Raumhöhen inszenieren hier das Wohnen, sorgen für Spannung und unterschiedliche Wohnatmosphären. Zweieinhalb Meter misst der Raum im Wohnzimmer, ist überaus behaglich – wie ein Nest – , drei Meter hoch ist hingegen die tiefer liegende Küche. Genau drei Trittstufen sind’s, die den beiden Räumen ihre Funktion zuordnen. In aller Deutlichkeit. Und auch die Fenster respektieren diese Funktion. Deshalb inszenieren raumhohe Panoramafenster in der Küche die Umgebung, im Wohnzimmer hingegen haben Architekt und Bauherren auf ein durchgehendes Fensterband verzichtet und Rückzug und Nestwärme respektiert. Dass Küche und Wohnzimmer versetzt angeordnet sind, hat einen Grund, der genau unter dem Wohnzimmer liegt: Eine Garage beherbergt hier die Autos der Bauherren. Satte 35 Quadratmeter im fast 180 Quadratmeter großen Wohnhaus nehmen allein die Küche und der Essplatz ein, verlängert nochmal durch eine großzügige, vorgelagerte und geschützte Terrasse. Getafelt wird vor einem Kaminofen, vor flackerndem Feuer. Dieser ist gleichzeitig der gemeinsame Nenner, Herzstück und Raumteiler von Küche und Wohnzimmer. Und: von beiden Seiten einsehbar. Eichenholz hat gleich mehrmals seinen Auftritt in der neuen Hofstelle: in Böden, Schiebetüren, Holzwand und Türen. Konsequenter Materialeinsatz nennt sich das architektonische Konzept, das dahinter steckt und sich auch im zweiten verwendeten Material fortsetzt: Feinsteinzeug, das die zwei Bäder und die Küche tragen, grauer Naturstein die Balkone und die Terrasse.
Der fast 40 Meter lange Flachbau ist den Rückzugsräumen vorbehalten, Zimmern, Arbeitsräumen, Bädern, die sich entlang eines Flurs – wie Perlen – aneinanderreihen. Das Tageslicht wird hier über Oberlichten hereingeholt und verstärkt die Großzügigkeit. Zwei Balkone sind Freisitze für die Zimmer, Kinderzimmer und Arbeitszimmer. Mit dem Elternschlafzimmer haben sich die Bauherren etwas ganz Besonderes gegönnt: begehbaren Kleiderschrank, Bad und einen Ausblick, der seinesgleichen sucht. Hier, an diesem prominenten Platz, ohne Nachbarn weit und breit, kann man sich Offenheit leisten. 400 Quadratmeter nimmt die grüne Wiese rund herum ein. „Unter diesen Voraussetzungen ein Haus planen zu dürfen, ist ein Traum eines jeden Architekten“, resümiert Iwan Zanzotti seine Bauaufgabe. Bauherren miteingeschlossen. „Die Zusammenarbeit mit ihnen war fantastisch.“
Das dürfte mindestens gleich viel, wenn nicht mehr gewichten. Denn was nützt das schönste Grundstück, wenn das Zusammenspiel zwischen Architekten und Bauherrn nicht funktioniert? Nur dann kann ein traumhaftes Zuhause entstehen.
kurz & bündig:
Bauherren: Familie Roland Rungg, Architekt: Iwan Zanzotti
Nettowohnfläche: knapp 180 Quadratmeter,
energetische Versorgung: Photovoltaikanlage und Wärmepumpe