Er weiß Bescheid über die Träume, die Bedürfnisse, die Auswirkungen von Liftgesellschaften, von Einzugsgebieten, von Nächtigungen, von Ersteintritten, von Wirtschaftlichkeiten, auch von Irrwegen, überschäumenden Träumen...
Anders ist die Begründung der Landesregierung, mit welcher die lifttechnische Verbindung Langtauers-Kaunertal abgelehnt worden ist, kaum zu erklären. Denn die Ablehnung enthält ein Schlupfloch. Eine Hoffnung für die Oberländer Gletscherbahn AG. Die Flamme ist noch nicht aus.
Das Köcheln, der Traum einer Verbindung mit dem Kaunertaler Gletscher, währt schon seit mehr als 30 Jahren. Aufgeflammt ist der Traum wiederum vor etwa 6 Jahren (sh. Vinschgerwind Nr. 12 2012). Der langjährige Geschäftsführer der Kaunertaler Gletscherbahnen Eugen Larcher lancierte damals in der Gemeinde Graun eine Art Machbarkeitsstudie der Firma Leitner. Das Fenster für Abänderungen des Fachplanes für Skipisten und Aufstiegsanlagen war damals offen. Das Unterfangen blieb stecken.
Dann kam Hans Rubatscher. Der Mehrheitseigner der Kaunertaler-Pitztaler Gletscherbahnen brachte die Gemeinde Graun gegen sich auf - mit dem Ansinnen einer Verbindung Langtaufers-Kaunertal. Vor allem aber mit dem Versprechen - bei einer Genehmigung der Kaunertalverbindung im Gegenzug in die Haideralm einzusteigen. Rubatscher war nach der Ablehnung in Graun nicht amüsiert, auch beleidigt. Nach einem Jahr Pause kehrt Rubatscher als graue Eminenz nach Graun zurück: Die „Oberländer Gletscherbahn“ wurde gegründet, Aktien gezeichnet, die „Oberländer Gletscherbahn AG“ ist seit 15. Februar 2016 im Handelsregister eingetragen. Kurt Jakomet, der Geschäftsführer des Skigebietes Karerpass, ist seither Alleinverwalter der Gesellschaft. Und dann wurde eine Machbarkeitsstudie erstellt. Der Inhalt blieb derselbe: Eine skitechnische Verbindung Langtaufers-Kaunertal - konkreter Melag-Karlesjoch, samt Abfahrt. Der Gemeinderat von Graun hat im Mai 2016 grünes Licht für diese Machbarkeitsstudie gegeben. Das Ansuchen bzw. die Machbarkeitsstudie ging nach Bozen.
Die Mühlen in Bozen begannen sich zu drehen: Im Februar 2017 kam ein negatives Gutachten vom Umweltbeirat. Die Oberländer Gletscherbahn AG machte schriftliche Einwände dagegen, ergänzte ihre Unterlagen, das Amt für Landesplanung nahm dazu Stellung, ein zweites Gutachten des Umweltbeirates war im Oktober 2017 wiederum negativ. Im November 2017 verfasst das Amt für Landesplanung einen zusammenfassenden Bericht - und schlägt der Landesregierung vor, „den ergänzenden Eingriff abzulehnen“. Und noch eine Tür versucht das Amt für Landesplanung zuzuschlagen: „Gemäß negativem Gutachten des Umweltbeirates vom 25. Oktober 2017 wird vorgeschlagen, auch eine reine lifttechnische Verbindung ohne Skipisten abzulehnen.“
Das Urteil des Amtes für Landesplanung, das „für die strategisch territoriale Planung des Landes zuständig“ ist, über den skitechnischen Zusammenschluss Melag-Kaunertaler Gletscher ist vernichtend. Und mehr eine politische Aufforderung. Die Aufforderung liest sich im zusammenfassenden Bericht unter anderem so:
(...) „Festgestellt, dass Langtaufers sich in der gemäß DLH 55/2007 als strukturschwaches Gebiet eingestuften Region Obervinschgau befindet, die tatsächlich von der Berglandwirtschaft und relativ niedrigem Einkommen geprägt ist, wird angenommen, dass die Realisierung des Vorhabens eine allgemeine Erhöhung des Wohlstandes und somit der wirtschaftlichen Lage von Langtaufers zur Folge haben könnte. Die schweren Auswirkungen auf Umwelt, Natur und Landschaft sind aber laut Umweltbeirat so relevant, dass der Vorschlag negativ bewertet wird. Sie betreffen nicht nur die Gebiete, die direkt vom Projekt betroffen sind, und zwar die Trassen der Skipisten und der Aufstiegsanlagen, sondern auch die Bereiche, die von der Realisierung der notwendigen zusätzlichen Infrastrukturen wie Parkplätze, Servicegebäude, usw. betroffen sind. Auch die noch vorhandene beinahe unberührte Landschaft und die Identität des Tales - Werte die in der Zukunft immer mehr an Bedeutung und Schätzung gewinnen werden und somit auch als touristisch wichtige Ressource zu betrachten sind - würden verloren gehen. Das enorme Potential des Tales, und zwar die intakte Natur und somit der hochqualitative und auf die lokale (Land)Wirtschaft basierende sanfte Tourismus, wurde bis jetzt nicht genug wahrgenommen bzw. mit Überzeugung unterstützt und vermarktet. Da künftig die Nachfrage in diesem Sektor weiterhin steigen wird, kann das Langtauferertal stark davon profitieren. In diesem Sinne wäre laut Amt für Landesplanung sinnvoll, in die Vermarktung und in die Entwicklung eines gezielten Angebotes und einer dazu passenden Nischentourismuskultur zu investieren, die auf die lokalen Ressourcen, welche auf eine intakte Landschaft mit hohem Naturcharakter zurückzuführen sind, setzt. Somit könnte dieses strukturschwache Gebiet den gewünschten wirtschaftlichen Aufschwung im Sinne der Nachhaltigkeit erleben. (...)“
Das Amt für Landesplanung untermauert sein Argumentarium auch mit dem „Globalen Ethikkodex für den Tourismus“ (sh. vollständigen Beschlusstext www.vinschgerwind.it).
