Massimo Mennitti: Schlanders ist der Ort, wo ich geboren und aufgewachsen bin, wo ich bis zu meinem 16. Lebensjahr meine Kindheit und Jugend verbracht habe. Deshalb ist es für mich immer schön an Schlanders zu denken. Damals war Schlanders ganz anders, es gab nicht so viele Hotels und nicht so viele Äpfel. Ich habe viele Erinnerungen an Schlanders, wie wir in den Wald gingen, Pilze gesucht haben und mit dem Fahrrad herumgefahren sind. Meine Kindheit und Jugend in Schlanders war eine schöne Zeit.
Vinschgerwind: Nach drei Studienabschlüssen haben Sie eine große Karriere bei den Carabinieri gemacht, Sie waren im In- und Ausland tätig. Was waren die wichtigsten Stationen in Ihrer beruflichen Karriere?
Mennitti: Ganz gleich ob man für eine Kompanie, für eine Provinz oder wie jetzt für eine Region zuständig ist, das Schönste ist immer, dass man für die Bevölkerung verantwortlich ist. Ich habe in Palästina und in Brüssel gearbeitet und war verantwortlich für die ganzen Missionen im Ausland. Die Situationen sind verschieden, aber die Menschen sind überall gleich. 99% der Menschen auf der Welt sind brave Menschen, die arbeiten und in Frieden leben möchten. Die Carabinieri sind verantwortlich dafür, dass diese 99% der Menschen das tun können, was sie möchten. Wir müssen uns aber auch auf die 1% konzentrieren, die Schwierigkeiten machen.
Vinschgerwind: In den letzten 3 Jahren hatten Sie als Brigadegeneral das Kommando über die Region Trentino Südtirol. Wie viele Stationen standen unter Ihrem Kommando und was waren die wichtigsten Aufgaben?
Mennitti: Es gibt in der Region Trentino Südtirol 158 Carabinieristationen. Die Arbeit ist interessant. Es ist wichtig darauf zu achten, dass die Männer und Frauen die Arbeit machen, die sie am besten können. Die meisten Kommandanten machen es so, dass sie denen, die arbeiten noch mehr Arbeit geben und denen, die keine Lust haben, in Ruhe lassen. Ich mache genau das Gegenteil. Wer arbeitet, den lobe ich und lass ihn in Ruhe weiter arbeiten. Ich konzentriere mich auf die, die nicht gut arbeiten oder keine Lust haben, um sie zu motivieren bzw. zu zwingen besser zu arbeiten. So können sich alle verbessern und das Beste geben. Wichtig ist es, dass der Kommandant eine klare Linie vorgibt. Wenn man die Linie verliert, dann verliert man das Vertrauen der Bevölkerung und das ist nie gut.
Vinschgerwind: Was waren in den drei Jahren die größten Herausforderungen und die größten Erfolge?
Mennitti: Ich möchte nicht gerne Erfolge auflisten. Die Bevölkerung in Südtirol und im Trentino hat gesehen, was ich gemacht habe und wie ich das gemacht habe. Wichtig war es das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen und der Bevölkerung nahe zu stehen. In Südtirol ist es etwas schwierig, denn über Probleme redet man am liebsten in seiner eigenen Sprache. Wenn man zu den Carabinieri geht, hat man normalerweise ein Problem und es ist viel einfacher wenn man sich in der eigenen Sprache unterhalten kann. Deshalb wurden Wettbewerbe für Deutschsprachige organisiert. Dafür mussten Gesetze geändert werden. Aber das wird bleiben, auch wenn ich die Region verlasse. Ich habe Kurse organisiert, damit die Carabinieri die deutschen Rechtsbegriffe verwenden lernen. Ich habe auch Arabischkurse organisiert, damit sich die Carabinieri auch mit den Ausländern unterhalten können.
Vinschgerwind:Die Sicherheit der Bevölkerung ist ein wichtiges Thema. Wie sieht es mit der Sicherheit in Südtirol und im Trentino aus?
Mennitti: Die Sicherheit hat sich nicht verschlechtert, sie verbessert sich immer mehr. Aber viele Menschen meinen, dass die Situation unsicherer geworden ist. Die Medien spielen dabei eine große Rolle. Das Problem der Jugendlichen ist die Legalität, das der älteren Menschen die Sicherheit. Wir müssen positiv denken und an die Legalität, d.h. die Rechtssicherheit denken. Sicherheit ist mit Angst verbunden und das ist nie gut. Ängste, die jeder hat, kommen raus, besonders kollektive Ängste vor fremden Menschen. Das sind psychologische Ängste. Früher hatte man Angst vor Menschen, die von einem anderen Tal gekommen sind, jetzt hat man Angst vor Menschen, die vom Ausland kommen. Jedenfalls die Sicherheitslage in Südtirol ist sehr gut, die Anzahl der Vergehen sinkt und wir Carabinieri sorgen für die Sicherheit. Deshalb sind die Carabinieri auf der Straße und in den Städten präsent.
