Der 3. Stand

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v.l.: BB-Bezirksobmann Raimund Prugger; BB-Direktor Siegfried Rinner; Obmann der Bonifizierung Paul Wellenzohn v.l.: BB-Bezirksobmann Raimund Prugger; BB-Direktor Siegfried Rinner; Obmann der Bonifizierung Paul Wellenzohn

Schlanders-Vinschgau - Heuer war wieder eine anständige Vollversammlung des Bauernbundes Bezirk Vinschgau möglich. Viele Bäuerinnen und Bauern sind am vergangenen Montag nach Schlanders gekommen. Die Bauernriege in der ersten Reihe war fast vollständig. Nur einer hat gefehlt: Sepp Noggler.

von Erwin Bernhart

In die brauchtumsfreie Zeit zwischen Kini und kurz vor dem Start des Bauernjahres zu Lichtmess wird traditionell die Bauernbund-Bezirksversammlung gelegt. Landauf und landab. Die Vinschger Bauern waren dazu am vergangenen Montag in das Kulturhaus von Schlanders geladen und sie sind gekommen. Das Parkett im Kulturhaussaal war bis auf ganz wenige Stühle besetzt.
Von der politischen Prominenz waren mit Landesrat Arnold Schuler und Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer die wichtigsten Vertreter zugegen. Befremdlich gefehlt hat ausgerechnet der Vinschger Landtagsabgeordnete und Bauernvertreter Sepp Noggler. Während die Bauernvertreter in ihren Reden ein Noggler-Lob nicht über die Lippen brachten, musste das ausgerechnet der Sarner Landtagsabgeordnete Franz Locher tun. Mit „die Vinschger sind höflich und lassen auch Auswärtige reden“ bat der BB-Bezirksobmann Raimund Prugger den schnellzüngigen Sarner auf die Bühne, der dort eine „Lanze für Sepp Noggler“ brach und sagte, dass der Sepp „unentbehrlich für den Vinschgau“ sei, bevor er zwei Tierarten als für die Bauern problematisch ansprach: den Borkenkäfer und den Wolf. Das war zum Schluss der dreistündigen Versammlung mit ununterbrochenen Reden und ohne Diskussion. Ganz zum Schluss gab es noch eine Geschenkskiste für Leo Forcher, der 39 Jahre lang dem Weinbauverein Vinschgau vorgestanden hat.
Der Bezirksobmann des Südtiroler Bauernbundes Raimund Prugger sprach die Bauernthemen 2022 nach der unendlichen Begrüßungsliste im Telegrammstil an. Die Berglandwirtschaft habe unter Wassermangel gelitten und mancherorts sei ein Schnitt weniger möglich gewesen. Bei den Schlachtviehpreisen sei es 2022 zufriedenstellend gewesen. Ob die etwas gestiegenen Milchpreise die gewaltige Kostensteigerung bei der Milchwirtschaft ausgleichen werden, müsse sich erst noch zeigen. Das Thema Tierwohl sei allerorts im Gespräch.
In der Obstwirtschaft seien durchwachsene Preise zu verzeichnen. Die Clubsorten, die im Vinschgau 10 % der Anbaufläche einnehmen seien eine Herausforderung für die Bauern und für die Vermarktung. Prugger forderte in diesem Bereich eine Konsolidierung. Beim Weinbau sei die Stimmung gut, weil die heimische Gastronomie den einheimischen Wein schätze. Auf 87 Hektar werde im Vinschgau Wein angebaut und es waren in früheren Zeiten 200 Hektar. Also sei noch Luft nach oben, wenn es auch schwierig sei, Anbauflächen zu erhalten.
Durch die gute Einlagerung in den Genossenschaften und der damit einhergehenden Zeitstreckung bei der Vermarktung könne man beim Gemüseanbau stabile Preise erzielen.
Beim Steinobst und beim Beerenanbau ließ Prugger seinem Staunen über die Vielfalt im Vinschgau freien Lauf. Bei den Kirschen habe man allerdings relativ ungenügende Preise erzielen können, bei den Marillen gab es 2022 durch Frost und Hagel eine unterdurchschnittliche Ernte und beim Anbau von Erdbeeren habe man eine kritische Untergrenze erreicht - weniger sollte es nicht werden.
Mit dem Borkenkäferbefall sei der Wald zum Problemkind geworden. 2 Millionen Festmeter Schadholz, verursacht durch den Strum Vaja, den Schneedruck und den Borkenkäfer, gebe es in Südtirol. „Das Viech ist noch wenig erforscht“, sagte Prugger. Er fordete die Politik auf, dafür zu sorgen, dass die Bringungsprämie schneller ausbezahlt werde.
Für die Imker sei 2022 passabel gewesen. Prugger sprach die Wassernutzung an und die s7 1122Raumordnung. Dem Entwurf zum Nationalpark gewann er im Bereich Baurecht Positives ab. Bei den Abschussplänen von Rotwild außerhalb des Parkes müsse wohl nachgeschärft werden, denn der Zuwachs sei trotz Einhaltung der Abschusspläne zu groß.
Beim Wolf müsse Abhilfe geschafft werden, denn sonst drohe die Auflassung der Almen. Die Schuldigen beim Wolf, so habe es der Kammerabgeordnete Spagnolli ausgemacht, seien die Bauern. Denn die machen keine Herdenschutzmaßnahmen. Prugger sagte, dass Zäune zwar die Schafherde zusammenhalten aber gegen den Wolf nicht helfen.
Und zuletzt brachte Prugger Anfragen aus den Reihen der Bauern vor, die sich für eine Wiedereinführung der Voucher aussprachen.