Die Landesregierung nimmt in ihrem Beschluss die Akten zur Kenntnis und macht sich den Vorschlag für die Ablehnung von Seiten des Amtes für Landesplanung zu eigen - allerdings nicht inhaltlich:
„Die Landesregierung stellt zudem abschließend fest, dass unter dem wirtschaftlichen und touristischen Gesichtspunkt die Initiative vor allem auf die Verlängerung der Skisaison und auf eine Attraktivitätssteigerung und somit auf die Erhöhung der Bettenauslastung und damit einhergehende Steigerung der Wertschöpfung setzt. Eine Verlängerung der Skisaison kann aufgrund des Gletscherskigebietes schon angenommen werden. Eine Verlängerung der Saison im Frühjahr, vor allem bis in den Mai, erscheint hingegen nicht sehr wahrscheinlich, da sich der gesamte Vinschgau bereits ab Anfang Mai mehr auf den Sommertourismus ausrichtet. Die Umsetzung der Initiative würde zwar für das Langtauferertal Vorteile in wirtschaftlicher Sicht mit sich bringen, sowohl was das Gastgewerbe als auch die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze betrifft, die Auswirkungen auf die gesamte Region des Oberen Vinschgau sind allerdings nicht so einfach zu bewerten und müssten wohl noch vertieft werden. Im Tourismus könnten durchaus zusätzliche Nächtigungen generiert werden, bei den Skigebieten könnte sich aber auch die Situation der bestehenden Aufstiegsanlagen verschlechtern und damit die bereits schwierige Situation in einzelnen Skigebieten zusätzlich verschärfen. Auf diese kritischen Aspekte wird auch in der Analyse der einzelnen Skizonen - Anhang C des Fachplanes, Band 1 – hingewiesen. Die vorgelegte Studie geht auf diese Aspekte zu wenig ein und beinhaltet keine ausreichenden objektiven und gebietsspezifischen Daten und Argumente, um sie zu widerlegen.“
Deshalb abgelehnt mit dem Zusatz: „Die durch die Realisierung des Bauvorhabens zu erwartenden positiven wirtschaftlichen und sozioökonomischen Auswirkungen sind nicht ausführlich genug dargelegt und rechtfertigen in der vorgelegten Form die erheblichen, im Gutachten des Umweltbeirates vom 25. Oktober 2017 beschriebenen Auswirkungen auf die Umwelt nicht.“
Genau diese Formulierungen können im Oberland als Schlupfloch gedeutet werden. Denn die Formulierung „in der vorgelegten Form“ hat die Flamme im Oberland, im Kreise der „Oberländer Gletscherbahn AG“, keineswegs erstickt. Der Alleinverwalter Paul Jakomet, der auch erst vor einer Woche den Beschluss zu Gesicht bekommen hat, gibt die Marschrichtung vor: Nach interner Analyse werden die Aktionäre informiert und dann wird man die Öffentlichkeit über nächste Schritte informieren. Ein Rekurs gegen den Beschluss der Landesregierung ist nicht ausgeschlossen.
Mut dazu macht ein jüngst vom Verwaltungsgericht gesprochenes Urteil: Die Marinzen GmbH in der Gemeinde Kastelruth hat kurz vor Weihnachten einen Rekurs gegen einen ablehnenden Beschluss der Landesregierung gewonnen. Der Fall ist ähnlich gelagert wie die skilifttechnische Verbindung Langtaufers-Kaunertal.
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