Vinschgerwind: Das friedliche Zusammenleben der Volksgruppen war für Sie ein großes Anliegen, wie kann es verbessert werden und wie kann auch die Integration der Ausländer bewältigt werden?
Mennitti: Es ist sehr wichtig zusammen zu leben und miteinander zu sprechen. Jede Kultur hat ihren Reichtum. Jedes Volk ist verschieden, aber wenn man zusammen arbeitet und zusammen lebt, kann man zusammen wachsen. Vieles von dem Erfolg, den ich in meinem Leben gehabt habe, verdanke ich dem Umstand, dass ich in einem zweisprachigen Gebiet aufgewachsen bin. In Palästina und Brüssel war es normal und natürlich für mich, dass die Menschen verschiedene Sprachen und Kulturen haben. Das macht die Schönheit der Welt aus, dass wir nicht alle gleich sind. Es wäre langweilig, wenn wir alle die gleiche Kultur, Religion und Sprache hätten. Ausländer haben oft Werte, die für uns nicht so normal aussehen, aber ich denke man kann sich verständigen. Wir müssen unsere europäischen Werte, unsere Kultur verteidigen und die Ausländer integrieren. Die Ausländer bringen ihre Energie mit, wir geben ihnen Arbeit und so wird das gut für uns alle. Wir alle müssen das Beste tun, um friedlich miteinander zu leben. Die meisten Ausländer sind brave Menschen, das muss man akzeptieren und verstehen. Die Religion kann ausschauen wie ein Problem, aber wenn Ausländer Respekt für unsere Lebensweise haben und wir für ihre, dann ist das auch kein Problem. Man muss sich vor Verallgemeinerungen hüten, sonst werden wir alle verunsichert. Wir in Südtirol müssen nicht Angst haben wenn in Paris jemand getötet wird. Andererseits z.B. im Tourismus braucht es die Ausländer.
Vinschgerwind: Ab Juli 2018 werden Sie in Rom wichtige Aufgaben übernehmen. Was ist Ihr neues Aufgabenfeld?
Mennitti: Keine Aufgabe ist wichtiger, als für die Sicherheit eines Territoriums verantwortlich zu sein. Ich werde verantwortlich für die interne und externe Kommunikation der Carabinieri in ganz Italien. Es geht um Publikation, das Image. Man muss oft sehr schnell reagieren. Die Arbeit der Carabinieri hat immer mit Gewalt und Gewalttätern zu tun. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Carabinieri richtig verhalten. Alles was passiert, muss richtig geklärt und erklärt werden, damit keine weiteren Probleme entstehen.
Vinschgerwind: In ihrem Büro hängt ein Bild des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama und vom indischen Widerstandskämpfer Mahatma Gandhi. Was verbindet Sie mit diesen beiden Persönlichkeiten?
Mennitti: Beide Persönlichkeiten haben in ihrer Zeit und mit ihren Möglichkeiten versucht die Welt zu verändern und zu verbessern. Niemand hat vorher geglaubt, dass ein Schwarzer US-Präsident werden und ein indischer Rechtsanwalt die Engländer aus Indien vertreiben kann. Beides ist gelungen. Für mich zeigt das, wer fest an seine Überzeugungen glaubt, kann viel verändern und verbessern.
Vinschgerwind: Was bedeutet das japanische Zeichen an der Wand in Ihrem Büro?
Mennitti: Es bedeutet „benessere“ Wohlbefinden, Wohlergehen. Ich schaue das Zeichen jeden Tag an. Es zeigt einen Menschen, der aufrecht steht und bekleidet ist. Daneben ist ein Feld, ein Acker, darüber die Zeichen für Nahrung und Haus. Das ist es, was die Menschen brauchen, was ihnen Sicherheit gibt, damit sie sich in ihrem Leben wohl fühlen. Bei uns nennt man das Heimat. Für mich ist Italien mein Vaterland und Südtirol meine Heimat.
Vinschgerwind: Ihre Mutter Maria, eine ehemalige Lehrerin an der Mittelschule, lebt in Schlanders. Werden Sie in Zukunft noch Zeit haben, ihre Mutter und Schlanders zu besuchen?
Mennitti: Das wird nicht mehr so oft sein, denn Rom ist weiter von Schlanders entfernt. Aber ich fühle mich mit meiner Mama sehr verbunden. Meine Eltern haben sich entschieden in Schlanders zu bleiben, weil sie dort ein schönes Leben haben. Sie kommen aus Süditalien, aus Neapel und Salerno, sind in Schlanders hineingewachsen und fühlen sich dort Zuhause. Ich habe meiner Mutter vorgeschlagen nach Bozen oder Meran zu ziehen, aber sie wollte nicht.
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