Spezial: Industrie im Vinschgau

geschrieben von

Industrie im Vinschgau – eine Momentaufnahme“ nannte sich jene Publikation, die vor über 20 Jahren vom Industriellenverband – Bezirk Vinschgau veröffentlicht wurde. Hartmann Gallmetzer war Autor und begab sich auf die Spuren des Unternehmergeistes und stellte Vinschger Industriebetriebe vor. Einiges hat sich verändert, vieles nicht. Etwa der Ideenreichtum, den Gallmetzer in seinem Vorwort beschrieb und den wir nicht vorenthalten möchten: „Die Vinschgauer Bevölkerung ist als ideenreich bekannt. So hat der Obervinschgau in der Tiroler Kultur – und darüber hinaus – immer einen Brennpunkt verkörpert und unserem Kulturraum große Persönlichkeiten geschenkt. Gewissermaßen kam gerade hier der innere Widerspruch zwischen Güterreichtum und geistigen Werten, denen erstgenannte Güter von geringerer Bedeutung sind, stark zum Ausdruck, und vielleicht ist dies eine der heimlichen Ursachen, warum gerade im oberen Teil dieses Tales , von allen anderen Faktoren abgesehen, die Menschen eher zögerten, bevor sie sich entschieden, voll in den Prozess des allgemeinen Wirtschaftswachstums einzusteigen und ihren Ideenreichtum entsprechend gezielt in den Dienst der wirtschaftlichen Entwicklung zu stellen. Dieser Übergangsprozess kann heute als abgeschlossen betrachtet werden. Wenn man die gesamtwirtschaftliche Entwicklung des Tales in den letzten Jahrzehnten erwägt, wird man zum Schluss gelangen, dass der Obervinschgau heute fast alles nachgeholt hat, was noch vor wenigen Jahren als fast uneinholbar betrachtet wurde. Die Obstwirtschaft hat sich inzwischen weit „hinauf“ gewagt, der Fremdenverkehr ist stärker geworden, das Handwerk erlebt eine Blüte, und die Industrie – und damit sind wir zum Punkt gekommen – ist gerade auch im Obervinschgau zu einem tragenden Faktor der Beschäftigung und des Wohlstandes geworden. Aus Ideen wurden Taten, aus Taten wuchsen Betriebe. In den letzten Jahren entwickelte sich ein richtig hektischer Aufholbetrieb, und heute kann man kaum mehr von einem nach Gebietsabschnitten differenzierten Tal sprechen. Der Fortschritt hat überall Einzug gehalten. Und das Tal hat sich gewandelt.“

Zu den „industriellen Schwerpunkten“ schreibt Gallmetzer: „Der Vinschgau ist kennzeichnend für die dezentrale Industrialisierungspolitik Südtirols, die seit den sechziger Jahren darauf abzielte, dort das Entstehen von Betrieben zu fördern, wo Reservoire an Arbeitskräften vorhanden waren. Von der Töll aufwärts hat sich eine Kette von kleinen Industriepolen entwickelt: Naturns, Schwerpunkt Latsch-Kastelbell, Schwerpunkt Schlanders, Latsch, Eyrs, Schwerpunkt Prad, Mals. Dass hierbei die Bauwirtschaft der treibende Sektor war, liegt in der Natur der Dinge.“

Hilfe von auswärts erhielt der Vinschau, sagt Gallmetzer. „Eine Injektion von Optimismus erhielt der Vinschgau durch Unternehmer, die von außen kamen, sich umsahen und blieben. Es gehört ein wenig zum Wesen der Tiroler, dass sie vorsichtig sind, lange überlegen, bis sie zur Überzeugung gelangen, dass sie das, was die anderen können, selbst auch können. Unter „den anderen“ versteht man im Vinschgau vor allem die Firma HOPPE, die gar nicht einmal so sehr aus nüchternen ökonomischen Berechnungen, sondern auch aus affektiven Beweggründen in Schluderns Fuß fasste, Wurzeln schlug, dem ersten Betrieb einen zweiten in Laas folgen ließ und im Tal und für das Tal Industriegeschichte geschrieben hat. Man kann diese Pionierleistung verschieden interpretieren. Tatsache ist, dass im Gefolge dieses ersten wichtigen und großen Betriebes die Industrie im oberen Teil des Tales zu wachsen begann, das Handwerk sich stärker entfaltete und sich die Überzeugung durchsetzte, dass, was die einen können, auch die anderen versuchen müssen. Was sie denn auch taten. Womit der sprichwörtliche Multiplikatoreneffekt einsetzte: wirtschaftlicher Fortschritt entfaltete eine Breitenwirkung und Verästelung in viele Richtungen.“

Der Vinschgauer Unternehmer, ist Gallmetzer überzeugt, unterscheidet sich kaum von seinen Kollegen in anderen Gebieten. „Sie alle verbindet ein Element, das den Unternehmer auszeichnet: Den Mut zur Verantwortung, zur Eigenständigkeit und zum Risiko. Es braucht vor allem in der Zeit der Gründerjahre, wo aus dem Nichts geschaffen wird, Mut und Überwindung, um den Schritt zu machen, der in den Unternehmer-“Beruf“ hineinführt. Es ist nicht nur das Wagnis, das mit jedem Wachstum verbunden ist, es ist die Verantwortung für Mitarbeiter und ihre Familien, für die Dorfgemeinschaft, die in jeden Betrieb mit neuen Arbeitsplätzen Hoffnungen setzt, die den Unternehmer prägen, ganz gleich, ob die Zahl der Mitarbeiter zehn oder hundert beträgt. Jede Betriebsgründung stellt einen starken Eingriff in ein bestehendes soziales und wirtschaftliches Gefüge dar und ist ein Weg ins Neue. Weshalb man sagen kann, dass die Industrie im Vinschgau das Erscheinungsbild des Tales, sichtbar und unsichtbar, geprägt und verändert hat. Abschließend sei gesagt, dass die Industrie den Vinschgau moderner, wirtschaftlich solider, sozial aufgeschlossen und in jeder Hinsicht weltoffen gemacht hat. Die Vinschgauer Unternehmer sind sich bewusst, was sie für ihr Tal und die Wirtschaft Südtirols darstellen und sie nehmen ihren selbstgewählten Auftrag ernst. Ein schöneres Kompliment gibt es nicht.“

 

  • 1
  • 2

Gelesen 390 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 21 24

titel Vinschgerwind 20-24

titel vinschgerwind 19-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.