Schlanders erzählt... Märchenherbst

Maerchenherbst24

 
 
Mittwoch, 02 Mai 2012 00:00

Schloss Gomagoi

Artikel bewerten
(0 Stimmen)

Suedost-aktKKIm Südtiroler Burgenbuch wird man vergeblich nach einem Schloss Gomagoi suchen, obwohl die Geschichte dieser Straßensperre sehr viel mit einem Schloss zu tun hat. „Schloss“ kommt von „schließen“ und in der Festung Gomagoi steckt eigentlich noch eine mittelalterliche Burg: Ein Sperrbau mit mächtigen Mauern, mit Wehrgang, Schießscharten und einem Geschützturm. Mit Kasematten. Das sind bombensichere, meist gewölbte Räume für die Mannschaft und für die Geschütze. Das italienische Wort „Casamatta“ bedeutet „Wallgewölbe“; das sind vor allem mauertechnische Kostbarkeiten dieses Bauwerkes.
Durch das Entfernen einer Decke entstand ein überraschend großer Innenraum, ideal für Ausstellungsstücke des geplanten Museums. „Sämtliche Decken sind als Gewölbe mit verschiedenen Radien, mit Vollziegel aus gebranntem Ton gemauert“, schreibt der Architekt Arnold Gapp in seiner „Studie über die Nutzung der Festung als Tor zum Stilfser Joch.“
In Gomagoi vereinigt sich so ziemlich alles, was mit Südtiroler Geschichte zu tun hat. Der Festungsbau stammt aus dem Jahr 1860 und wurde in sehr kurzer Zeit erstellt, geradezu unter Zeitdruck. Gebaut als Schutzfort gegen einen eventuellen Einfall der Italiener aus der Lombardei, die seit 1859 zum Königreich Sardinien-Italien gehörte. Plötzlich gab es also am Stilfser Joch eine Staatsgrenze. Krieg hat die Festung allerdings kaum gesehen; nach der Eroberung des Monte Scorluzzo 1915 durch die Österreicher hat sich das Kriegsgeschehen um den umkämpften Pass kaum noch verändert. Nach dem Ersten Weltkrieg verschwand auch die Grenze am Stilfser Joch und Südtirol wurde 1918 italienisch.
Die wiederholt umgebaute Grenzfeste wurde strategisch bedeutungslos und begann zu verfallen. Um Platz für die nun wichtiger gewordene Straße zum Stilfser Joch zu gewinnen, wurde das Gebäude 1963 radikal durchschnitten. agumsWegen der Straßenbegradigung wurden die Festungsgräben an der Sperre bis auf die Höhe der Straßentrasse aufgeschüttet.
Seit 2006 gibt es einen Landesauftrag, den Wert der Jochstraße auch historisch zu dokumentieren und die Festung Gomagoi zu saniere. Zur Neugestaltung dieses Eingangstores liegen bereits ausführliche Pläne vor. Durch das brutale Zerschneiden des Baukörpers wurden viele Innenräume zu Außenmauern; sie wurden notdürftig mit Ziegeln „geflickt“, unorganisch, hässlich. Tatsächlich sind fast alle Reisenden an diesem Bau rasch vorbeigefahren, ohne genauer hinzuschauen. Und nun die Wende: Nach einer Studie von Architekt Gapp soll nicht etwa der alte Baukörper rekonstruiert werden, vielmehr soll das Innere der Festung ans Tageslicht geholt, also sichtbar und bewusst gemacht werden. Hinter gläserner Abdeckung betreten wir ein Museum, finden eine Informationsstelle, ein Café, wir machen Pause.
plan-gomagoiP1080770Dieser „Schlossbesuch“ soll uns einstimmen in das Freilichtmuseum Trafoi, Stilfser Joch, uns vorbereiten für den Besuch der heiligen Drei Brunnen am Fuße des Ortlers. Hier soll auch all das gezeigt werden, was von den Menschen dieser Täler in jahrzehntelanger Arbeit gesammelt wurde: Überreste der Kriegsfront gegen Italien. Munition, Unterstände, Kochgeschirr, Waffen, Andenken an die Menschen aus dem großen Krieg - alles, was die schwindenden Gletscher preisgeben.
Ein etwas anderer Schlossbesuch. Eine Inhaltsangabe der wechselvollen Geschichte Südtirols, ganz Europas aus einer zerteilten Festung, die jetzt dem Frieden dient.

Hans Wielander


Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /www/htdocs/w00fb819/vinschgerwind.it/templates/purity_iii/html/com_k2/templates/default/item.php on line 248
Gelesen 3297 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 22 24

titel Vinschgerwind 21-24

titel vinschgerwind 20-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.