Der BB-Direktor Siegfried Rinner, gebürtiger Latscher, plädierte in seinem Vortrag für ein „Sowohl - als auch“. Den groß diskutierten Themen Artenschutz/Artenvielfalt - Klimwandel und Tierwohl stellte Rinner die Ernährungssicherheit gegenüber. Die Ernährungsssicherheit in Europa müssen die Bauern gewährleisten und diese Politik müsse die EU verfolgen. Es gebe Beispiele genug, wo die Versorgungssicherheit aufgegeben worden ist, etwa in der Pharmaindustrie. Da sei die Herstellung nach China ausgelagert worden. Oder in der Verteidigung - die sei in die USA ausgelagert worden. Oder in der Industrie. Die Produktion finde in China statt. Oder in der Energie, für deren Versorgungssicherheit müssen die Rohstoffe von außen angekauft werden.
Aus all diesen Gründe gebe es kein „Entweder-Oder“, Kuh oder Klima - das, so Rinner, sei Unsinn.
Die Nachhaltigkeit habe schon ihre Berechtigung. Nachhaltigkeit sei im ökonomischen, im ökologischen und im sozialen Bereich gleichwertig. Es könne also nicht sein, dass Nachhaltigkeit ausschließlich die ökologische Seite betreffen solle. Rinner erinnerte an die grüne Lanwirtschaftsministerin Renate Künast, die 30 % Bioanbau für Deutschland forderte. Daraus sei nichts geworden. „Wenn man die Bäuerinnen und Bauern nicht mitnimmt, geht es eben nicht“, sagte Rinner. Rinner forderte von der Politik mehr Mut, etwa bei der Photovoltaik. Denn wo sollen die 70 % neue Energie, die bei Energiegemeinschaften gefordert werden, herkommen.
Rinner kritisierte die Medien, die „eine negative Einstellung zur Landwirtschaft zu haben scheinen“. Medien machen Politik. Aber immerhin werde über die Landwirtschaft in Südtirol berichtet. Andernorts, in Deutschland etwa, sei das wenig der Fall.
Das neue Gesetz für die Lebensmittelkennzeichung findet Rinner sehr zielführend. Der Kunde wolle schließlich wissen, woher das Schnitzel auf seinem Teller herkomme. Man müsse eben eine Kultur für Lebensmittel schaffen, schließlich wollen die Bauern mehr Geld für ihre Produkte erlösen.
Zu den Prämien, also zu den Subventionen, meinte Rinner: „Wir bringen für wenig Geld eine super Leistung.“
Der Fokus der Landwirtschaft für 2023 ist laut Rinner klar eingestellt: Markt, Produkte, Ernährungssicherheit. „Wir versuchen viel im Hintergrund zu arbeiten. Aber manchmal muss man raus aus den Stauden“, fasste Rinner die Arbeitsweise des Bauernbundes zusammen.
Michael Crepaz informierte die Bauern über die neuen Förderrichtlinien.
Der Obmann des Bonifizierungskonsortiums Vinschgau Paul Wellenzohn gab dann einen Überblick über die Tätigkeiten in der Beregnung. 30 Millionen Euro habe man 2019 – 2022 investiert. 7.700 Hektar Kulturland sind mit künstlicher Bewässerung ausgestattet, davon 5000 Hektar Obstanlagen und 2700 Hektar Grünland. 1700 Hektar verfügen über eine Frostberegnung und 2100 Hektar über eine Tropfberegnung. Aktuelle Projektplanungen liegen in einer Höhe von 96 Millionen Euro auf. Angesichts der Wasserknappheit und der Notwendigkeit auf die Umstellung auf Tropfberegnung und Erneuerungen appellierte Wellenzohn an die Politik, weiterhin für Förderungen Sorge zu tragen.
Landesrat Arnold Schuler war der Laudator für die Verleihung der Erbhofurkunde, die an den „Herrenhof“ in Latsch ging. Der Hof ist seit mehr als 200 Jahren im Besitz der Familie Lampacher. Besitzer ist heute Nikolaus Lampacher, der den Hof von Vater Mainrad übernommen hat. Mainrad Lampacher hat in seiner Zeit den Hof auf Obst umgestellt Der Akademiker Klaus Lampacher hat 2004 die sichere Stammrolle für Mathematik und Naturkunde an der Mittelschule Latsch gekündigt, um sich ganz der Hofarbeit widmen zu können. Derzeit werden auf der bewirtschafteten Fläche von 3,7 Hektar 8 Apfelsorten angebaut, davon 70 % Clubsorten. In Vorbereitung ist die Hofübernahme durch Sohn Johannes.
Schuler ließ es sich nicht nehmen, einige Themen zu streifen. Er träume davon, eine einheitliche „Südtiroler Heumilch“ am Markt zu haben. Für gutes Marketing würde er Geld zur Verfügung stellen. In der Apfelwirtschaft müsse man besser und anders als die Konkurrenz sein. Der integrierte Anbau, der vor 40 Jahren eingeführt worden ist, sei ein Meilenstein gewesen. Durch eine weitere Reduktion der Pflanzenschutzmittel könne man die Stärke Südtirols herausarbeiten. Den Konflikt im Obervinschgau habe man lösen können und die Laimburg konnte eine 70 %ige Reduzierung der Pflanzenschutzmittelrückstände auf Spielplätzen nachweisen.
Bevor Prugger die Versammlunng für beendet erklärte kamen noch Grußworte von BB-Obmann Leo Tiefenthaler, von Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer und vom eingangs erwähnten Franz Locher.

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