Karl kam in Prad in der behüteten Familie eines Tierarztes mit Innsbrucker Wurzeln zur Welt. Die Härte des Lebens bekam er mit sechs Jahren zu spüren. Er war allein zu Hause als sein Vater plötzlich blutüberströmt in der Tür stand. Das Motorrad, auf dem er als Beifahrer gesessen hatte, war bei Spondinig verunglückt. Der Vater, der für den Fahrer Hilfe holen wollte, hatte sich heimgeschleppt. Er starb noch in der Nacht. Karl, sein jüngerer Bruder und die Mutter blieben geschockt zurück. Später heiratete sie noch einmal. Karl besuchte die italienische Schule in der Faschistenzeit und das war kein Honigschlecken. „Miar hattn untranondr aa Italienisch redn gmiaßt, hobms obr nit toun“, erzählt er. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen erhielt er Deutschunterricht beim Lehrer Rettenbacher. Dieser erteilte ihm oft auch Mathematikunterricht, was ihm bei seiner späteren Ausbildung Vorteile verschaffte.
Mit 14 Jahren rekrutierte ihn die Hitlerjugend. Er kam zusammen mit Vinschger Jugendlichen zur Livrio Hütte am Stilfser Joch zur Ausbildung. Kurz darauf konnte er die Maschinenschlosser-Lehre in den Jenbacher Ernst Heinkel-Werken beginnen, wo Flugzeug- und Panzerteile hergestellt wurden. Laufend musste er zur Musterung, seine Angst vor einem Fronteinsatz war groß. Anfang 1945 wurde es ernst. Mit verlotterter Uniform und Gewehr sollte er mit seiner Kompanie nach Scharnitz marschieren und die Amerikaner stoppen. Da Karl das Ende des Krieges nahen spürte, flüchtete er zu seinem Großvater nach Innsbruck. Dort erfuhr er, dass seine Kameraden bei Scharnitz niedergemetzelt worden waren.
Er hatte Glück gehabt und blieb beim Großvater.
Einige Zeit später besuchte er in Fulpmes die Staatsfachschule für Stahlbearbeitung und schloss diese erfolgreich ab. Das Jenbacher Werk nahm ihn wieder auf. Dort liefen nun Diesel-Motoren vom Band. Dann wechselte er zur Kleineisenindustrie nach Fulpmes. Mit dem Fahrrad brachte er von dort Eisenwaren nach Prad. „I hon mitn Radl sogor Tenglstöck transportiert, dia i gut verkafn honn kennt“, erklärt er. Er sparte und begann mit dem Hausbau in Prad.
Als Werkzeugschlosser holte ihn die Firma „Fama“ nach Bozen. Dort erfuhr er von der Suche der französichen Firma „Citroen“ nach Fachkräften. Seinen Bruder wollte er als Hilfsarbeiter vermitteln, doch Fachleute waren gefragt. Das hohe Lohnangebot von 350 Lire pro Stunde (er erhielt 135 Lire) reizte Karl, und er trat beim Auswahlverfahren in Mailand an. Als Einziger überzeugte er und erhielt das Ticket für Paris. „I hon nit gwisst, wo i hin kimm“, erinnert er sich. Über vier Jahre verbrachte er in der französischen Hauptstadt. Im Sommer besuchte ihn die Lehrerin Agnes Paulmichl, mit der er nach der Hochzeit 1958 ins neue Haus in Prad einzog und eine Familie mit drei Kindern gründete. Eine Arbeitsstelle erhielt er in der Berufsschule, wo er bis zu seiner Pensionierung 1993 Metallfachschüler unterrichtete.
Danach widmete er sich dem Bergwandern, seinem Garten und seinen Reisen. Oft besuchte er die Tochter in Spanien. Mittlerweile lebt sie mit ihrer Familie in Meran. Die zweite Tochter und der Sohn haben Bozen als Wohnort für ihre Familien gewählt. Inzwischen hat Karl über der Garage einen großen Wohnraum geschaffen, damit Kind und Kegel bei Familienfesten genügend Platz haben. „Mit 75 hon i meine zwoa Schwiegersöhn afn Ortler aui gfiart“, freut sich Karl. Den Aufstieg hat er mit seiner Fotokamera dokumentiert, wie viele andere Begebenheiten in seinem Leben. Die Fotos hat er in einem Album archiviert und dazu lebendige Erlebnisberichte verfasst. Auch die Dokumentation über seine jüngste Ortler-Bezwingung ist darin zu finden.
Magdalena Dietl Sapelza
Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau