Am vergangenen Samstag, 11. Februar 2017 fand im Südtiroler Naturmuseum in Bozen die diesjährige Vollversammlung der AVK statt. Im heutigen Beitrag versuche ich die wesentlichen Inhalte der interessanten Fachreferate aus der Vollversammlung zusammenzufassen.
Bestandsveränderungen in 30 Jahren
Im Jahre 1987 war der erste „Atlas der Vogelwelt Südtirols“ erschienen. Er hatte die damals vorliegenden Daten und Feldbeobachtungen vieler Hobbyornithologen zusammengefasst. In seinem Referat anlässlich der Vollversammlung 2017 hat Leo Unterholzner an einigen ausgewählten Vogelarten exemplarisch die Entwicklung der Bestände im 30-Jahres-Zeitraum 1987 – 2016 aufgezeigt. In den letzten Jahren 2014-2016 waren wieder systematische Feldbeobachtungen zu den verschiedenen Vogelarten in den unterschiedlichen Lebensräumen erhoben und gesammelt worden. Aus dem Vergleich der historischen mit den aktuellen Daten werden Aussagen und Einschätzungen über die Entwicklung, die Zu- oder Abnahme der einzelnen Arten möglich. Dies gilt zumindest für jene Landesteile, in denen sich Vogelfreunde engagieren und ihre Beobachtungen systematisch aufzeichnen und damit für einen wertvollen wissenschaftlichen Vergleich gesicherter Daten konservieren.
Stehende und fließende Gewässer
Vergleichende Beobachtungen 1984-86 und 2014-2016 sind aufgrund der vorhandenen Daten z.B. für den Haider See und den Toblacher See möglich. Das Blässhuhn (Fulica atra) war schon im 1. Vogelatlas Südtirols 1987 als Brutvogel an stehenden und langsam fließenden Gewässern beschrieben worden und hat in den letzen 30 Jahren an Südtirols Seen zugenommen. Für den Zwergtaucher (Tachybaptus ruficollis) erwähnt der Vogelatlas 1987 erst zwei Brutvorkommen in Südtirol. Er hat zugenommen und ist inzwischen z.B. am Haider See Brutvogel. Dasselbe gilt für die Reiherente (Aythya fuligula). Für den Haubentaucher (Podiceps cristatus) gab es 1988 nur eine erfolgreiche Brut am Kalterer See. Inzwischen ist er regelmäßiger Brutvogel am Haider See. Der Graureiher (Ardea cinerea) war in den Jahren 1980-90 erst als Durchzügler gemeldet. 1997 erfolgte für Südtirol der erste Brutnachweis, heute ist der Graureiher südtirolweit als Brutvogel und mit Anwesenheit auch im Winter bekannt. Bevorzugte Horstbäume sind die Fichten mit den aufwärtsstehenden Ästen im Wipfelbereich, welche den Nestbau erleichtern. Auch der Silberreiher (Ardea alba) ist heute in Südtirol vermehrt zu beobachten. Der Vogelatlas 1987 hat in weder als Brut-, noch als Zugvogel geführt.
Die Limikolen
Für den Flussregenpfeifer (Charadrius dubius) sind die Lebensräume in Südtirol Mangelware. Geeignete, Fuchs sichere Schotter- und Kiesbänke inmitten von Bächen und Flüssen gibt es nur im Suldenbach auf der Prader Sand, in den Ahrauen und im Eisackspitz am Zusammenfluss mit der Etsch in Bozen. Am Eisackspitz wurden Jungvögel beobachtet, weshalb es Brutverdacht gibt. Die Wohnraumnot und –eignung gilt auch für den Flussuferläufer (Actitis hypoleucos). Dem Kiebitz (Vanellus vanellus) sind als Brutvogel in Südtirol nach der Umstellung von der Grünlandwirtschaft auf den Obstbau die großen Acker- und Wiesenflächen abhandengekommen. Er ist nunmehr vorwiegend Durchzügler.
Die Hühnervögel
Unter den Raufußhühnern (Tetraonidae) scheint im Lebensraum Hochgebirge das Schneehuhn (Lagopus muta) dem Erschließungsdruck relativ gut standzuhalten und zuzunehmen. Über das Schneehuhn verfügt das Südtiroler Landesamt für Jagd und Fischerei über gute, in ihrer langjährigen Serie aussagekräftige und konsolidierte Daten, während die Beobachtungsdaten der AVK eher sporadisch und kleinräumig erhoben worden sind. Die Bestände des Steinhuhnes (Alectoris graeca) als Vertreter der Echten Hühner (Phasianidae) gehen hingegen zurück. Dabei bewohnen die Steinhühner mit den Vinschger Leiten und der Felsensteppe v.a. den Westen Südtirols.
Die Wiesenbrüter
Die bodenbrütenden Arten der Wiese haben es wegen der frühen ersten Mahd auf Südtirols intensivierten Grünlandflächen zunehmend schwerer. Die Bestände der Wachtel (Coturnix coturnix) sind eingebrochen. Auch der Wachtelkönig (Crex crex), als Natura 2000-Art klassifiziert, findet nicht leicht die geeigneten Voraussetzungen für die Ernährung und erfolgreiche Aufzucht seiner Jungen. Für das Schweizerische Münstertal ist 2016 eine erfolgreiche Brut gemeldet. Für die Malser Haide besteht Brutverdacht. Dies unterstreicht den ökologischen Wert dieser obervinschgauer Wiesenlandschaft. Beim Braunkehlchen (Saxicola rubetra) sind dramatische Bestandseinbrüche zu beklagen. Von den Schweizer Beobachtern stammt die Meldung, dass von 26 Brutpaaren im unteengadiner Ramosch nur eines überlebt hat. Sowohl bei den Braunkehlchen als auch bei der Feldlerche (Alauda arvensis) ist wegen der frühen Mahd in den Talsohlenböden ein Rückzug in höhere Lagen zu beobachten.
Leitarten der Vinschgauer Leiten
Der Ortolan (Emberiza hortulana) und der Steinrötel (Monticola saxatilis) waren charakterisierende Leitarten der Vinschgauer Leitensteppe. Auch bei diesen beiden Arten gibt es dramatsiche Rückgänge. Für den Ortolan gibt es in den letzten Jahren einen einzigen Brutnachweis in Südtirol, sodass diese Art in unserem Land als vom Aussterben bedroht eingestuft werden muss.
Zunahmen
Zunahmen der Bestände gibt es unter den Vogelarten, welche als Kulturfolger in der Lage waren, sich auf die Verbau und Veränderung der Landschaft sowie auf die Intensivierungsprozesse in der Landwirtschaft der Talsohlenböden und Mittelgebirgsterrassen einzustellen und auf neue Nahrungsangebote umzustellen. Dabei ist das Artenspektrum aber schmal und eingeschränkt und es erhöhen sich die Individuenzahlen der angepassten Arten. So bilden nach Leo Unterholzner nur die drei Arten Amsel, Wacholderdrossel und Singdrossel zwei Drittel des Vogelbestandes in Südtirols Talsohlenböden. Zunahmen und weitere Ausbreitungstendenz sind bei der Türkentaube (Streptopelia decaocto) zu verzeichnen. Die Felsenschwalbe (Ptyonoprogne rupestris) ist vom Felsenbrüter zum Kulturfolger und Hausbrüter geworden und hat sich in den Südtiroler Tälern bis zum Schutzhüttenbereich auf ca. 2.000 Metern Meereshöhe ausgebreitet.
Die Schwalben
Erich Gasser aus Gargazon hat sich in den letzten Jahren besonders auch der Erhebung der Schwalben gewidmet. Er hat die Daten von Schwalbenbeobachtungen aus den drei Jahren 1987, 1998 und 2016 ver-glichen. Aus dem Vergleich der Anzahl der bebrüteten Nester gibt er für den 30-Jahres-Zeitraum 1987-2016 den Rückgang der Mehlschwalben mit 60%, jenen bei den Rauchschwalben sogar mit 80% an. Dabei ist der Trend nicht einheitlich: In Gargazon ist der Rückgang gravierend, in der höheren Lage in Jenesien ist die Mehlschwalbenpopulation annähernd stabil geblieben. Die Rauch- oder Stahlschwalben leiden v.a. unter der Leerung der Ställe und dem Verschließen und Abdichten von Garagen und Erdgeschossräumen mit Toren. Erich Gasser hat auch beobachtet, dass Mehlschwalben ihre Nester verlassen und Gelege und Bruten aufgeben, wenn die Kotschutzbrettchen unter den Nestern in zu knapper Entfernung angebracht werden. Die Schutzbrettchen sollten daher in einer Entfernung nicht unter ca. 1 m unter dem Nest angebracht werden.
Beringungen
Für die Rekonstruktion des Vogelzuges und der Raumnutzung von Vögeln werden in Italien derzeit vor allem zwei nationale und internationale Beringungsprojekte
„MonITRing“ und „Progetto Alpi“ verfolgt. Iacun Prugger aus Gröden betreut diese Projekte in Südtirol engagiert und federführend an den zwei Beringungsplätzen Kalterer See und Grödner Joch. Bei den Beringungsaktionen 2016 mittels Fangnetzen konnte Iacun am Kalterer See 1.260 Individuen von 52 Arten beringen. Nach dieser Beringungsaktion gab es auch zwei Wiederfänge von beringten Vögeln.: Ein Schilfrohrsänger (Acrophelus schoenobaenus) wurde 55 Tage nachher in einem Fangnetz in Berlin dokumentiert und ein Zilzalp (Phylloscopus collybita) ist nach 56 Tagen 1.550 Kilometer weiter nördlich in Schweden wieder ins Netz gegangen. In Gröden konnte Iacun 2016 insgesamt 1.620 Vögel von 53 verschiedenen Arten beringen, was einer großen Artenanzahl entspricht.
Der Greifvogelzug
Den Frühjahrs- und Herbstzug der Taggreifvögel durch Südtirol beobachtet und registriert seit Jahren der Grödner Egon Comploi mit einem kleinen Team engagierten Freiwilliger. Im Laufe der Jahre haben sich für diesen Greifvogelzug drei Flugrouten als Hauptflugschneisen herauskristallisiert: Die westliche Flugroute durch das Etsch- und Passeiertal, die Route Sarntal-Brenner und die östliche Route Gröden - Pustertal - Ahrntal. Der am häufigsten beobachtete Zugvogel unter den Taggreifen ist der Wespenbussard (Pernis apivorus), gefolgt von Sperber (Accipiter nissus), Mäusebussard (Buteo buteo) und Merlin (Falco columbarius).
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